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Schweiz

Vorsynodale Versammlung im Bistum Basel: Menschen erwarten Impulse und mutige Schritte im eigenen Bistum

Die Ergebnisse der Umfrage zum synodalen Prozess liegen auf dem Tisch. Kommende Woche werden sich im Bistum Basel rund 100 Personen an einer vorsynodalen Versammlung damit auseinandersetzen. Was erwarten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von dem Treffen? kath.ch hat bei einigen nachgefragt.

Barbara Ludwig

Die vorsynodale Versammlung beginnt am kommenden Donnerstag und dauert bis Samstag. Rund 100 Personen aus diözesanen Gremien, Kommissionen und Arbeitsgruppen des Bistums Basel sowie einige Gäste werden teilnehmen.

Das offizielle Ziel der Versammlung ist eine «Verdichtung» der Ergebnisse aus den Gruppengesprächen vom vergangenen Herbst, die am Donnerstag der Öffentlichkeit in Form einer Studie präsentiert wurden. Die daraus entstehenden Schlussberichte werden schliesslich an die Schweizer Bischofskonferenz (SBK) weitergeleitet. Anhand der Teilnehmerliste hat kath.ch einige Personen gefragt, was sie sich von der Versammlung erhoffen.

Ergebnisse umfassend zur Kenntnis nehmen

Der Aargauer Kirchenratspräsident Luc Humbel erwartet, dass auf allen Seiten eine Bereitschaft da sei, «den Bericht umfassend zur Kenntnis zu nehmen und kritische Punkte nicht reflexartig abzuwehren oder schön zu reden». Das Dokument zeige deutlich auf, dass es nebst den Themen für die Bischofssynode im Jahr 2023 eine Handvoll Aufgaben gebe, derer sich die Verantwortlichen im Bistum und den Landeskirchen annehmen müssten.

«Ich erwarte, dass der bistumseigene Reformprozess mit Meilensteinen bestückt wird.»

Luc Humbel

Humbel erhofft sich hier ein gemeinsames Vorgehen. Für ihn soll zudem sichtbar werden, dass nun etwas passiert. Denn er schreibt: «Weiter erwarte ich, dass der bistumseigene Reformprozess mit Meilensteinen bestückt wird, damit für alle erkennbar ist, dass die Anliegen ernst genommen werden.»

Keine Verschiebung wegen Corona

Eine coronabedingte Verschiebung der vorsynodalen Versammlung ist für das Bistum Basel bislang kein Thema. Mediensprecher Hansruedi Huber bestätigt auf Anfrage, dass es wegen der Pandemie einzelne Abmeldungen gegeben hat. Dafür habe er Verständnis. «Trotzdem wollen wir die Versammlung wie geplant durchführen. Andernfalls droht eine monatelange Verzögerung», so Huber. Selbstverständlich würden dabei die maximal geltenden Corona-Schutzmassnahmen angewendet.

Luc Humbel
Luc Humbel

Der Aargauer Kirchenratspräsident Luc Humbel kann nicht nachvollziehen, dass die synodale Versammlung in der aktuellen Pandemie-Situation stattfindet. Man habe bereits die jährliche Kirchenpflegetagung Ende Januar in den virtuellen Raum verlegt, weil Grossgruppenveranstaltungen «im Moment vor Ort nicht verantwortbar» seien, schreibt er zuhanden von kath.ch.

Humbel hatte erwartet, dass die Versammlung pandemiebedingt verschoben wird. Nun behält er sich vor, nicht an der Versammlung von kommender Woche teilnehmen. (bal)

Vielfältiges Fachwissen als Chance

Auch Thomas Boutellier erhofft sich, dass es nicht bei einer Eingabe zuhanden der SBK bleibt. «Das Treffen soll die Initialzündung für einen Prozess im Bistum Basel werden, der alle miteinbezieht und es so schafft, die Kirche näher zu den Menschen zu bringen», teilt der Leiter der Fachstelle Jugend der Römisch-katholischen Kirche des Kantons Solothurn mit.

