Studierende lesen am Rabbinerseminar Abraham-Geiger-Kolleg  in den Berliner Räumen der Ausbildungsstätte in einem Buch. Die beiden Studenten tragen Kippas.
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Zentralrat der Juden: Bisher 75 Interviews zu Missbrauchs-Vorwürfen am Geiger-Kolleg

Zur Aufarbeitung der Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Abraham-Geiger-Kolleg in Potsdam hat die beauftragte Rechtsanwaltskanzlei bislang 75 Interviews geführt.

Die Gespräche «wegen der Vorwürfe sexualisierter Belästigung und Gewalt, von Machtmissbrauch und Diskriminierung» seien mit Verantwortungsträgern sowie mit Betroffenen und Hinweisgebern geführt worden, hiess es. Weitere Interviews seien geplant. Mit einer «ersten Zusammenfassung» der Ergebnisse der Untersuchung ist laut Zentralrat zum Jahresende zu rechnen.

Kölner Kanzlei

Die Befragten gehören den Angaben zufolge dem Abraham-Geiger-Kolleg, der Leo-Baeck-Foundation, dem Zacharias-Frankel-College, dem Ernst-Ludwig-Ehrlich Studienwerk, der Union progressiver Juden und der Allgemeinen Rabbinerkonferenz an. Die Kölner Kanzlei Gercke Wollschläger setze sich zudem «umfassend mit den Organisations- und Entscheidungsstrukturen in den betroffenen Einrichtungen auseinander, um etwaige strukturelle Defizite ermitteln und aufzeigen zu können».

Rabbiner Walter Homolka (l.) im Mai 2015 bei einer Lehrveranstaltung im Abraham-Geiger-Kolleg.
Rabbiner Walter Homolka (l.) im Mai 2015 bei einer Lehrveranstaltung im Abraham-Geiger-Kolleg.

«Lückenlose, vorbehaltlose und unabhängige Aufklärung»

Der Untersuchungsauftrag sei mittlerweile auf die School of Jewish Theology an der Universität Potsdam ausgeweitet worden.

Nach wie vor sei eine «lückenlose, vorbehaltlose und unabhängige Aufklärung» der Vorwürfe oberstes Gebot, ergänzte der Präsident des Zentralrats, Josef Schuster: «Wir müssen möglichst verhindern, dass im Rahmen der Untersuchung einzelne, eventuell relevante Bereiche ausgespart werden und dadurch nach Veröffentlichung des Gutachtens Raum für Vorwürfe entstehen könnten, die Aufklärung sei fragmentarisch oder halbherzig betrieben worden.»

«Ich bin in meinen Aufgaben immer bestrebt, das Richtige zu tun.»

Rabbiner Walter Homolka

Das nach dem Rabbiner Abraham Geiger (1810-1874) benannte Kolleg bildet seit 2011 als An-Institut der Universität Potsdam liberale Rabbinerinnen und Rabbiner, Kantorinnen und Kantoren aus. Die Vorwürfe unangemessenen Verhaltens gegenüber Studierenden richten sich gegen einen früheren Dozenten des Kollegs. Kolleggründer Rabbiner Walter Homolka wird vorgeworfen, er sei mit den Vorwürfen nicht angemessen umgegangen. Er lässt derzeit dieses Amt sowie weitere Aufgaben bis zur Klärung ruhen.

Alles Engagement finde auch «Gegner, denen nicht gefällt, was man bewegt», hatte Homolka dazu erklärt: «Ich bin in meinen Aufgaben immer bestrebt, das Richtige zu tun, und davon überzeugt, mich auch hier richtig verhalten zu haben.» Zugleich betonte er, auf das Verhalten ihm nahe stehender Menschen habe er keinen Einfluss und wolle ihn auch nicht haben. (kna)


Studierende lesen am Rabbinerseminar Abraham-Geiger-Kolleg in den Berliner Räumen der Ausbildungsstätte in einem Buch. Die beiden Studenten tragen Kippas. | © KNA
28. September 2022 | 11:50
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