Museumsmitarbeiterin Barbara Häne führt durch das neue Domizil.
Schweiz

Zwischen Spinnweben und Brombeerranken entsteht das neue Jüdische Museum

Noch sieht in der verlassenen, vierstöckigen Lagerhalle in Basels Stadtzentrum nichts nach dem neuen Domizil des Jüdischen Museums der Schweiz aus. Es gibt einiges zu tun bis zur geplanten Eröffnung im Sommer 2025. Aber der bisherige Standort platzt aus allen Nähten – deshalb müssen unter anderem originale Möbel des Solothurner Bethauses unter Verschluss bleiben. 

Boris Burkhardt

Barbara Häne knipst das Licht an. Es ist ein grosser Speicher mit knarrenden, abgewetzten Holzdielen. Im vorderen rechten Viertel befindet sich das Holzgestell eines alten Lastenaufzugs. An den Fenstern, in den Ecken hängen teils dichte Spinnweben oder gar verdorrte Brombeerranken.

Sogar Brombeeren wachsen in der Lagerhalle, die in knapp zwei Jahren das neue Jüdische Museum der Schweiz sein soll.
Sogar Brombeeren wachsen in der Lagerhalle, die in knapp zwei Jahren das neue Jüdische Museum der Schweiz sein soll.

Auf manche Teile der Holzwand sind Wörter gedruckt, die auf ihre einstige Verwendung in der Logistik hinweisen, mit der Jahreszahl 1918. Es braucht derzeit noch etwas Fantasie und in den kommenden knapp zwei Jahren einiges an finanziellen Mitteln, um hier in dieser vierstöckigen Lagerhalle das neue Jüdische Museum der Schweiz entstehen zu lassen.

Alter Standort zu klein

Schon lange sieht sich das Museum, das in Basel beheimatet ist, nach einem neuen Standort um. Der alte in der Kornhausgasse 8 platzt sechs Jahrzehnte nach seiner Eröffnung aus allen Nähten: Bei der Podiumsdiskussion jüngst am Europäischen Tag der Jüdischen Kultur traten sich die Zuhörerinnen und Zuhörer fast auf die Füsse; für Sonderausstellungen musste das Museum zeitweise externe Räume anmieten.

Der alte Standort des Jüdischen Museums in der Kornhausgasse 8 in Basel.
Der alte Standort des Jüdischen Museums in der Kornhausgasse 8 in Basel.

Das denkmalgeschützte einstige Tabaklager in der Vesalgasse 5 ist trotz seines derzeitigen Zustands (zwischenzeitlich wurde es als Brockenstube genutzt) die ideale neue Heimat für das nationale Museum der Schweiz für jüdische Kultur und Religion, wie Barbara Häne versichert. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin ist sie für Forschung und Veranstaltungen zuständig.

Ein symbolträchtiger Ort

Sowohl der neue als auch der alte Standort befinden sich in der Nähe des Spalentors, durch das seit dem Mittelalter die Juden aus dem kulturell reichen Elsass ihre Waren in die Stadt brachten, und der Universität. In der Nähe ist auch der Petersplatz, wie Barbara Häne betont, an den der erste jüdische Friedhof Basels bis zum Pogrom von 1349 angrenze. Noch immer fänden sich bei Bauarbeiten regelmässig jüdische Grabsteine. Schliesslich sei auch die Synagoge in der Leimenstrasse 24 nicht weit entfernt. «Hier ist ein symbolträchtiger Ort», findet Häne.

Aus dem Fenster ist der Turm des Spalentors erkennbar, durch das einst die Juden aus dem Elsass nach Basel gelangten.
Aus dem Fenster ist der Turm des Spalentors erkennbar, durch das einst die Juden aus dem Elsass nach Basel gelangten.

Im Erdgeschoss der Lagerhalle, dem einzigen Stockwerk mit Steinwänden, zeigt ein am Dach aufklappbares Modell, wie das Gebäude museumsgerecht renoviert und umgestaltet werden soll. Im Erdgeschoss werde es Platz für Sonderausstellungen und Veranstaltungen mit Sitzplätzen geben, erklärt Häne; das erste Obergeschoss solle der Jüdischen Religion, das zweite der Jüdischen Schweiz gewidmet werden. Auf dem Dachboden plant das Museum ein Schaulager und einen Treffpunkt für Besuchergruppen, vor allem von Schülerinnen und Schülern. Die Büroräume fänden im Anbau an das erste Obergeschoss Platz.

