Papst Franziskus spricht am Weltkongress der Religionen – neben dem israelisch-sephardischen Oberrabiner Yitzhak Yosef (l.) und dem kasachischen Präsidenten Kassym-Schomart Tokajew
Vatikan

Papst plädiert für aktive Rolle der Religionen in der Gesellschaft

Papst Franziskus hat sich für ein konstruktives Miteinander von Religion und Politik ausgesprochen. In seiner Abschlussrede beim Weltkongress der Religionen in Kasachstan sagte der Papst am Donnerstag, es gebe «eine gesunde Verbindung zwischen Politik und Transzendenz, eine gesunde Koexistenz, die beide Bereiche unterscheidet.»

Unterscheidung bedeute weder Vermischung noch Trennung. Der Mensch brauche «einen freien und für die Unendlichkeit offenen Raum, der nicht durch irdische Macht begrenzt ist.» Gleichzeitig dürfe aber die Religion nicht «der Versuchung erliegen, sich in Macht zu verwandeln».

Religion darf nicht Privatsache werden

Unmissverständlich wandte sich der Papst gegen laizistische Ideen, wonach die Religion aus dem öffentlichen Raum verbannt und zur blossen Privatsache werden sollte. «Möge jeder und jede, die ihren Glauben rechtmässig zum Ausdruck bringen möchten, immer und überall geschützt sein», so die Forderung des Papstes. Religionsfreiheit sei «kein abstraktes Konzept, sondern ein Recht.

In seiner Rede warb das Kirchenoberhaupt ferner für eine Weiterentwicklung des Dialogs zwischen den Religionen. Dieser Dialog, der auf institutioneller Ebene in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstand, sei «nicht mehr bloss eine Möglichkeit, sondern ein dringender und unersetzlicher Dienst an der Menschheit».

Transzendenz und Geschwisterlichkeit

Die grossen Weisheitslehren und Religionen seien dazu aufgerufen, «für alle Menschen das Bestehen eines gemeinsamen geistlichen und moralischen Erbes zu bezeugen, das auf zwei Eckpfeilern beruht: der Transzendenz und der Geschwisterlichkeit».

Viele Millionen Menschen kämen in den unterschiedlichsten Kulturen an unzähligen Kultorten zum Gebet zusammen, erklärte der Papst. Dieses Gebet sei «die verborgene Kraft, die die Welt in Bewegung hält.» Eng damit verbunden sei die Geschwisterlichkeit. Niemand könne «wahre Verbundenheit mit dem Schöpfer bekennen, wenn er dessen Geschöpfe nicht liebt».

Besondere Friedensmission

Abermals warb der Papst mit eindringlichen Worten für Frieden in einer von Kriegen bedrohten Welt. Jeder militärische Konflikt könne heute einen Dominoeffekt auslösen und das gesamte System der internationalen Beziehungen ernsthaft gefährden. Er führte aus: «Wir, die wir an den Schöpfer aller glauben, müssen uns bei der Verbreitung des friedlichen Zusammenlebens besonders hervortun. Wir müssen es bezeugen, predigen und erflehen.»

Franziskus unterstrich die in der Erklärung des Religions-Kongresses von Nur-Sultan enthaltene Forderung an die Staats- und Regierungschefs der Welt, «Konflikte und Blutvergiessen überall zum Stillstand zu bringen und aggressive und zerstörerische Rhetorik aufzugeben» und fügte hinzu: «Wir bitten euch im Namen Gottes und zum Wohle der Menschheit: Setzt euch für den Frieden ein, nicht für die Rüstung! Nur wenn ihr dem Frieden dient, wird euer Name in der Geschichte gross bleiben.» (cic)

Ansprache des Papstes im Wortlaut


Papst Franziskus spricht am Weltkongress der Religionen – neben dem israelisch-sephardischen Oberrabiner Yitzhak Yosef (l.) und dem kasachischen Präsidenten Kassym-Schomart Tokajew | © KNA
15. September 2022 | 15:07
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