Auf zum Weltjugendtag in Krakau: Joana, Gabriel, Roman (v.l.n.r.)
Schweiz

Fromme Freaks on tour – zum Weltjugendtag in Krakau

Zürich, 15.7.16 (kath.ch) In zehn Tagen beginnt im polnischen Krakau der dreizehnte internationale Weltjugendtag. Die ersten Jugendlichen aus der Schweiz sind bereits aufgebrochen. Was motiviert sie? Mini-Portraits von zwei Jungs, einem Mädchen und einer Pflanze.

Remo Wiegand

Sie gelten als jung, fromm und hierarchiegläubig. Als poppige Jungmannschaft der konservativen bis erzkatholischen Schweizer Bischöfe: Die Schweizer Weltjugendtags-Jugend. Die vermeintliche Speerspitze rechtgläubiger Katholiken brach am 13. Juli nach Polen auf. Eine ordentliche Vorhut machte sich auf den Weg, fünfzig von rund 500 Schweizer Weltjugendtags-Jugendlichen bestiegen in der Schweiz einen Reisecar. Sie trudelten auf dem Beton-Vorplatz des Zürcher Busbahnhofs ein, dieser mit Rollkoffer, jene mit Rucksack, Typ Open-Air-Freak bis zum Geschäftsreisenden, funktional bis sexy gekleidet, einige mit ansteckendem Dauergrinsen, andere scheu. Kurz: Ein lebhafter, bunter Haufen.

Der Existenzialist: Gabriel (22)

Wer verbirgt sich dahinter? Zum Beispiel Gabriel Müggler, so etwas wie der Teammanager der ju-venilen Reisegruppe, offiziell auch ihr Sprecher. «Bei unserer Reise geht es um drei Punkte», infor-miert Gabriel stilsicher. «Wir besuchen zum einen ein grosses Kultur-Festival. Zweitens machen wir eine Art Weiterbildung, bei der wir Inspiration für unser Glaubensleben erhalten. Und der dritte Punkt», Gabriels Augen leuchten, «ist die Reise an sich.» Darauf freut sich der Jus-Student aus Basel ganz besonders; er hat die Pilgerreise mitausgeheckt. Ein ausgedehntes Vorprogramm führt die Jugendlichen über Deutschlands Norden, die Ostsee, die dänische Insel Bornholm bis Danzig, mit Schiff, Bus, schliesslich zu Fuss bewegen sich die jungen Frauen und Männer auf ihr Ziel zu, den Weltjugendtag in Krakau, der vom 26. bis zum 31. Juli dauert.

Gabriel geht ganz in seiner Rolle auf. Planen, Organisieren, Kommunizieren liegt ihm im Blut. Das haben auch seine Kollegen gemerkt, die ihn in die Weltjugendtags-Szene mitgeschleppt haben, über nationale Events fand er 2011 auch an den Weltjugendtag nach Madrid. Auffällig: Der Basler ist ansonsten kirchlich nicht aktiv, religiös ist er ein Suchender, ein Existentialist. «Ich möchte meinen Glauben authentisch leben, dafür suche ich Inspiration am Weltjugendtag», erklärt er. Doch ist ein Massenevent mit etwa einer Million Teilnehmenden dafür der richtige Ort? Macht er sich nicht auch zur Marionette einer katholischen Machtdemonstration? «Das wird oft missverstanden», wehrt sich Gabriel. «Es geht beim Weltjugendtag nicht um Indoktrination. Es geht darum, sich auszutauschen und eine Glaubensfreude zu teilen, die bereits da ist.» Und die ganze Welt in einer Stadt zu erleben, die «Kirche als globalisierte Gemeinschaft», sei schlicht beeindruckend.

Die Novizin: Joana Hug (16)

Zum ersten Mal an einen internationalen Weltjugendtag reist Joana aus Schaffhausen. «Meine älteren Schwestern haben mir davon vorgeschwärmt, ich war immer etwas eifersüchtig», lächelt die angehende Kleinkindererzieherin. Das Neuland birgt für Joana noch etwas mehr Abenteuer als für andere: Zum ersten Mal überhaupt ist sie einen Monat lang weg von ihren Eltern. Neugierige Vor-freude und kribblige Angespanntheit halten sich die Waage: Joana, die sich in Schaffhausen als Mi-nistrantenleiterin und als Bandleaderin bei Adoray-Jugendgottesdiensten kirchlich stark engagiert, freut sich darauf, ihren Glauben zusammen mit Tausenden Gleichgesinnten zu leben und zu feiern. Ihre grösste Sorge: «Ich mache mir manchmal Gedanken wegen möglichen Anschlägen», sagt Joana mit Blick zum Boden. «Aber ich glaube, Gott wird ein Auge auf uns haben.»

Der Patriot: Roman Fiabane (23)

Roman Fiabane weiss, wie Polen geht: Die Mutter des 23-jährigen Geographiestudenten stammt aus der Nähe von Krakau, er hat das Land lange jährlich besucht, mittlerweile etwas weniger. «Polen ist sehr ländlich, es ist eher wild, und es hat den einzigen Urwald Europas», wirbt Roman für sein Mutterland. Und: «Polen ist ein gläubiges Land. Hier in der Schweiz ist es nicht normal, wenn man in die Kirche geht, in Polen ist es genau umgekehrt.» Roman sähe es durchaus gerne, wenn auch hier-zulande etwas mehr polnische Glaubensbegeisterung gelebt würde. «Der Glaube hilft einfach», wirbt er ein zweites Mal. «Er bringt Sinn und schafft Gerechtigkeit. In schwierigen Situationen im Studium kann ich mich auf meinen Glauben verlassen, ohne ihn wäre ich schon fast durchgedreht.»

Roman sucht und findet in der Weltjugendtags-Clique katholische Nestwärme. Für Joana ist sie zugleich ein Sprungbrett in die Welt, Gabriel ist Forscher in eigener Sache und Butler für andere. Roman verströmt eine dezente missionarische Energie, Gabriel weniger, Joana hört den Jungs ein-fach mal zu. Man ahnt, dass sich spannende Diskussionen zwischen den dreien, die sich erst gerade kennenlernen, entwickeln könnten, für die jetzt, kurz vor der Abfahrt des Cars, aber keine Zeit bleibt. Man ahnt Neugierde, Freiheit, die wenig mit buchstabentreuem Gehorsamsglauben zu tun hat. Man ahnt: Diese Reise kann für Gabriel, Joana und Roman eine grosse Sache werden.

Die Pflanze: Ranunkel (1 Monat)

Und dann wäre da schliesslich noch Ranunkel. Ein etwa drei Zentimeter grosses, zartes Pflänzchen in einem gelbweissen Topf. Ranunkel macht die Reise nach Polen auch mit. Frederic, ihr Besitzer, traut seinen WG-Kollegen nicht über den Weg, sie während seiner Abwesenheit mit genug Wasser und Zuneigung zu beglücken, schon einmal liessen sie ein Pflänzchen von ihm absterben. Ranunkel ist der heimliche Star der Reisegruppe, sie steht für all das, was die Weltjugendtags-Bewegten auch wollen: Leben, wachsen, blühen. Behütet von einem liebevollen, leicht verrückten Gärtner.

Auf zum Weltjugendtag in Krakau: Joana, Gabriel, Roman (v.l.n.r.)| © 2016 Remo Wiegand
16. Juli 2016 | 08:00
Lesezeit: ca. 3 Min.
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