Der indische Pfarrer im Film "Amur senza fin"
Schweiz

Wenn Priester Kamasutra empfehlen

Zürich, 22.10.18 (kath.ch) Ein indischer Priester bringt frischen Schwung in die Bündner Gemeinde Sagogn – und in die Ehebetten sexuell frustrierter Paare. Davon handelt der rätoromanische Film «Amur senza fin», der auch auf Konflikte im Bistum Chur anspielt. Eine Filmkritik.

Raphael Rauch

Ein indischer Priester predigt nicht nur über die Nächstenliebe, sondern rät auch zur Liebeskunst Kamasutra: Im Film «Amur senza fin» kommt das bei den Frauen im Dorf gut an, bei den Männern weniger. Und für die Medien ist der unkonventionelle Priester ein gefundenes Fressen: «Guter Sex ist wie Himmelfahrt», steht auf der fiktiven Titelseite der Lokal-Zeitung über den «Kamasutra-Pfarrer in Sagogn».

«Die Bedürfnisse der Menschen ernst nehmen»

Nun kommt es im Film zum Showdown zwischen dem Bistum Chur und der Basis: «Das Bistum duldet nicht, dass man die katholische Kirche in den Dreck zieht», schimpft die Figur des Generalvikars. Doch die Basis in Sagogn weigert sich, den mittlerweile beliebten Pfarrer zu entlassen. Am Ende verliert der Priester seine Missio, also die Lizenz für Verkündigungs- und Lehraufgaben – und muss gehen.

Fiktive Wahrheit

Ein Spielfilm ist Fiktion und damit nicht Wirklichkeit. Und doch erzählt ein Film oft auch etwas Wahrheit. Immer wieder kommt es zu Konflikten zwischen Kirchenbasis und der Diözesanleitung, gerade im Bistum Chur. «Wir haben keine bewussten Anspielungen gemacht, sondern wir wollten einfach eine Geschichte erzählen, die die Bedürfnisse der Menschen ernst nimmt», sagt Drehbuchautorin Sabine Pochhammer.

Orgasmus von oben

Der Film geht auf die Initiative des Bündners Mariano Tschuor zurück, dem langjährigen SRG-Kadermann und Mitglied der SRG-Generaldirektion. «‹Amur senza fin› ist der erste Spielfilm auf Rätoromanisch, der von A bis Z nach professionellen Kriterien realisiert wurde», wie er gegenüber kath.ch sagt. Er habe das Filmprojekt 2012 lanciert und bis zu seiner Fertigstellung im Frühjahr 2018 begleitet. Dabei hat er auch seine Kirchen-Expertise eingebracht: Der Bündner ist Katholik und berät die Schweizer Bischofskonferenz in Medienfragen. Laut Tschuor trug  der Film den Arbeitstitel: «Orgasmus von oben». Das sei dann aber doch zu gewagt gewesen – und hätte auf Rätoromanisch nicht so gut geklungen.

Tschuor erkennt durchaus Bezüge zur Wirklichkeit. «Ich bin in der Surselva aufgewachsen. Da haben wir heute fast nur Priester aus Indien oder Polen.» Die polnischen Priester nimmt er traditioneller wahr als die indischen. «Die Inder sind offener und agieren oft mit pastoraler Klugheit», sagt er. Will heissen: Sie forcieren keinen Klerikalismus, sondern lassen sich eher auf Schweizer Verhältnisse ein als es die Polen tun, so der Bündner.

 »Priester werden wie Halbgötter verehrt.»

 

In «Amur senza fin» prallen unterschiedliche Kulturen aufeinander: Indien und Graubünden. «Viele indische Priester kommen in die Schweiz und müssen erst die gewachsenen Gegebenheiten vor Ort kennenlernen, wie etwa die direkte Demokratie, das Milizsystem und die Mitwirkung von Laien», so der Bündner weiter. Das kann Placido Rebelo bestätigen. Der indische Priester ist Pfarradministrator in der Zürcher Gemeinde «Felix und Regula». «In Indien werden Priester oft wie ein Halbgott verehrt», sagt Rebelo.

Priester empfehlen Kamasutra

Der aus Goa stammende Pfarrer hat für kath.ch den Film gesehen und meint dazu: «Der Film hat viel Masala. Und die Handlung ist gut gewürzt.» Der echte Pfarrer hegt Sympathien für den fiktiven Priester: «Die Filmfigur schafft es, die Menschen mit sich selbst und mit anderen zu versöhnen», erklärt der Inder. «Sein indisches Temperament hilft ihm dabei: Er muss manchmal auch ungewöhnliche Wege gehen.»

Doch wie wahrscheinlich ist es, dass ein Priester ausgerechnet Kamasutra empfiehlt? «Ich bin unsicher, aber das können wir in Indien nicht ausschliessen», sagt Rebelo. Schliesslich vermischten sich in Indien viele Traditionen: «Hinduismus, Buddhismus, Sikhismus, Jainismus, all diese Religionen stammen aus Indien», erklärt der indische Priester.

Deutsch ist oft Mangelware

Die Zürcher Synodalratspräsidentin Franziska Driessen-Reding hat den Film geschaut und erkennt darin «einen Funken Wahrheit». Driessen-Reding weiss als langjährige Ressortleiterin der Migrantenseelsorge aber auch, dass es immer wieder interkulturelle Herausforderungen gebe. Diese würden bei der Sprache beginnen, dabei merkt sie an, dass der Inder im Film deutlich besser Deutsch spreche als es in Wahrheit oft der Fall sei.

Driessen-Reding bezeichnet «Amur senza fin» als einen «perfekten Feierabendfilm». Sie bedauert aber, dass der Konflikt im Film eskaliert und der Priester gehen muss. «Lieber ein charmanter, freundlicher, menschennaher Pfarrer, als ein verbitterter, abgeschotteter und menschenferner», so die Synodalratspräsidentin. Für die Praxis wünsche sie sich etwas anderes. «Wenn ein Priester nicht ganz der Norm entspricht, er aber seine Pfarrei gut betreut, soll er bleiben.»

Hinweis: Der Film «Amur senza fin» ist bis einschliesslich Montag, 22.10.2018 online zu sehen

Der indische Pfarrer im Film «Amur senza fin» | © SRF Pascal Mora
22. Oktober 2018 | 14:08
Lesezeit: ca. 3 Min.
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