Seine grundsätzliche Erwartung sei, dass man auch gehört werde. Die Versammlung mit 100 Personen aus so vielen unterschiedlichen Fachrichtungen sei eine Chance, die unbedingt genutzt werden sollte. Boutellier hofft zudem, dass man nicht enttäuscht werde wie bei vielen Themen, zu denen das Volk befragt worden sei und wo dann «nichts mehr geschah». Das würde das Vertrauen endgültig zerstören, befürchtet er.

«Der synodale Prozess soll die Kirche in Bewegung bringen.»

Monika Poltera-von Arb

Monika Poltera-von Arb leitet die Pfarrei Niederbuchsiten im Kanton Solothurn. Sie hofft, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Versammlung in einen fruchtbaren Austausch über die Ergebnisse der Umfrage kommen und dass konkrete Handlungsschritte daraus erfolgen können: «Impulse für die Pfarreiseelsorge, Handlungsansätze auf Ebene des Bistums und vor allem auch Anliegen, die unser Bischof an der Synode in Rom vertreten kann. Damit der synodale Prozess nicht beim Zuhören stehen bleibt, sondern tatsächlich die Kirche in Bewegung bringt.»

Herausforderungen auf Bistumsebene anpacken

Marie-Louise Beyeler nimmt als Präsidentin des Landeskirchenrates (Exekutive) der Berner Landeskirche an dem Treffen teil. Aus ihrer Sicht hat die Arbeit an der Eingabe zuhanden der SBK das Ziel, «unsere Anliegen auf den Weg über die Kontinentalsynode nach Rom zu bringen». Zweitens ist ihr wichtig, dass man Ansätze finde, um die in der Studie genannten «kommunikativen, strukturellen, organisatorischen und prozessualen Herausforderungen im Bistum selbst anzupacken».

«Ich erwarte, dass der Graben zwischen Kirchenvolk und Bistumsleitung ernst genommen wird.»

Renata Asal-Steger

Renata Asal-Steger, Synodalrätin der Luzerner Landeskirche, nimmt Bezug auf die Umfrage-Ergebnisse, wonach zwischen der katholischen Kirche als Institution und den Katholikinnen und Katholiken ein grosser Graben klafft. «Viele Gläubige sind von den Kirchenoberen enttäuscht und verletzt.» Die Zeiten des Vertröstens, der Ausreden und des Schönredens seien vorbei, schreibt Asal-Steger. «Ich erwarte (nicht erhoffe), dass der Graben zwischen Kirchenvolk und Bistumsleitung spürbar ernst genommen wird.»

Renata Asal-Steger, Synodalrätin der römisch-katholischen Landeskirche des Kantons Luzern
Renata Asal-Steger, Synodalrätin der römisch-katholischen Landeskirche des Kantons Luzern

Partnerschaften von Geschiedenen und Homosexuellen anerkennen

Die Synodalrätin fordert weiter eine selbstkritische und ehrliche Auseinandersetzung mit den Ergebnissen und mutige Schritte. Sie hoffe etwa, dass die Synodalversammlung festhält, es sei an der Zeit, in der Bistumsleitung und den Pastoralräumen Strukturen zu schaffen, die Frauen und Männer gleichberechtigt an Leitungsaufgaben und an der Repräsentation der Kirche in der Öffentlichkeit beteiligen. Geschiedene und LGBTQI+-Menschen seien explizit willkommen zu heissen. «Ihre verbindlichen und von gegenseitiger Liebe geprägten Partnerschaften stehen nicht nur unter dem Segen Gottes, sondern sollen auch von der Kirche anerkannt werden», findet Asal-Steger.

Strukturelle Fragen in den Mittelpunkt stellen

Valentin Beck erwartet von der Versammlung ein gemeinsames Vorangehen auf Augenhöhe, in dem die Antworten der Dialoggruppen in ihrer Konkretheit ernst genommen werden als Basis für das zusammenfassende Statement. Für den Luzerner Gassenseelsorger und Pfarreimitarbeiter ist zudem klar: «Obwohl Synodalität mehr bedeutet als ein demokratischer Mehrheitsentscheid, wird es unumgänglich sein, konkrete Vorhaben und Forderungen entlang der meist genannten Potentiale und Kritikpunkte zu formulieren.»