Detailliertere jüdische Perspektive

Wie Museumsleiterin Naomi Lubrich später ergänzt, werden Teile der neuen Dauerausstellung Originalmöbel aus dem kleinen Betsaal in Solothurn sein. Er wurde im 19. Jahrhundert eingerichtet und in den Achtzigern abgebaut. Bisher sei es aus Platzgründen nicht möglich gewesen, diese Möbel den Besucherinnen und Besuchern zu zeigen.

Das Modell des neuen Museums.
Das Modell des neuen Museums.

Ausserdem soll der geschichtliche Teil der neuen Ausstellung die Geschichte der Schweiz aus jüdischer Perspektive deutlich detaillierter als bisher abbilden. Dies mit Schwerpunkten im mittelalterlichen Rheinland, in der Kultur der Juden in den Dörfern im aargauischen Surbtal, im Elsass sowie in Süddeutschland, Schwerpunkten im Zionismus, im Antisemitismus und im aktuellen Gemeindeleben.  

Beteiligte kommen zu Wort

Ausser dem Modell befindet sich derzeit im Erdgeschoss eine kleine Zwischenausstellung zu den Bauplänen: An grossen Tafeln, die an die Wand gelehnt sind, kommen beteiligte Menschen zu Wort. Das Architekturbüro Diener & Diener aus Basel hat sich einerseits in der Stadt mit dem Markthallenturm oder Gebäuden auf dem Novartis-Campus Visitenkarten geschaffen. Andererseits hat es sich ausgiebig mit dem Thema beschäftigt mit dem Mémorial de la Shoah in Drancy bei Paris, von wo aus die Nazis die internierten Juden in den Osten verfrachteten.

Eine kleine Ausstellung zeigt die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Unterstützerinnen und Unterstützer des Umzugsprojekts.
Eine kleine Ausstellung zeigt die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Unterstützerinnen und Unterstützer des Umzugsprojekts.

Die Inneneinrichtung übernimmt das Studio Streberle aus Basel, das regelmässig mit dem Jüdischen und anderen Museen der Stadt an Ausstellungen mitarbeitet. Bauträger ist der Verein für das Jüdische Museum der Schweiz, deren Präsidentin Nadia Guth Baisini die Tochter der langjährigen Museumsleiterin Katja Guth Dreyfus ist.

Bauarbeiten beginnen im Januar

Die Lagerhalle aus dem 19. Jahrhundert gehört zu einem Ensemble mit kleinem Innenhof, dessen Vorderhäuser an der Strasse Spalenvorstadt aus dem Mittelalter stammen. In einem kleinen Anbau gibt es bereits eine Küche für die Anwohnerinnen und Anwohner, die das Museum mitbenutzen darf.

Blick auf den Innenhof.
Blick auf den Innenhof.

Die Bauarbeiten sollen im Januar beginnen: Laut Barbara Häne müssen die Balken statisch verbessert werden, die Wände isoliert, sanitäre Anlagen, Elektrik, EDV und Klimaanlage eingebaut werden. Ausserdem soll ein Aufzug bis in das zweite Obergeschoss führen.

Frank Stella schmückt Fassade

Die Fassade wird die Adaption der abstrakten Installation des amerikanischen Objektkünstlers Frank Stella aus seiner Serie «Polish villages» schmücken. Die Serie entstand in den Siebzigern nach Fotografien polnischer Holzsynagogen, die vor dem Zweiten Weltkrieg gemacht wurden. Stella stellte bereits 2015 im Kunstmuseum Basel aus. Die Fondation Beyeler in der Basler Landgemeinde Riehen besitzt sein Aluminiumrelief «The Grand Armada».

Der Innenhof des künftigen Museums.
Der Innenhof des künftigen Museums.

Sechs Millionen Franken soll der Um- und Ausbau kosten; zusätzlich sind vier Millionen für die neue Dauerausstellung, die Sammlung und das neue pädagogische Konzept eingeplant. Der Kanton Basel bezuschusst den Neubau laut Barbara Häne mit 2,8 Millionen Franken; und die Christoph-Merian-Stiftung beteilige sich mit einer Million Franken. Die restlichen Mittel brächten eine Mäzenin und weitere Stiftungen sowie eine Fundraising-Aktion auf.

Die Pläne und der Baufortschritt können auf der Museumshomepage verfolgt werden. 


Museumsmitarbeiterin Barbara Häne führt durch das neue Domizil. | © Boris Burkhardt
12. November 2023 | 12:00
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