Monstranz in der Basilika Notre Dame de Lausanne
Schweiz

Wenn die Gemeinde die Hostien für die katholische Messe bezahlt

Lausanne, 21.8.18 (kath.ch) In Kantonen ohne Kirchensteuer befindet sich die Kirche oft in einer finanziell prekären Lage. Nicht so im Waadtland. Das hat mit einer Waadtländer Besonderheit zu tun, die von den Katholiken sehr geschätzt wird, wie kath.ch bei einem Besuch vor Ort erfahren hat.

Barbara Ludwig

Als wir Bischofsvikar Christophe Godel nach den Besonderheiten der katholischen Kirche in der Waadt fragen, kommt er ziemlich schnell auf die Rolle des Staates zu sprechen. «Der Kanton Waadt hat entschieden, die Kirchen direkt zu subventionieren.» Denn der Kanton gehe in seiner Verfassung davon aus, dass der Mensch eine spirituelle Dimension habe, sagt der Vertreter des Ortsbischofs, also des Bischofs von Lausanne, Genf und Freiburg.

Staat anerkennt spirituelle Dimension

In der Tat heisst es in der Verfassung aus dem Jahr 2003 wörtlich: «Der Staat berücksichtigt die spirituelle Dimension des Menschen.» Und weiter: Er berücksichtige den Beitrag der Kirchen zum sozialen Gefüge und zur Weitergabe grundlegender Werte.

Darauf aufbauend verpflichtet sich der Kanton Waadt, die öffentlich-rechtlich anerkannten Kirchen finanziell zu unterstützen. Zu den Religionsgemeinschaften mit diesem Status gehören derzeit die reformierte und die römisch-katholische Kirche. Innerhalb des Bistums, das die Kantone Waadt, Genf, Freiburg und Neuenburg umfasst, sei diese staatliche Regelung einzigartig, sagt Christophe Godel.

Ist die Anerkennung der spirituellen Dimension durch den Staat auch landesweit ein Unikum? «Die Formulierung in der Waadtländer Kantonsverfassung ist in dieser Deutlichkeit meines Wissens singulär», schreibt der Freiburger Kirchenrechtler René Pahud de Mortanges auf Anfrage von kath.ch. Aber er relativiert sofort.

«Formulierung in der Waadtländer Kantonsverfassung ist in dieser Deutlichkeit singulär.»

Faktisch sei wohl jede Form einer kantonalen öffentlich-rechtlichen oder öffentlichen Anerkennung einer Religionsgemeinschaft die Wertschätzung der spirituellen Dimension der Bürger. Beziehungsweise «der Tatsache, dass Religion und das Wirken von Religionsgemeinschaften von Bedeutung für Staat und Gesellschaft sind». Und die Anerkennung gebe es ja auch in anderen Kantonen, in der einen oder anderen Form.

Keine Kirchensteuer

Die Waadt sei insofern einzigartig, als es dort neben den Subventionen keine Kirchensteuer gebe, erklärt Pahud de Mortanges weiter. Manche Kantone hätten sowohl eine Kirchensteuer für Mitglieder als auch staatliche Subventionen für Leistungen der Kirchen im Interesse der Allgemeinheit.

Gemeinde finanziert Hostien

Bei einer Begegnung mit François Dupraz, dem Pfarrer der Basilika Notre Dame de Lausanne, zeigen sich Folgen der Waadtländer Regelung konkret. Dieses System sei «sehr gut», sagt der Priester.

Dupraz vergleicht die Situation mit derjenigen im Nachbarland. «Wenn wir den See überqueren, stellen wir fest, dass wir reicher sind als die Kirche in Frankreich. Die haben gar nichts.»

Hier finanziere der Kanton die Löhne der Priester und der Frauen, die die Katechese organisieren. Und die Gemeinde übernehme die Kosten für den Unterhalt der Kirchengebäude. Sie bezahle den Strom, die Heizung und die Hostien für die Eucharistiefeiern. Ja, sogar die Hostien. Im entsprechenden Gesetz dazu steht: Die (politischen) Gemeinden kommen für das Material auf, das für den Kult benötigt wird.

Ein dankbarer Pfarrer

Und das ist noch nicht alles. Vor kurzem habe man die Aussenrenovierung der Basilika, der Hauptkirche von Lausanne, abgeschlossen. Kostenpunkt: Sechs Millionen Franken. Das habe die Gemeinde bezahlt. «Das ist nicht nichts», findet Dupraz.

Gleichwohl übernimmt die öffentliche Hand nicht sämtliche Kosten, die anfallen. So werde man den geplanten Innenausbau weitgehend selber finanzieren und das dazu benötigte Geld auftreiben müssen, sagt Dupraz. Unter der steilen und hohen Treppe vor der Basilika, wo sich bereits eine religiöse Buchhandlung befindet, sollen Räumlichkeiten für die Seelsorge entstehen.

«In Frankreich hat die Kirche gar nichts.»

Laut Dupraz, der als Pfarrmoderator (Pfarreiraumleiter) der Seelsorgeeinheit «Notre Dame» amtet, sind die meisten katholischen Pfarreien in Lausanne trotz der staatlichen Unterstützung verschuldet. Zwei Pfarreien seien reich, die übrigen hätten Schulden, zum Teil sehr hohe.

Jährlich 26 Millionen vom Kanton

Die katholische Kirche im Kanton Waadt sei nicht reich, heisst es auf Anfrage bei der Kommunikationsabteilung der römisch-katholischen Körperschaft. Aber: «Sie ist finanziell gut gestellt», teilt Malika Oueslati mit. Sie erwirtschafte keinen nennenswerten Profit, wie der Jahresgewinn von 2017 (rund 12’000 Franken) zeige. Das Geld reiche einfach, um die verschiedenen Aufgaben zu erfüllen, die man sich zum Ziel gesetzt habe.

Laut Malika Oueslati subventioniert der Kanton Waadt auf der Grundlage der öffentlich-rechtlichen Anerkennung die katholische Kirche mit jährlich rund 26 Millionen Franken.


Monstranz in der Basilika Notre Dame de Lausanne | © Barbara Ludwig
21. August 2018 | 14:31
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