Valentin Beck, Gassenseelsorger und Pfarreimitarbeiter in Luzern
Valentin Beck, Gassenseelsorger und Pfarreimitarbeiter in Luzern

Beck hofft, es komme nicht zu einer «schwammigen Spiritualisierung» der Diskussion und der Schlussformulierung. Vielmehr sollten die strukturellen Fragen im Mittelpunkt stehen, die als primäre Krisenmerkmale und Unzufriedenheitsmerkmale identifiziert seien.

«Miteinander unterwegs sein mit dem auferstandenen Christus»

Mario Hübscher, leitender Priester im Pastoralraum Olten, hofft auf einen offenen, vertrauensvollen Dialog, «bei dem in grosser Differenziertheit auf alles eingegangen wird, was die Menschen zutiefst bewegt». Er wünscht sich zudem, dass «die Kirche einen Weg findet, das mit den Menschen zu teilen, was ihr grösster Schatz ist: Nämlich das Miteinander unterwegs sein mit dem auferstandenen Christus, dem Mensch gewordenen Gott.»

Der Priester erhofft sich weiter, dass es Menschen mit extremen Positionen gelinge, ihre Vorurteile zu überwinden – durch die Bereitschaft, einander wirklich zuzuhören, sodass sich niemand marginalisiert vorkommen müsse.

Bistum Basel als «Leuchtturm der Veränderung» in Europas Kirche

Simone Curau-Aepli nimmt als Präsidentin des Schweizerischen Katholischen Frauenbundes (SKF) an dem Treffen teil. Sie schreibt der Diözese Basel eine wichtige Rolle zu: «Das Bistum Basel hat das Potential, ein Leuchtturm der Veränderung in der Katholischen Kirche in Europa zu sein.»

Simone Curau-Aepli, Präsidentin des Schweizerischen Katholischen Frauenbundes
Simone Curau-Aepli, Präsidentin des Schweizerischen Katholischen Frauenbundes

Sie wünscht der Versammlung den Mut und die Weitsicht, die wesentlichen Aussagen der Basler Gesprächsgruppen zuhanden der Bischöfe und der Gemeinden zu bündeln. Die SKF-Präsidentin fordert zudem: «Der Prozess der Erneuerung muss jetzt weitergehen, wenn wir wollen, dass die 60 Prozent Frauen, die (bei der Umfrage, d.Red.) mitgewirkt haben, sich weiterhin zugehörig fühlen und sich engagieren.»

«Ich bin bereit, meine Vorstellungen von kirchlichem Leben herausfordern zu lassen.»

Martin Iten

Martin Iten ist Mitarbeiter von der Plattform «Anima Una», die sich für eine Neuevangelisation in der Schweiz einsetzt. Er erinnert daran, dass Papst Franziskus bei der Eröffnung des synodalen Prozesses zu einer «kollektiven Gewissenserforschung» aufgerufen habe. Und fährt dann fort: «In diesem Sinne bin ich bereit, mich und meine Vorstellungen von kirchlichem Leben herausfordern zu lassen, und versuche, ohne Vorurteile und mit echtem Interesse an der vorsynodalen Versammlung teilzunehmen.»

Martin Iten, Mitarbeiter von "Anima Una"
Martin Iten, Mitarbeiter von "Anima Una"

Dabei wünsche er sich, dass es gelingen wird, die Begegnungen und Gespräche in einer Atmosphäre des Hörens zu gestalten – «hörend aufeinander, die Nöte unserer Zeit, auf die Stimme Gottes und auch auf die Weisheit, die uns in der Kirchengeschichte und ihren Lehren begegnet». Er bete um das Geschenk der Einheit und die Erneuerung aus dem Heiligen Geist, schreibt Iten.


Die «Wir sind Ohr»-Kampagne am Bahnhof von Schaffhausen. | © Raphael Rauch
15. Januar 2022 | 17:38
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