Kloster Disentis
Schweiz

Besitzverzicht der Benediktinermönche nennt Raiffeisen-Chef Pierin Vinzenz «befremdlich»

Disentis, 29.7.15 (kath.ch) Den Rhythmus der Tage über eine religiöse App verfolgen? Ja, das gibt es. Zum Beispiel beim Heiligen Benedikt. Dessen Regel dient dem Kloster Disentis als Wegleitung für die App «Hora Benedicti». Diese übernimmt die fixe Leseordnung des Klosters und fügt jeden Tag einen «Impuls» von jemandem hinzu, der von innerhalb des Ordens oder aus verschiedensten Gesellschaftsbereichen kommt. Mitte August ist Skirennfahrer Carlo Janka an der Reihe.

Georges Scherrer

Das Projekt wird von Bruder Paul Tobler koordiniert. Die Benediktsregel ist primär für das Leben im Kloster geschrieben, wo viele Menschen zusammen leben. Die Mönche von Disentis sind aber der Überzeugung, dass diese Regel auch vielen Menschen ausserhalb der Klostermauern als Inspiration im Alltag dienen kann. Die App biete die Möglichkeit, die Benediktsregel nicht nur über kirchliche Kanäle zu verbreiten, sondern auch über einen moderneren Weg, der ein breites Publikum erreicht, sagt Bruder Tobler.

Darum veröffentlichen die Mönche jeden Tag einen Abschnitt aus dieser und lassen sie gleichzeitig von einer Persönlichkeit aus Politik, Religion, Wirtschaft, Kunst, Wissenschaften oder Sport oder von einer Ordensperson in einem «Impuls» hinterfragen oder kommentieren. Der Eingeladene kann frei seine Meinung äussern.

Bei den Benediktinern ist der «Cellerar» für die wirtschaftlichen Belange des Klosters zuständig. Gemäss der Benediktinerregel übernimmt ein Bruder dieses Amt, der «weise» ist, nicht masslos im Essen, nicht überheblich und nicht «stürmisch». Mit diesem Amt wurde in der App der Verwaltungsratspräsident des Pharma-Konzerns Roche, Christoph Franz, konfrontiert.

Der Roche-Chef zeigt sich fest überzeugt, dass «Bescheidenheit und Demut keine überholten, altmodischen Tugenden sind, sondern zur charakterlichen Grundausstattung eines jeden Managers gehören sollten» – und zwar für solche, die «im Dienste Gottes» in einem Kloster stehen, wie auch für solche, die im «Dienste eines Wirtschaftsunternehmens» wirken.

Hohe Achtung für Besitzverzicht

Mit dem «Eigenbesitz des Mönches» befasste sich der CEO von Raiffeisen Schweiz, Pierin Vinzenz. Der Heilige Benedikt hält in seiner Regel fest: «Dieses Laster muss mit der Wurzel aus dem Kloster ausgerottet werden.» Vinzenz hält dem Ordensgründer entgegen: Eigenbesitz als «schlimmes Laster» zu bezeichnen, «mutet mich seltsam und befremdlich an». Alle Versuche, diese Haltung «zwangsweise» einer ganzen Gesellschaft überzustülpen, scheiterten. «Umso höher ist meine Achtung vor Menschen, die ihr Leben freiwillig ganz in den Dienst der Gemeinschaft und des Glaubens stellen und dafür auf individuelle Freiheit und Besitz verzichten.»

Mit dem «Vorgehen bei Verfehlungen» im Benediktinerkloster befasste sich Romeo Fritz, Oberst im Generalstab. Zum Vorgehen, das Benedikt für den Umgang mit fehlerhaften Brüdern rät, meint der Offizier: «Es tönt so leicht und nachvollziehbar. Wenn es nur so einfach wäre in der Realität.» Er rät dem Abt, der Strafmassnahmen umsetzen soll, «bevorzugt in einem persönlichen Gespräch mit dem Fehlbaren» die Angelegenheit zu erörtern und erst dann die Schwere der Tat zu beurteilen und warnt zugleich den Klosteroberen: «Über welche unglaubliche Macht verfügt hier aber der Strafende.»

Kostendeckung und Weiterentwicklung

Bruder Paul macht darauf aufmerksam, dass regelmässig auch Ordensleute für die App schreiben und auf diese Weise «direkt Betroffene» ihre Sichtweise einbringen. Die Frauen bildeten einen guten Anteil des Autorenfeldes. Das Zielpublikum der App ist so breit gefächert wie das Feld der Autoren und Autorinnen, sagt Bruder Paul.

Die App kostet für Handynutzer den Preis von 4 Franken. Die Nutzer lassen sich durch diesen Preis in der Höhe einer Tasse Kaffee in einem Restaurant nicht abschrecken. Bald 1500 User haben die App bereits auf ihr Smartphone geladen. Den Preis sieht Bruder Paul gerechtfertigt. Die App kommt ohne Werbung aus. Die Einnahmen gehen an die Kostendeckung und Weiterentwicklung.

Ab dem 18. August wird der Skirennfahrer Carlo Janka die Regel des heiligen Benedikt aus der «Sport-Perspektive» beurteilen. Man kann gespannt darauf sein, was der wettkampferprobte Athlet zum Thema «Die Rangordnung in der Gemeinschaft», Kapitel 63 in der Benediktsregel, sagen wird. (gs)

Kloster Disentis | © Andrea Moresino
29. Juli 2015 | 15:14
Lesezeit: ca. 2 Min.
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