Marcel von Holzen, Pfarrer von Heilig Geist in Höngg
Schweiz

Pfarrer Marcel von Holzen: Ich lasse Nicht-Priester Teile des Hochgebets sprechen

Ex-Dekan Marcel von Holzen kritisiert das Liturgie-Schreiben der Bischöfe: «Das derzeitige Gerangel ‹Wer darf was am Altar?› ist einer Heiligen Messe unwürdig.» Der Schatz der Eucharistie hänge «nicht vom Runterlesen der Liturgie ab, sondern von unseren Herzen». Neuerdings lässt er Nicht-Priester Teile des Hochgebets sprechen.

Magdalena Thiele

Wie wirkt der Brief der Bischöfe von Basel, Chur und St. Gallen auf Sie: als Rüffel – oder als Ermutigung?

Marcel von Holzen: Ich sehe darin vor allem ein Zeichen von Unsicherheit. Der Fall Monika Schmid hat etwas ins Rollen gebracht. Die Bischöfe wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen. In ihrem Brief schreiben die Geistlichen, die Liturgie sei kein Experimentierfeld. Die Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils war selbst ein Experimentierfeld, um den Schatz der Liturgie in die moderne Zeit zu übersetzen. Das Schweizer Hochgebet als Frucht der Synode 72 zeugt unter anderem davon. Die Bistümer hätten seitdem weitere zeitgemässe Alternativen hervorbringen müssen, die der Realität einer veränderten Kirche Rechnung tragen.

Pfarrer Marcel von Holzen
Pfarrer Marcel von Holzen

Was bedeutet der Brief konkret für Sie als Pfarrer?

Von Holzen: Der Brief beschreibt einen Spagat zwischen Glauben und Kirchenrealität, den die Seelsorgenden machen müssen. Ich denke, den größten Spagat müssen die Bischöfe selbst machen. Ich wünschte, sie würden es da mehr mit Franziskus halten: regionale Fragen auch regional lösen. Man könnte sehr wohl offizielle Alternativformen schaffen, wenn man das möchte.  

Monika Schmid während ihres Abschiedsgottesdienstes.
Monika Schmid während ihres Abschiedsgottesdienstes.

Nicht nur Monika Schmid hat konzelebriert – sondern auch Charlotte Küng-Bless. Was möchten Sie ihnen sagen?

Von Holzen: Ich möchte ihnen Mut machen, aus dieser Angelegenheit das Positive zu ziehen. Die Liturgie ist etwas, was alle Gläubigen verbindet. Aber wir haben auch eine Schweizer Tradition, die die Liturgie prägt. Diejenigen, die das befremdlich finden, sollten wir ermutigen, diese Art kennenzulernen. 

Monika Schmid (links) und Charlotte Küng-Bless
Monika Schmid (links) und Charlotte Küng-Bless

Was dürfen Frauen, oder sagen wir: Laiinnen und Laien bei Ihnen in der Kirche?

Von Holzen: Früher war ich dagegen, dass Lainnen und Laien Abschnitte des Hochgebets lesen. Heute sehe ich das anders. Nach den priesterlichen Teilen von Epiklese, Einsetzungsbericht und Anamnese sollen die pastoralen Mitarbeitenden, die eine bischöfliche Missio haben, an Feiertagen die Gebete für Kirche, Lebende und Verstorbene, sprechen können. Das spiegelt die kirchliche Wirklichkeit im Pfarreileben wider.

Die Bischöfe Markus Büchel (links) und Felix Gmür stehen derzeit in Kritik.
Die Bischöfe Markus Büchel (links) und Felix Gmür stehen derzeit in Kritik.

Sprechen die Bischöfe für eine konservative Mehr- oder Minderheit der Schweizer Katholiken?

Von Holzen: Meiner Meinung nach für eine Minderheit. Diese Minderheit pocht stark auf die Einhaltung von Regeln – das ist auch legitim, solange nach dem tieferen Sinn der Regeln gefragt wird. Diesbezüglich vermisse ich aber oft eine urkirchliche Gesinnung. Neben der römischen Vorgabe muss es auch Raum für örtliche Formen geben. Das hält unsere Kirche absolut aus und macht sie authentisch.

