Weihbischof Martin Gächter: Wir brauchen keine Exorzisten, sondern den Befreiungsdienst
Laut dem Bischof von Chur, Joseph Bonnemain (74), braucht es keinen Exorzisten mehr. «Das begrüsse ich», sagt Martin Gächter. Der emeritierte Weihbischof des Bistums Basels ist dort für den Befreiungsdienst zuständig. Er findet, jedes Bistum brauche einen Befreiungsdienst.
Jacqueline Straub
Der Churer Bischof Joseph Bonnemain hat angekündigt, dass er keinen Nachfolger für den 2020 verstorbenen Exorzisten Christoph Casetti ernennen werde. Wie finden Sie das?
Weihbischof Martin Gächter*: Ich begrüsse diese Entscheidung. Ich möchte aber betonen, dass Bischof Bonnemain nicht gegen den Exorzismus ist. In seiner Stellungnahme sagte er: Die Menschen, die glauben, vom Teufel besessen zu sein, benötigen unsere seelsorgerliche Unterstützung, unser Gebet und unseren Segen. Genau das macht der Befreiungsdienst.
Sie waren in den 30 Jahren nur bei einem Exorzismus beteiligt. Braucht die Schweiz mehr Exorzisten?
Gächter: Ich bin nicht Exorzist. Ich mache einen Befreiungsdienst. Ich berate Menschen, die sich bei mir melden, weil sie meinen, dass sie vom Teufel besessen sind. Ich bete für ihre Befreiung und stärke ihr Vertrauen, dass Gott stärker ist als alles Böse. Ich beobachte oft, dass es den Diabolus gibt, den Verdreher, der Gutes schlecht und Schlechtes verlockend macht. Ich bin mir sicher, dass Bischof Joseph Bonnemain diese Macht ebenfalls nicht leugnet.
Was unterscheidet den Befreiungsdienst vom Exorzismus?
Gächter: Beim Exorzismus werden mit Gottes Hilfe der Satan oder die Dämonen gezwungen, den geplagten Menschen zu verlassen. Beim Befreiungs- und Heilungsdienst bitten wir Gott, dass der geplagte Mensch von seinen Plagen befreit wird, ohne dass der Satan oder die Dämonen genannt werden.
Das SRF-Regionaljournal Graubünden hat berichtet, im Bistum Basel gebe es zwei Menschen, die für den Befreiungsdienst zuständig seien. Stimmt das?
Gächter: Nein, ich bin die Ansprechperson für diese Probleme.
Sind die Menschen, die sich an Sie wenden, wirklich vom Teufel besessen?
Gächter. In den meisten Fällen nicht. Viele sind krank und brauchen einen Psychologen oder eine Psychiaterin. Wichtig ist aber, jeden Menschen ernst zu nehmen. Ich spreche ihnen Gottvertrauen zu. Denn Gott ist stärker als das Böse.
Braucht jedes Bistum einen Befreiungsdienst?
Gächter: Ja! Das muss aber nicht unbedingt ein Priester sein. Ich könnte mir etwa Sabine Zgraggen gut vorstellen. Ich fand ihre Reaktion auf Bischof Joseph Bonnemains Ankündigung sehr gut. Sie ist sehr erfahren. Sie leitet in Zürich die Dienststelle für Spital- und Klinikseelsorge und war über 15 Jahre lange Psychiatrieseelsorgerin.
Der verstorbene Exorzist des Bistums Chur, Christoph Casetti, war über die Bistumsgrenzen hinaus bekannt. Bekamen Sie nach seinem Tod vermehrt Anfragen?
Gächter: Das ist so. Ich habe aber vom Bistum Basel die Order, nicht über das Bistum Basel hinaus zu wirken.
Karin Iten, die Präventionsbeauftragte des Bistums Chur, forderte, einen «klaren Schlussstrich unter dieses äusserst dunkle Kapitel zu ziehen». Was sagen Sie dazu?
Gächter: Das ist zu radikal. Es braucht eine Aktualisierung. Es sollte nicht mehr von Exorzisten gesprochen werden, sondern von Befreiungsdienst. Der Befreiungsdienst, wie wir ihn im Bistum Basel handhaben, ist sehr wichtig.
* Martin Gächter (83) ist emeritierter Weihbischof des Bistums Basel. Seit 30 Jahren ist er im Befreiungsdienst tätig.
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