Monika Zimmerli in der Synode der Katholischen Kirche Kanton Zürich
Schweiz

Zürcher Kantonalkirche versucht Eiertanz um sechs Millionen Franken

Die Zürcher Landeskirchen sollen die orthodoxen und die muslimischen Gemeinschaften unterstützen. Allerdings nicht mit Kirchensteuer-Geldern. Das bringt sie dennoch in eine Zwickmühle.

Francesco Papagni

Synodengeschäfte sind oft Routine. Die Vorlage, über die die römisch-katholische Synode des Kantons Zürich am 11. April dieses Jahres zu befinden hatte, war alles andere als das. Unter dem Titel «Rahmenkredit zur Unterstützung nicht-anerkannter Religionsgemeinschaften in den Jahren 2026-2031» ging es um Beiträge, welche die katholische Körperschaft an orthodoxe und islamische Gemeinschaften entrichten sollte: Sechs Millionen Franken, verteilt auf fünf Jahre.

Rückweisung an den Synodalrat

Diese würden damit in die Lage versetzt, «gut funktionierende, demokratische Strukturen» aufzubauen sowie «seelsorgerliche oder sozialdiakonische Leistungen in angemessener Qualität» zu erbringen, wie es in der Botschaft des Synodalrats heisst.

Schweizer Franken.
Schweizer Franken.

Vor der katholischen Synode hatte schon das reformierte Kirchenparlament des Kantons Zürich über ein analoges Geschäft beraten und es zurückgewiesen. Die katholischen Synodalen kamen zum gleichen Entschluss: Rückweisung an den Synodalrat, der Exekutive der Körperschaft.

Die Sache ist nicht vom Tisch

Gelder der Landeskirchen an die Muslime – das warf auch medial Wellen. Dass auch die orthodoxen Kirchen Nutzniesserinnen wären, ging dabei fast unter. Bei diesen Summen handelt es sich nicht um Kirchensteuern, wie manchmal behauptet. Es geht um Geld, das die anerkannten Religionsgemeinschaften vom Kanton erhalten für Leistungen, die sie für das Gemeinwohl erbringen im kulturellen, seelsorgerlichen und im sozialen Bereich.

Der Dachverband der islamischen Organisationen VIOZ wiederum bekam schon in Vergangenheit Beiträge für spezifische Leistungen in der Seelsorge. Diese Finanzierung läuft aus. Sie hätte ersetzt werden sollen durch ein neues, erweitertes Modell.

Turm von St. Peter Zürich mit Hoffnung illuminiert
Turm von St. Peter Zürich mit Hoffnung illuminiert

Die Sache ist jedenfalls nicht vom Tisch, wie geschrieben wurde. Die überarbeiteten Vorlagen werden sowohl dem reformierten als auch dem katholischen Kirchenparlament bald wieder vorgelegt werden.

Drei schlechte Optionen

Die Landeskirchen stehen jetzt vor einem Trilemma: Sie haben drei Optionen und alle drei sind schlecht. Sie können die Gelder sprechen ohne klare Zweckbindung und ohne zu kontrollieren, was damit tatsächlich gemacht wird. Sie können die Gelder mit einer klaren Zweckbindung sprechen und kontrollieren dann auch. Oder sie können die Vorlage definitiv bachab schicken.

Der erste Fall ist kaum denkbar, müssen doch die Landeskirchen über die Verwendung der Mittel öffentlich Rechenschaft ablegen. Im zweiten Fall kommen die Kirchen in die ungemütliche Situation, Kontrolleurinnen bei den islamischen Gemeinschaften zu spielen.

Das widerspricht dem Grundsatz der Gleichberechtigung der Religionsgemeinschaften, das der Zürcher Justizdirektorin Jacqueline Fehr (SP) teuer ist. Und es widerspricht dem Selbstverständnis der Kirchen. Auch die dritte Option ist schlecht, weil ein Negativentscheid der Kirchen die interreligiösen Beziehungen zu den Muslimen beschädigten würde.

Die Justizdirektorin will eine andere Religionspolitik

Die Landeskirchen sind also in der Zwickmühle, und dies nicht nur aus eigener Schuld. Hinter der Vorlage steht nämlich auch die Vision einer neuen Religionspolitik, die von der Regierungsrätin Fehr propagiert wird und die sie in einem Beitrag für die Internetzeitschrift feinschwarz.net expliziert hat.

Regierungsrätin Jacqueline Fehr: «Die Anlaufstelle ist bis Ende Jahr realisierbar, wenn die Kirche will.»
Regierungsrätin Jacqueline Fehr: «Die Anlaufstelle ist bis Ende Jahr realisierbar, wenn die Kirche will.»

Nach Fehr ist das jetzige Staatskirchenrecht, das zwischen etablierten und nicht etablierten Religionsgemeinschaften unterscheidet, durch die gesellschaftlichen Veränderungen überholt. Im Kanton Zürich leben heute ungefähr 100’000 Musliminnen und Muslime (400’000 in der ganzen Schweiz) und noch viel mehr Konfessionslose.

Ein neues staatliches Religionsrecht soll gemäss Fehr alle Religionen gleich behandeln. Der Dienstweg hierfür geht über das Kantonsparlament, dem die Kompetenz zukommt, die Gesetze zu ändern. Die Justizdirektorin weiss aber genau, dass Änderungen in ihrem Sinne keine Mehrheiten finden würden. Zudem sind verschiedene kantonale Initiativen, die Staat und Religion vollständig trennen wollten, an der Urne gescheitert. Der Souverän will zumindest zum jetzigen Zeitpunkt keine Änderung des Status quo.

Die ganze Schweiz schaut auf den Kanton Zürich

Da dieser Weg also nicht offensteht, kommen die Landeskirchen ins Spiel. Aber wie oben beschrieben: Alle Varianten haben nicht-beabsichtigte, negative Folgen. Auch für die islamischen Gemeinschaften selbst, die sich in einer Klientelposition zu den Kirchen wiederfinden würden. Der VIOZ-Sekretär Muris Begovic lässt denn auch ein gewisses Unbehagen an der anvisierten Lösung durchscheinen.

Muris Begovic, Vioz-Sekretär und erster islamischer Armeeseelsorger der Schweiz
Muris Begovic, Vioz-Sekretär und erster islamischer Armeeseelsorger der Schweiz

Wie auch immer Zürich entscheidet, es wird in der ganzen Schweiz Beachtung finden. Denn die Frage, wie Musliminnen und Muslime integriert werden können, beschäftigt das ganze Land. Und dass zur Integration auch die Religion gehört, ist eine Binsenwahrheit.

Es stellen sich Grundsatzfragen

Abgesehen von der Abgeltung spezifischer Leistungen würde es um den Aufbau demokratischer, transparenter Strukturen gehen. Die Frage stellt sich, ob solche Vorstellungen nicht zu sehr vom Landeskirchenmodell ausgehen.

Die islamischen Gemeinschaften sind stark national organisiert: Türken gehen in türkische Moscheen, Albaner in albanische. Einige Staaten wie eben die Türkei nehmen massiv Einfluss auf «ihre» Moscheen im Ausland.

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Erfahrungen in Deutschland mit der vom Staat eingesetzten Islamkonferenz zeigen, dass der Aufbau eines von ausländischem Einfluss freien Ansprechpartners gescheitert ist. Trotz der Unterschiede zwischen Deutschland und der Schweiz sind die deutschen Erfahrungen zu beachten.


Monika Zimmerli in der Synode der Katholischen Kirche Kanton Zürich | © zhkath/Sibylle Ratz
25. Mai 2024 | 07:00
Lesezeit: ca. 3 Min.
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