Von links Sarah Paciarelli (Frauenbund), Monika Schmid und Bischof Joseph Bonnemain.
Von links Sarah Paciarelli (Frauenbund), Monika Schmid und Bischof Joseph Bonnemain.

Wie würden Sie das theologisch untermauern?

Von Holzen: Die Taufe verleiht grundsätzlich jedem die Befähigung, Sakramente zu spenden. In einer grossen Gemeinschaft muss es aber Regeln geben, die festlegen, was es braucht, um Sakramente ordentlich zu spenden, und das geschieht durch die Ordination. Die Priesterweihe erlaubt es, heilige Sakramente zu spenden. Ich wünsche mir diesbezüglich von unseren Bischöfen manchmal mehr evangelisches Denken im biblischen Sinne.

Pfarrer Marcel von Holzen
Pfarrer Marcel von Holzen

Was meinen Sie damit?

Von Holzen: Momentan verantworten sie lieber, dass Sakramentsfeiern ausfallen, statt die mit Missio beauftragten Theologinnen und Theologen zu einer temporären Spendung der Sakramente zu beauftragen, zum Beispiel bei Krankensalbungen. Das ist aus meiner Sicht ein Verstoss gegen den pastoralen Auftrag. Die Verwirklichung einer solchen Idee würde dem «semper-reformanda-Prinzip» der Kirche gut anstehen. Und leider wird auf konservative Kritik immer sehr schnell reagiert. Die Bischöfe fürchten eine Reaktion aus Rom.

Klerikale Kulisse während des Requiems für Benedikt XVI.
Klerikale Kulisse während des Requiems für Benedikt XVI.

Wieso klammert sich ein beachtlicher Teil der Hierarchie so sehr an Formalitäten? Sollten wir nicht mehr über Glaubensinhalte sprechen?

Von Holzen: Die Heilige Messe ist das erhabenste Zeichen katholischer Frömmigkeit, aber auch des Priestertums. Auch wenn sie es dementieren, sehe ich in diesem Klammern eine Verteidigung des Klerikalismus, ausgehend von einer gewissen Angst vor Machtverlust. 

«Das derzeitige Gerangel ‘Wer darf was am Altar?’ ist einer Heiligen Messe unwürdig.»

Die Realität ist aber: Immer mehr Aufgaben der Kirche müssen von Laiinnen und Laien übernommen werden. Meinetwegen könnte man alle Seelsorgenden – verheiratet oder freiwillig zölibatär – weihen, die sich zur Ordination eignen. Das derzeitige Gerangel «Wer darf was am Altar?» ist einer Heiligen Messe unwürdig. Es gibt weitaus Wichtigeres als Formalitäten.

Kelche und Hostienschalen für das Requiem für Benedikt XVI.
Kelche und Hostienschalen für das Requiem für Benedikt XVI.

Ist der Priestermangel aus Ihrer Sicht ein Argument? 

Von Holzen: Seit den 1980er-Jahren haben wir einen wachsenden Personalnotstand. Es gibt immer weniger Priester, und auch die Zahl der Laientheologinnen und Laientheologen nimmt stark ab. Die Kirche reagiert in unseren Breitengraden darauf bisher eher hilflos. Irgendwann müssen aber Schritte erfolgen, die deutlich machen, worum es letztlich geht: um eine sorgende Kirche.

«Der Schatz der Eucharistie hängt nicht vom Runterlesen der Liturgie ab, sondern von unseren Herzen.»

Was kann so ein Schreiben für Folgen haben?

Von Holzen: Viele Gläubige sind enttäuscht und frustriert. Ich habe viele Punkte, die mich daran stören. Insbesondere hängt der Schatz der Eucharistie nicht vom Runterlesen der Liturgie ab, sondern von unseren Herzen.

* Marcel von Holzen ist Pfarrer in der Gemeinde Guthirt in Zürich-Wipkingen. Zudem ist er Pfarradministrator von Heilig Geist in Zürich-Höngg. Bis vor kurzem war er Dekan des Dekanates Zürich-Stadt.


Marcel von Holzen, Pfarrer von Heilig Geist in Höngg | © Vera Rüttimann
9. Januar 2023 | 05:38
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