«Leistungsverträge wären eine Chance für die Kirche»

Grossrätin Franziska Schöni-Affolter fordert Kostentransparenz und eine Anpassung der kirchlichen Leistungen an die Bedürfnisse der Bevölkerung.

Frau Schöni-Affolter, sind Sie mit dem Resultat des Berichts zum Verhältnis von Kirche und Kanton zufrieden?
Franziska Schöni-Affolter: Ich bin positiv überrascht. Zum einen zeigt der Bericht, dass die Kirche wertvolle Leistungen erbringt. Er zeigt jedoch auch klar auf, dass die heutige Verflechtung von Kirche und Kanton nicht mehr zeitgemäss ist. Zwar gibt es keine pfannenfertigen Lösungen, der Bericht macht aber deutlich, dass man die Entflechtung nun an die Hand nehmen muss.

Sie forderten einst Leistungsverträge für die Kirche – bleiben Sie dabei?
Ja. Es ist wichtig, dass endlich transparent gemacht wird, was der Kanton den Kirchen zahlt. Leistungsverträge wären auch eine Chance für die Kirchen. Denn dann müssten sie ihr Angebot stärker auf die Bedürfnisse der Bevölkerung ausrichten. Etwa indem sie ein zeitgemässeres Angebot für junge Leute schaffen würden. Heute wandern viele von ihnen zu den Freikirchen ab.

Allerdings würde der Kanton auch mit Leistungsverträgen unter dem Strich nicht wesentlich weniger ausgeben als heute.
Ja, aber dann gäbe es einen Wettbewerb unter den verschiedenen Anbietern. Wohlverstanden, ich fordere dies nur für den Diakoniebereich, also für die sozialen Aufgaben, welche die Kirche erfüllt, und nicht für die kultischen Handlungen. Ich bin sicher, dass die Kirche im Wettbewerb bestehen kann, denn sie verfügt ja über die nötigen Qualifikationen. Dadurch wäre sie aber gezwungen, die Qualität ihrer Dienstleistungen hochzuhalten, da sie sonst Aufträge an Mitbewerber verlieren würde. Wenn der Kanton die Leistungen einkaufen könnte, dann hätte dies zudem den Vorteil, dass sich Angebot und Nachfrage decken würden.

Damit besteht aber die Gefahr, dass das System der freiwilligen und ehrenamtlichen Arbeit zerstört wird.
Das bezweifle ich. Es gibt immer Menschen, denen ein freiwilliges Engagement ein Bedürfnis ist.

Die Regierung will das Verhältnis von Kirche und Staat mit einer Totalrevision des Kirchengesetzes weiterentwickeln. Ist das der richtige Weg?
Ja, im Gespräch kann die Kirche vielleicht ihre Angst vor diesen Neuerungen abbauen. Es ist wichtig, der Kirche aufzuzeigen, dass eine Weiterentwicklung im Diakoniebereich ihre einzige Chance ist. Denn wenn sie weiterhin jährlich 1,5 Prozent ihrer Mitglieder verliert, dann ist irgendwann einmal Schluss.

Lanciert die GLP nun wie angekündigt eine Volksinitiative zur Trennung von Kirche und Staat?
Wir haben nie eine solche Initiative angekündigt – das ist eine Erfindung der Medien. Ich habe lediglich gesagt, dass wir offen sind, diesen Weg zu beschreiten, falls sich nichts ändert. Nun scheint aber Bewegung in die Sache zu kommen. Wenn die Regierung ihren Worten auch Taten folgen lässt, dann ist eine Initiative kein Thema. Wenn alles beim Alten bleibt, dann kann ich mir vorstellen, dass sich ein breites Bündnis – bei dem auch wir mitmachen würden – dagegen wehrt. (Berner Zeitung

Berner Zeitung
28. März 2015 | 18:25