Sterbehilfe

Alle reden von Sterbehilfe. Doch eigentlich geht es in der derzeitigen Diskussion konkret um Suizidbeihilfe. «Sterbehilfe» ist eine Art Oberbegriff, dessen Varianten einerseits gesetzlich ganz unterschiedlich geregelt sind und anderseits von den verschiedenen Beteiligten – auch von den Kirchen – moralisch ganz unterschiedlich eingeschätzt werden. Von «Sterbehilfe» zu sprechen ist daher viel zu ungenau. Wer verstehen will, worüber diskutiert wird, was erlaubt ist und welche die Position der katholischen Kirche ist, sollte die Begriffe klar trennen:

  • Aktive, direkte Sterbehilfe: Dabei geht es um das aktive Töten eines kranken Menschen durch Dritte. Die aktive Sterbehilfe fällt unter das gesetzliche Tötungsverbot. Sie ist daher verboten, auch wenn sie auf Verlangen des Betreffenden geleistet wird («Tötung auf Verlangen»). Dieses Verbot ist weitestgehend unbestritten. Die katholische Kirche lehnt die aktive Sterbehilfe denn auch ganz klar ab.
  • Passive Sterbehilfe: Ausschalten der medizinischen Geräte für Sterbende oder Verzicht auf aussichtslos gewordene lebenserhaltende Massnahmen. Passive Sterbehilfe ist in der Schweiz nicht strafbar, insbesondere wenn die Einwilligung des Patienten oder, wenn das nicht mehr möglich ist, der Angehörigen vorliegt. Auch die katholische Kirche stellt sich nicht dagegen und lehnt umgekehrt eine Lebensverlängerung um jeden Preis ab.
  • Indirekte (aktive) Sterbehilfe: Zur Schmerzbehandlung eines qualvoll Sterbenden werden Medikamente in einer so hohen Dosis verabreicht, dass dabei eine mögliche Beschleunigung des Sterbeprozesses in Kauf genommen wird. Dies ist nicht strafbar in der Schweiz. Die katholische Kirche lässt diese Art der Schmerzbehandlung zu, wenn der Tod dabei nicht gewollt wird.
  • Suizid-Beihilfe: Dritte helfen einem Sterbewilligen bei der Selbsttötung. Wichtig ist dabei, dass der Betreffende das todbringende Mittel selber einnimmt. Dies ist in der Schweiz (im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern) erlaubt, sofern die Beihilfe nicht aus selbstsüchtigen Motiven geschieht. Während gemäss (allerdings umstrittenen) Umfragen die Mehrheit der Bevölkerung die Suizidbeihilfe befürwortet, lehnt die katholische Kirche diese ab, weil nur die Tatsache, dass der Betreffende das Medikament selber einnimmt, die Suizidbeihilfe von der gesetzlich klar verbotenen Tötung auf Verlangen (also der aktiven Sterbehilfe) unterscheidet – alle übrigen Vorbereitungen trifft jeweils die Sterbehilfeorganisation. Die Akzeptanz von Suizidbeihilfe, so die Befürchtung, könne den Druck auf Kranke und Behinderte erhöhen, dem eigenen Leben ein Ende zu machen, um Angehörige und Gesundheitswesen zu entlasten.
  • Sterbebegleitung: Der Begriff meint die Begleitung eines Sterbenden bis in den Tod und hat nichts zu tun mit lebensverkürzenden Massnahmen. Sie schliesst seelsorgliche und spirituelle Begleitung ebenso ein wie die Palliativpflege – die Schmerztherapie für hoffnungslos Kranke unter Verzicht auf nunmehr sinnlose medizinische Massnahmen.

Die katholische Position zur Suizidbeihilfe

Auf der Homepage der Bioethik-Kommission der Schweizer Bischofskonferenz findet sich das Pastoralschreiben der Schweizer Bischöfe zur Frage der Sterbehilfe und der Sterbebegleitung aus dem Jahr 2002, das den Wert des Sterbens unterstreicht. Der Versuch, das Sterben mit einem selbst bestimmten und möglichst schmerzlosen Freitod zu bewältigen, beraube den Menschen der Spannung, die durch den unberechenbaren Tod in sein Leben trete, verkenne die sozialen Auswirkungen des Sterbens und verweigere das Vertrauen darauf, dass ein Grösserer Leben und Sterben in der Hand hält. Der Heimgang zu Gott und die Begegnung mit Jesus Christus sollten menschlicher Machbarkeit entzogen bleiben. Denn Fremdbestimmung und Abhängigkeit seien – bei aller Autonomie, die den Menschen ausmache &– eben auch ein zutiefst menschlicher Wert. Schliesslich habe sich der Mensch ja auch nicht selber ins Leben gerufen. Deshalb lehnen die Bischöfe die Beihilfe zum Suizid kategorisch ab.

Der Schweizer Thoeloge Hans Küng hingegen ist Mitglied bei der Sterbehilfeorganisation Exit. Seine Beweggründe legt er in seinen Büchern «Erlebte Menschlichkeit» und «Glücklich sterben» dar.

Der Standpunkt der Reformierten Kirchen

Der Schweizerische Evangelische Kirchenbund (SEK) spricht sich im Dokument «Das Sterben leben. Entscheidungen am Lebensende aus evangelischer Perspektive» gegen ein Recht auf Suizidbeihilfe aus. Diese dürfe nicht zum Normalfall werden, die Tätigkeit der Sterbehilfeorganisationen müsse klar rechtlich geregelt werden. Einfache Antworten auf die Frage, wie die Suizidbeihilfe ethisch einzuordnen sei, gibt es in dem Papier nicht: Es sei nicht möglich, allgemeingültige Regeln aufzustellen, die allen Situationen von Schmerz, Leiden und Verzweiflung gerecht würden, so der SEK. In jeder individuellen Situation müssten die drei zentralen Aspekte Schutz des von Gott gewollten Lebens, Fürsorge für den Nächsten und das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen abgewogen werden.

Ferner fordert der SEK in seiner Position einen Rechtsanspruch auf Palliative Care sowie dessen substanziellen Ausbau. Durch eine gute Palliativbetreuung lasse oft der Suizidwunsch nach. (kath.ch)

4. November 2014 | 14:44
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