Bischof Vitus Huonder

Spannende Ausgangslage

Hintergrund:
Wer folgt auf den Churer Bischof Vitus Huonder?

Zürich, 23.5.14 (Kipa) 2017 wird der Churer Bischof Vitus Huonder 75 Jahre alt und muss dem Papst laut Kirchenrecht seinen Amtsverzicht anbieten. Geht alles mit rechten Dingen zu, wird das Churer Domkapitel aus einem Dreiervorschlag aus Rom den künftigen Oberhirten wählen. Die Frage, wer auf Huonder folgt, beschäftigt das krisengeschüttelte Bistum aber bereits jetzt. Wird es der umstrittene Generalvikar Martin Grichting? Darüber gehen die Meinungen auseinander.

Manche befürchten, dass die Wahl auf Grichting fällt. Dazu gehört etwa Markus Arnold. Der Theologe, CVP-Politiker und frühere Zürcher Synodenpräsident geht davon aus, dass das Domkapitel in seiner aktuellen Besetzung Grichting «automatisch» wählen würde, wenn dessen Name auf der Terna (Dreierliste) stünde. Bischof Amédée Grab, der Nachfolger von Wolfgang Haas, habe das Domkapitel «nur mit Leuten aus dem Dunstkreis von Haas bestückt», sagte Arnold im März anlässlich einer Prostestkundgebung in St. Gallen.

Ähnlich sieht das der Winterthurer Pfarrer und Dekan Hugo Gehring. «Grund zur berechtigten Annahme, dass eine Wahl von Martin Grichting zum Churer Diözesanbischof im Domkapitel angestrebt wird, bilden die Neuernennungen in dieses Gremium», teilte Gehring auf Anfrage gegenüber der Presseagentur Kipa mit. Der Dekan nennt namentlich Andreas Fuchs, Generalvikar für Graubünden, und die Pfarrer Rolf Reichle und Roland Graf, die in den Jahren 2011 beziehungsweise 2012 ernannt wurden. Da einige «gemässigte» Mitglieder aus gesundheitlichen Gründen oder weil sie vorher sterben an der Bischofswahl möglicherweise nicht mehr teilnehmen könnten, vereinheitliche sich die «kirchliche Ausrichtung» des Domkapitels zunehmend, so der Dekan.

«Eher den Lahmen oder den Blinden als Grichting»

Dem Domkapitel können maximal 24 Domherren angehören; ein Sitz ist derzeit vakant. Von den gegenwärtig 23 Domherren gehören laut verschiedenen Insidern zwischen sechs und acht zur Hausmacht von Huonder. Diese im Vergleich meist jüngeren Personen würden Grichting wählen, sagten diese Insider gegenüber Kipa. Dann gibt es eine Reihe von älteren Domherren, die nicht zur Hausmacht des jetzigen Bischofs gehören. Fallen sie weg, ist der Weg für Huonder frei, weitere Gefolgsleute ins Wahlgremium zu ernennen.

Ob Grichting auf diese Weise zu einer Mehrheit käme, bleibt offen. Im Moment jedenfalls hat er diese Mehrheit nicht. Einzelne Domherren sind der Ansicht, dass das Domkapitel in seiner aktuellen Zusammensetzung Grichting nicht wählen würde. «Ich wäre sehr überrascht, wenn das Domkapitel Grichting wählen würde», sagte etwa der dienstälteste Domherr, Franz Stampfli, gegenüber Kipa. Der Generalvikar habe auch «kaum Chancen» auf die Terna zu kommen.

«Gesetzt den Fall, auf der Dreierliste wären Grichting, ein Lahmer und ein Blinder. Ich glaube, das jetzige Domkapitel würde eher den Lahmen oder den Blinden wählen», sagte Andreas Rellstab, Domherr und früherer Generalvikar für Graubünden, gegenüber Kipa. Oder auf eine Wahl verzichten und den Entscheid Rom überlassen.

Wer kommt wie auf die Dreierliste?

Rellstab spricht damit einen weiteren Faktor an, der nebst der Zusammensetzung des Domkapitels eine Rolle spielt: Die Wahlchancen von Grichting hängen auch davon ab, wer sonst noch auf der Liste steht. Für die Zusammenstellung der Terna ist aber nicht das Domkapitel zuständig.

Dies sei Aufgabe des Nuntius, der Bischofskongregation und letztendlich des Papstes, schreibt Stephan Stocker in einem Beitrag für die Schweizerische Kirchenzeitung (31-32/2008). Es gebe keine Rechtsvorschrift, wonach die Liste aus Vorschlägen des Domkapitels oder aus Konsultationen des aktuellen Nuntius hervorgehen müsse. Laut Stocker ist der Heilige Stuhl gänzlich frei, sowohl Konsultationen eines früheren Nuntius zu verwerten als auch Konsultationen direkt durchzuführen.

Unzufriedener Domherr

Dabei kann der Heilige Stuhl sich natürlich von Lobbyisten beeinflussen lassen. Stampfli, seit 1977 Domherr, klagt, in Chur habe man «eine Dreierliste, bei der niemand weiss, wo sie gemacht wird. In Chur behauptet man, die Dreierliste komme aus Rom. Der Nuntius sagt, die Dreierliste komme von Chur.» Bei den Konsultationen sei das Domkapitel als solches, mindestens seit 1977, «immer» ausgeschlossen worden. In allen deutschen Bistümern, die er kenne, würde hingegen das Gremium konsultiert, obschon dies nicht vorgeschrieben sei. «Wir haben weniger Rechte.»

Warum ist das so? Für Stampfli ist klar: «Weil es heisst, ihr habt ein Privileg. Ihr könnt ja dann auswählen aus drei Kandidaten. Aber wenn darauf ein Blinder, ein Lahmer und der Wunschkandidat von Rom stehen, dann ist das keine Wahl.»

Der Domherr plädiert dafür, dass das Churer Domkapitel künftig auch konsultiert wird. Das Gremium sollte bereits jetzt Schritte dazu unternehmen, findet er. Stampfli deutet jedoch an, es könnte schwierig werden, dieses Thema überhaupt auf die Traktandenliste des Generalkapitels zu kriegen, bei dem sich sämtliche Domherren zwei Mal jährlich treffen. Denn die Liste werde von den sogenannten Delegierten des Domkapitels «nach den Wünschen des Bischofs» erstellt, was «schon etwas fragwürdig» sei, so Stampfli.

«Wir sind kein Beratungsorgan»

Überhaupt sei dem Domkapitel in den letzten Jahren «nie mehr etwas zur Entscheidung vorgelegt worden». Die Sitzungen des Domkapitels seien zur Plauderstunde des Bischofs verkommen, Fragen, die Entscheidungen verlangten, nicht erwünscht. Stampflis Fazit: «Im Grunde genommen sind wir kein Beratungsorgan.» (kipa/arch/bal/gs)

Bischof Vitus Huonder | © Georges Scherrer
23. Mai 2014 | 12:02
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