Em. Papst Benedikt XVI. mit Jan Probst, Direktor Hilfswerk „Kirche in Not“
Vatikan

Zu Besuch bei Benedikt XVI. im Kloster «Mater Ecclesiae»

Seine Stimme ist nur noch ein Flüstern, auch die Beine sind schwach. Augen und Geist des emeritierten Papstes aber sind hellwach; er ist mit sich im Reinen. Und sein Vertrauter Georg Gänswein kümmert sich um ihn.

Ingo-Michael Feth

Wer den ehemaligen Papst aus Bayern besuchen will, der muss hoch hinauf. Hinter dem Petersdom steigen die Vatikanischen Gärten terrassenförmig an. In Serpentinen windet sich die schmale Strasse auf den Hügel, der dem Vatikan den Namen gab. Kurz vor dem höchsten Punkt biegt ein Hohlweg ab, der an einem schweren Eisentor endet.

Altersruhesitz im Kloster

Hier beginnt das kleine Reich, das zum Altersruhesitz des früheren Oberhauptes der katholischen Kirche geworden ist: das Kloster «Mater Ecclesiae», ein kleiner Palazzo im römischen Stil mit modernem Ziegelanbau und Kapelle. Davor ein Ziergarten mit Lauben, Brunnen, gepflegten Buchsbaumhecken und Blumenrabatten.

Am Eingang wartet Erzbischof Georg Gänswein, in Doppelfunktion «Präfekt des Päpstlichen Hauses» von Papst Franziskus sowie treuer Privatsekretär von Benedikt XVI. Auch er ist hier zuhause. Der Zugang zum «Papa Emeritus» führt allein über «Don Georg», wie die beiden im Vatikan genannt werden. Gänswein ist, wann immer es seine Termine als Präfekt zulassen, an der Seite seines langjährigen Mentors, der ihm zu einem zweiten Vater geworden ist.

Treueid des Georg Gänswein

Am 19. April, dem Tag der Wahl Ratzingers zum Papst, hat er ihm den Treue-Eid geschworen. «Der gilt selbstverständlich ewig, bis zum letzten Moment», stellt Gänswein klar, wenn über seine persönliche Karriere spekuliert wird.

Im Eingangsbereich des Hauses fällt der Blick auf ein reich verziertes Lebkuchenherz vom Münchner Oktoberfest. Besucher hatten es mitgebracht. «Eigentlich sollte das irgendwo in die Küche», erklärt der aus dem Schwarzwald stammende Erzbischof. «Aber unsere Schwestern meinten, es solle für alle sichtbar sein. Denn wo ein Herz die Gäste empfange, müsse man sich geborgen fühlen.»

Nonnen führen den Haushalt

Mit den Schwestern meint er die italienischen Nonnen, die seit dem Einzug Benedikts in den Apostolischen Palast 2005 den päpstlichen Haushalt führen und ihm auch in den Ruhesitz gefolgt sind. Aus der Küche zieht der Duft süsser Mehlspeisen durchs Haus. «Am Anfang mussten die Schwestern lernen, auch bayerisch zu kochen», verrät Don Georg.

Fotoerinnerungen an bayrische Heimat

Und so steckt auch das Haus voller Erinnerungen an die bayerische Heimat. Familienfotos, eine Kopie der Patrona Bavariae, ein Bild vom Geburtshaus in Marktl am Inn, ein Palmbuschen aus dem Chiemgau im Herrgottswinkel und andere Accessoires. Die Welt eines Mannes, der nach Lage der Dinge sein Heimatland nie wiedersehen wird und nur in Gedanken an die früheren Stätten seines Lebens zurückkehren kann.

«Ich bin ein alter Mann am Ende meines Lebens.»

«Ich bin ein alter Mann am Ende meines Lebens», antwortet Benedikt XVI. auf die Frage nach seinem Befinden. Seine Worte sind nur ein Flüstern, seine Stimme schwach und brüchig. Er sitzt, Kopf und Schultern leicht vorgebeugt, in einem grauen Lehnstuhl. Doch seine Augen sind lebhaft und hellwach. Auch seinen Sinn für Selbstironie hat er nicht verloren: «Früher hatt’ ich ein grosses Mundwerk; jetzt funktioniert es nimmer», haucht er fast entschuldigend und lächelt.

Die Tage des emeritierten Papstes folgen noch immer einem geregelten Ablauf. Der Morgen beginnt mit der Heiligen Messe in der Klosterkapelle, gemeinsam mit der Hausgemeinschaft. Predigen, wie er es noch bis vor geraumer Zeit tat, kann er inzwischen nicht mehr.

Im Büro

Viel Zeit verbringt Benedikt in seinem Büro, dessen Wände ringsum mit überfüllten Bücherregalen verkleidet sind. Darunter natürlich die gesammelten Werke des Theologen Josef Ratzinger. «Alle Stationen meines Lebens sind in diesen Büchern enthalten», erläutert Benedikt. Ob er hier noch täglich arbeite? «Ja schon, das gehört sich.» Auch wenn er keine langen Texte mehr schreiben könne.

Am Spazieren

Allen Gebrechen zum Trotz ist er mit seinen bald 93 Jahren noch so diszipliniert wie in seinem gesamten Priesterleben. Der kleine Spaziergang in den Vatikanischen Gärten mit dem Gebet des Rosenkranzes gehört zum Alltag. Am späten Nachmittag lässt sich der Emeritus in Gänsweins Begleitung mit einem Golf-Cart zur Lourdes-Grotte bringen. Von hier aus geniesst man einen Panoramablick über Petersdom, Ewige Stadt und Sabiner Berge.

Beim Fernsehen

Benedikt versinkt ins Gebet: für seinen Nachfolger Franziskus, für die Kirche, für die Welt mit all ihren Krisenherden. Noch immer ist der Emeritus bestens informiert. Abends sieht er zunächst die «Rundschau» im Bayerischen Fernsehen; es folgt gewöhnlich die «heute»-Sendung im ZDF. Später das «Telegiornale», die Hauptnachrichtensendung des italienischen RAI 1.

Gäste nur einzeln empfangen

Grössere Gruppen werden nicht mehr zum greisen Papst vorgelassen. Zu viele Personen irritieren ihn, da er schlecht hört. Gäste empfängt er am liebsten einzeln; besonders gern alte Freunde aus Deutschland. Viermal im Jahr kommt Bruder Georg aus Regensburg zu Besuch. Ansonsten telefonieren die beiden täglich.

Ob er seinen Rücktritt je bereut habe? Die Antwort gibt Erzbischof Gänswein, der jene Tage im Februar 2013 an seiner Seite durchlebt hat: «Nein. Der Rücktritt war eine lange, reichlich durchbetete und durchlittene Entscheidung, die er nie bereut hat. Er ist mit sich völlig im Reinen.» (cic)

Em. Papst Benedikt XVI. mit Jan Probst, Direktor Hilfswerk «Kirche in Not» | © zVg Stefan Treier
5. Januar 2020 | 12:46
Lesezeit: ca. 3 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!