Ein Mann in der Kathedrale Wladimir in Kiew.
International

Weitere Verhandlungen im Ukraine-Krieg – Kritik an Kirche

Obwohl die Kämpfe in der Ukraine mit unverminderter Härte weitergehen, wollen Russen und Ukrainer ihre Friedensverhandlungen am Dienstag offenbar fortsetzen. Die Rolle der russisch-orthodoxen Kirche in dem Konflikt rückt immer stärker in den Blick.

Joachim Heinz

Papst Franziskus beklagte am Montag eine Geschichtsvergessenheit bei vielen Verantwortlichen. «Insbesondere der Ukraine-Krieg zeigt, dass diejenigen, die die Geschicke der Völker lenken, keine Lehren aus den Tragödien des 20. Jahrhunderts gezogen haben», sagte Franziskus bei einem Treffen mit Vertretern eines Wirtschaftsverbandes im Vatikan.

Czerny soll erneut in Ukraine reisen

Ebenfalls am Montag teilte der Vatikan mit, dass Kurienkardinal Michael Czerny auf Geheiss des Papstes erneut in die Ukraine reisen soll. Demnach reist der tschechischstämmige Geistliche am Mittwoch zunächst in die Slowakei, um von dort ins slowakisch-ukrainische Grenzgebiet zu fahren. Dort wolle er, wie bereits vor einigen Tagen, die Nähe des Papstes demonstrieren.

In den umkämpften Gebieten der Ukraine sind derzeit nach Worten des Sprechers der Orthodoxen Kirche der Ukraine, Erzbischof Evstratiy, keine Beerdigungen möglich. «Priester erzählen, dass Leichen von Zivilisten auf der Strasse liegen und sich niemand um sie kümmert», sagte er in einem «Welt»-Interview. «Die Menschen befinden sich in der Hölle.» Die russischen Angreifer nähmen keine Rücksicht auf religiöse Orte, auch wenn diese als Schutzräume dienten.

Verstoss gegen Völkerrecht

Zu einem unverzüglichen Ende der Kämpfe rief Pax Christi auf. Der Krieg sei durch nichts zu rechtfertigen «und tritt das Völkerrecht mit Füssen». Zugleich warnte die katholische Friedensbewegung vor einer Spirale der Aufrüstung. Stattdessen gelte es, die Ressourcen der zivilen Konfliktbearbeitung weiter auszubauen.

«Trauriges Spektakel»

Immer mehr in den Blick rückt die Rolle der russisch-orthodoxen Kirche in dem Konflikt. Diese bietet nach den Worten des Religionssoziologen Detlef Pollack «ein besonders trauriges Spektakel». Sie stelle sich «nicht an die Seite der Schwachen und Verfolgten, sondern hofiert den Gewaltherrscher und bietet ihm ideologisches Rüstzeug», schreibt Pollack in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung».

Den beiden Wiener Theologen Christian Stoll und Jan-Heiner Tück zufolge hat Russlands Präsident Wladimir Putin unter anderem mithilfe von enormen finanziellen Zuwendungen ein «symbiotisches Verhältnis von Staat und Kirche» etabliert. Die «Allianz» zwischen Staatschef und Kirchenoberhaupt fusse zudem in einer kirchenhistorischen Erzählung, wonach das russische Christentum 988 durch die Taufe des Grossfürsten Wladimir aus der Kiewer Rus hervorgegangen ist und Weissrussland/Belarus, die Ukraine und Russland letztlich als Brudervölker zu einem kanonischen Territorium gehören.

Ureigene Rechte auf historische Landstriche

Dieser Ansatz decke sich weithin mit den neoimperialen Interessen Putins, schreiben die beiden Forscher in der «Neuen Zürcher Zeitung». «Orthodoxes Christentum und politische Ideologie verbinden sich hier zu einer sakralen Geschichte, in der es heilige Helden, mythisch vereinte Völkerschaften und ureigene Rechte auf historische Landstriche gibt.»

Die mit Rom verbundene griechisch-katholische Kirche der Ukraine sieht sich unterdessen durch den russischen Einmarsch in ihrer Existenz bedroht. Offensichtlich sei man «genauso wie unsere Brüder von der Orthodoxen Kirche der Ukraine» auf der Liste von Putin gelandet, sagte der griechisch-katholische Kiewer Grosserzbischof Swjatoslaw Schewtschuk. In seiner täglichen Videobotschaft dankte der Geistliche jenen Politikern, die «sich um eine friedliche Lösung des Krieges in der Ukraine bemühen».

Weiter warnen Helfer, dass der Krieg die Lage von Hungernden weltweit verschlechtert. Als Beispiel verwies Caritas International auf Syrien. Die Preise für Nahrungsmittel seien dort bereits extrem gestiegen. Das liege vor allem daran, dass der in Syrien verarbeitete Weizen grösstenteils aus der Ukraine stamme. (kna)


Ein Mann in der Kathedrale Wladimir in Kiew. | © kna
14. März 2022 | 17:45
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