Schweizergarde
Schweiz

Warum werden Schweizergardisten am 6. Mai vereidigt?

Der Mythos um die Schweizergarde entstand am 6. Mai 1527. Spuren in Rom zeugen noch heute von der blutigen Plünderung Roms. Das älteste Gardekorps der Welt ist inzwischen ein top-moderner Sicherheitsdienst zum Schutz des Papstes – und hat in den USA die grösste Fangemeinde.

Jacqueline Straub

Jedes Jahr am 6. Mai wird im Vatikan der «Sacco di Roma» begangen. Was genau ist das?

Stefan Wyer*:Der Sacco di Roma, also die Plünderung Roms im Frühjahr und Sommer 1527, war eines der grössten Kriegsverbrechen in jener Zeit, als sich die damaligen Grossmächte Spanien und Frankreich um die Vorherrschaft in Italien stritten. Damals zog Kaiser Karl V., der auch König von Spanien war, gegen die Liga von Cognac, ein Bündnis zwischen Frankreich, Mailand, Florenz, Venedig und Papst Clemens VII. Die schlecht versorgten deutschen, spanischen und italienischen Söldner Karls drangen auf eigene Faust in die «Ewige Stadt» und plünderten sie wochenlang.

"Sacco di Roma" - Darstellung von Martin und Werner Jordan
"Sacco di Roma" - Darstellung von Martin und Werner Jordan

Welche Rolle spielte dabei die Schweizergarde?

Wyer: Die führerlosen Söldner griffen am 6. Mai auch den Heiligen Vater an. Die Schweizergarde deckte die Flucht von Papst Clemens VII. in die Engelsburg. Dabei liessen 147 Gardisten ihr Leben, darunter auch der Kommandant, Kaspar Röist aus Zürich. Mit den verbliebenen 42 Schweizergardisten gelang Clemens die Flucht über den «Passetto di Borgo» in die Engelsburg. Das war die bisher härteste Bewährungsprobe der Schweizergarde und Bestandteil ihres bis heute noch bestehenden Mythos.

«An verschiedenen Orten gibt es noch Spuren.»

Was wäre geschehen, wenn dies aufgegeben oder nicht mehr den Papst verteidigt hätten?

Wyer: Das ist sehr spekulativ. Plündern war nach damaligem Verständnis ein gebräuchliches Mittel, um Söldnerheere bei Laune zu halten, allerdings gerieten die Geschehnisse in Rom völlig ausser Kontrolle. Hohe Würdenträger wurden dabei nicht selten als Geiseln genommen, um noch mehr Geld herauszupressen. Sie wurden aber auch nicht selten umgebracht.

Wie wird an die Erstürmung Roms heutzutage gedacht?

Wyer: Meines Wissens gibt es keinen speziellen Gedenktag, ausser natürlich der Vereidigung der Schweizergardisten jeweils am 6. Mai. Aber an verschiedenen Orten gibt es noch Spuren. So unter anderem in der Sala della Segnatura, heute Teil der Vatikanischen Museen, wo wütende Söldner die Buchstaben V K IMP in ein Gemälde Raffaelos ritzten. Das steht für «Vivat Karolus Imperator», und darunter den Namen «Luther».

Stefan Wyer, Leiter der Medienstelle und des Verbindungsbüros für Behörden der Päpstlichen Schweizergarde in der Schweiz
Stefan Wyer, Leiter der Medienstelle und des Verbindungsbüros für Behörden der Päpstlichen Schweizergarde in der Schweiz

Welche Bedeutung hat die Schweizergarde heute noch?

Wyer: 1506 als Leibgarde gegründet, ist die Päpstliche Schweizergarde nach wie vor für die Sicherheit des Heiligen Vaters zuständig. Sie ist damit das älteste Gardekorps weltweit. Die Garde ist heute ein top-moderner Sicherheitsdienst zum Schutz des Heiligen Vaters und seiner Residenz. Sie begleitet ihn auf Auslandsreisen und bewacht die Hauptzugänge zum Vatikan. Darüber hinaus übernimmt sie Ordnungs- und Ehrendienste, zum Beispiel bei Staatsempfängen, deren es im Vatikan ja sehr viele gibt. Entsprechend sind die Gardisten auch ausgebildet: Basis ist die Rekrutenschule der Schweizer Armee, die als Voraussetzung für den Eintritt in die Garde gilt, gefolgt von Ausbildung in Polizeitaktik, Selbstverteidigung und Waffenhandhabung bei der Kantonspolizei Tessin, Personenschutz bei der Militärpolizei, um nur einige zu nennen. Und sie ist modern ausgerüstet, mit Pistole, Taser, Pfefferspray und verfügt auch über das schweizerische Sturmgewehr.

Schweizergardisten bei der Vereidigung 2023: Der Kanton Aargau sponserte die Veranstaltung mit 170'000 Franken.
Schweizergardisten bei der Vereidigung 2023: Der Kanton Aargau sponserte die Veranstaltung mit 170'000 Franken.

Jedes Jahr wird ein Kanton als Gast nach Rom eingeladen. Warum und wie lange gibt es diese Tradition schon?

Wyer: Seit 2008 wird jeweils ein Kanton als Gast an die Vereidigung eingeladen. Damit zeigt die Garde die Verbundenheit zur ganzen Schweiz. Es sind ja auch Gardisten aus fast allen Kantonen, die hier Dienst leisten. 2023 war der Kanton Aargau Gast, davor war es Nidwalden und dieses Jahr ist es Baselland. Einzig in den Pandemie-Jahren 2020 und 2021 wurde auf die Tradition verzichtet.

«Mittlerweile ist die Garde auch hierzulande zu einem Identifikationsmerkmal geworden.»

Hat die Schweiz einen Nutzen an der Schweizergarde?

Wyer: Ich denke schon, in mehrfacher Hinsicht. Die Schweizergarde ist weltweit mindestens so berühmt wie das Sackmesser, die Uhren oder die Schokolade. Sie steht für Attribute, die als typisch für die Schweiz gesehen werden: Zuverlässigkeit, Loyalität, Auftragstreue, aber auch Bescheidenheit und Hilfsbereitschaft. Die Fangemeinde der Garde ist gemessen an den Zuschriften, die wir immer wieder erhalten, weltweit riesig, über Konfessions- und Religionsgrenzen hinaus. Eine der grössten Fangemeinden gibt es etwa in den USA. Das fördert auch den Ruf unseres Landes. Und mittlerweile ist die Garde auch hierzulande zu einem Identifikationsmerkmal geworden, obwohl nur männliche Katholiken Dienst bei ihr leisten dürfen.

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Wird es irgendwann Frauen als Schweizergardistinnen geben oder will der Papst keine weiblichen Beschützerinnen?

Wyer: Das ist aktuell kein Thema.

*Stefan Wyer ist Leiter der Medienstelle und des Verbindungsbüros für Behörden der Päpstlichen Schweizergarde in der Schweiz. Das Interview wurde schriftlich geführt.


Schweizergarde | © Oliver Sittel
2. Mai 2024 | 14:00
Lesezeit: ca. 3 Min.
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