Amira Hafner-Al Jabaji, Moderatorin Sternstunde Religion
Schweiz

Vor CH-Parlamentswahlen: Minderheiten mit Politikern auf Augenhöhe bringen

Basel, 11.5.15 (kath.ch) Die aufgrund des IS-Terrors  geführte gesellschaftliche Debatte heizt die politische Stimmung an, warnt der von Frauen geführte Schweizer «Interreligiöse Think-Tank» in einem Positionspapier von Montag, 11. Mai. Er ruft zu einem Zusammenschluss von gesellschaftlichen Gruppen auf, die Minderheits-Erfahrung machen. Gemeinsam könnten diese nicht zuletzt im Hinblick auf die Parlamentswahlen im kommenden Herbst ein Gegengewicht zu politischen Mehrheiten bilden.

Den Think-Tank bilden Exponentinnen des interreligiösen Dialogs, die verschiedenen Religionen angehören. Sie befürchten, dass soziale Probleme noch vermehrt «regionalisiert» und insbesondere «islamisiert» werden.

Auf Anfrage erklärte die Präsidentin des Think-Tank, Amira Hafner-Al Jabaji, gegenüber kath.ch, auch in der Schweiz öffne sich die soziale Schere, was insbesondere etwa zu deutlichen Bildungsunterschieden in der Bevölkerung führe. Darum sei es wichtig, dass sich sich religiöse, kulturelle oder andere Gruppen, die Erfahrungen als Minderheiten machen, sich gemeinsam in die Schweizer Politik einbringen.

Der Ruf nach Sicherheit und einseitigen Restriktionen, «die in Diskriminierungen enden», werde in der Schweiz immer lauter, heisst es im Positionspapier des Think-Tank. Die Vorstädte «als Brutstätten der Gewalt» seien keine «Schöpfung des Islam», sondern das Resultat einer verfehlten Sozialpolitik.

Fragwürdiger neuer Nachrichtendienst

In der Schweiz verschiebe sich «besonders in einem Wahljahr» die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit zunehmend Richtung Sicherheit. Der geplante und vom Nationalrat bereits abgesegnete neue Nachrichtendienst lasse den «gläsernen Bürger» Wirklichkeit werden. Als «Gegenmittel» zu jeder Form von Radikalisierung nennt der Think-Tank «eine starke demokratische Zivilgesellschaft».

Bedingungen für gleichberechtigten Dialog

Die Schweizer Politik müsse den Fokus auf den Zusammenhalt setzen. Keine gesellschaftliche Gruppe dürfe ausgegrenzt werden. Konkret schlägt der Think-Tank vor: «Ein Zusammenschluss der verschiedenen Minderheiten könnte helfen, dass sie ein starkes Gegenüber bilden in einem gleichberechtigten Dialog und von der Mehrheit nicht mehr übersehen werden.»

Der Think-Tank setzt seine Hoffnung unter anderem in die Jugend. Er verweist auf eine Studie der Humboldt-Universität in Berlin, in der es heisst, junge Menschen hätten deutlich weniger Vorurteile gegenüber Muslimen als ältere. Auch das Schweizer Fernsehen SRF habe ein deutliches Zeichen gesetzt, indem es für das Moderieren der Sendung «Sternstunde Religion» die irakisch-schweizerische Islamwissenschaftlerin Amira Hafner-Al Jabaji beauftragte.

Feindbildern entgegen wirken

Auf alle im religiösen und interreligiösen Bereich Engagierten nehme heute der Druck spürbar zu, «sich im Ereignisfall eindeutig auf eine Seite zu schlagen, sich vom Einen zu distanzieren und mit dem Anderen zu solidarisieren». Dies könne schnell als «Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns» ausgelegt werden. Die Welt dürfe nicht in ein «sie» und ein «wir» aufgeteilt werden, warnt der Think-Tank.

Dem Vorstand des Think-Tank gehören neben Amira Hafner-Al Jabaji die christliche Theologin und Publizistin Doris Strahm und die jüdische Theologin und Mathematiklehrerin Gabrielle Girau Pieck an. Der Think-Tank will unter anderem die «positive und konstruktive Rolle von Religion» für den Zusammenhalt der Gesellschaft, für Sicherheit und Frieden fördern und das Potential der Religionen zur Erlangung von Gerechtigkeit in allen gesellschaftlichen Bereichen aufzeigen. (gs)

Amira Hafner-Al Jabaji, Moderatorin Sternstunde Religion | © SRF/Oscar Alessio
11. Mai 2015 | 12:21
Lesezeit: ca. 2 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!