Von zwei Zimmerchen zur Institution

Hintergrund
In Bethlehem feiert das Caritas Baby-Hospital sein 60-jähriges Bestehen

Bethlehem, 25.8.12 (Kipa) Zum Spital? Wer heute in Bethlehem diese Frage stellt, wird sich mit grösster Wahrscheinlichkeit kurze Zeit später vor dem modernen Bau des Caritas Baby Hospital wiederfinden. Vor sechzig Jahren wurde es vom Schweizer Ernst Schnydrig gegründet.

Zwar ist die Kinderklinik unweit des Checkpoints «Rachels Grab» bei weitem nicht die einzige Einrichtung, die sich um das Wohl der jüngsten Palästinenser kümmert – nur wenige Kilometer entfernt etwa hilft das Malteserkrankenhauses zur Heiligen Familie unzähligen Babies auf die Welt. Doch: Was vor mehr als einem halben Jahrhundert mit vierzehn Bettchen in zwei Zimmern seinen Anfang nahm, hat sich längst zu einem stattlichen Spitalbetrieb entwickelt – und ist in Bethlehem zur Institution geworden.

Es ist eine Erfolgsgeschichte mit traurigem Hintergrund: Als der Walliser Journalist und Salettiner-Missionar Ernst Schnydrig Weihnachten 1952 Bethlehem besuchte, um über die Lage in den Flüchtlingslagern zu berichten, musste er mit ansehen, wie ein Vater sein Kind begrub. Es war verhungert. Kinder leiden zu sehen am jenem Ort, an dem Gott Mensch wurde in einem Kind – ein unerträglicher Gedanke für den Missionar.

In Bethlehem legte er den Grundstein für das Caritas Baby Hospital, «damit am Geburtsort Jesu keinem Kind medizinische Hilfe verwehrt bleibt», wie er 1978 bei der Grundsteinlegung des Neubaus sagte. In Europa gründete er die Kinderhilfe Bethlehem, die das christliche Kinderspital langfristig unterstützen sollte.

Not ist sehr gross

Sechzig Jahre sind seither vergangen. Das Angebot des Spitals wird laufend ausgebaut, denn nach wie vor ist der Bedarf an medizinischer Hilfe in Palästina gross, die gesundheitliche Situation vieler Babys und Kleinkinder besorgniserregend, wie das Klinikpersonal betont.

34.000 Kinder und Babys, unabhängig von ihrer Herkunft oder Religion, wurden im vergangenen Jahr behandelt, die meisten von ihnen keine zwei Jahre alt und mit typischen Armuts- oder Geburtskrankheiten wie Untergewicht, Lungenentzündungen, Neugeborenengelbsucht und Wachstumsstörungen. Allein 880 Neugeborenen wurde 2011 in der Neonatologie geholfen, und das vor allem dank der Spenden aus dem Ausland.

Hoher Symbolgehalt

Bethlehem und Kinder: Für viele Menschen gehört dies zusammen, entsprechend hoch ist die Spendenbereitschaft in Europa. 7,3 Millionen Franken kamen für die jüngsten Ausbaumassnahmen des Caritas Baby Hospitals zusammen. Der Ausbau hat sich nach Einschätzung der Chefärztin und ihrer Mitarbeiter gelohnt. Mittels Spezialsprechstunden können neu spezialisierte Behandlungen wie Kardiologie oder Hörscreening angeboten werden, auch Physiotherapie und ein eigener Sozialdienst stehen den Patienten in neuen Räumen zur Verfügung. Bis zu 43 Mütter können im neuen Müttertrakt übernachten. Während ihres Aufenthaltes können die Frauen in der «Mütterschule» Kurse zu Themen wie Hygiene und Ernährung besuchen und sich gleichzeitig in dem geschützten Umfeld erholen – Prävention und Gesundheitserziehung, damit vermeidbare Erkrankungen gar nicht erst entstehen.

Hoch gesteckte Ziele

Profitieren von der anhaltenden Grosszügigkeit sollen alle Bereiche der Klinik, wie Chefärztin Hiyam Marzouqa unlängst an der Generalversammlung der Kinderhilfe Bethlehem betonte. Langfristig, wünscht sich Marzouqa, sollen die «kranken und bedürftigen Kindern im Westjordanland die gleiche medizinische Hilfe» erhalten wie in Europa. «Denn jedes Kind soll ein Recht auf bestmögliche medizinische Versorgung haben».

«Wir sind da», lautet die Botschaft, die in verschiedenen Sprachen auf der Glasfassade des Eingangs zur neuen Ambulanz zu lesen ist. Im lichtdurchfluteten Eingangsbereich spielen ein paar Kinder, und das freundlich leuchtende Grün des Wartesaals unterstreicht einen weiteren Aspekt des Spitals: Die Klinik ist ein Hoffnungsträger in einer konfliktgeprägten Region, ein ” Leitstern der Hoffnung», der zeigt, «dass Liebe über Hass und Friede über Gewalt siegen kann», wie Papst Benedikt XVI. es formulierte.

Viele Patienten des christlichen Spitals sind Muslime – entsprechend des Bevölkerungsdurchschnitts in seinem Einzugsgebiet. Und damit, betonte der Jerusalemer Patriarch Fouad Twal bei der Eröffnung der neuen Ambulanz, wird die Klinik in Sichtweite der Sperrmauer zu einem Zeugnis der «Nächstenliebe ohne Grenzen».

Separat:

Felix Gmür an Jubiläumsfeiern in Bethlehem

Am 22. – 23. September feiert das Caritas Baby Hospital in Bethlehem seine Gründung vor 60 Jahren mit Konzerten, einer Ausstellung palästinensischer Kunst sowie einem Festgottesdienst und einem Festakt. Zu den Festrednern gehört neben dem palästinensischen Gesundheitsminister Hani Abdeen auch Felix Gmür, als Basler Bischof Protektor des Caritas Baby Hopitals.

Hinweis: www.kinderhilfe-bethlehem.ch

(kipa/ak/gs)

25. August 2012 | 18:00
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