Archivbild von 2018: Sebastian Kurz und Papst Franziskus.
International

Vollgas gegen die katholische Kirche: Wie Sebastian Kurz auf Schönborns Kritik reagierte

Der Wiener Kardinal Schönborn hat 2019 die Asylpolitik der damaligen österreichischen Regierung kritisiert. Daraufhin soll Kanzler Sebastian Kurz angeordnet haben, die katholische Kirche unter Druck zu setzen, berichtet ein Insider. Kurz’ Befehl: «Bitte Vollgas geben.» 

Es geht um Vetternwirtschaft und Korruption: Seit Monaten beschäftigt sich Österreich mit der ehemaligen Kanzlerschaft von Sebastian Kurz. Dieser musste vor einem Jahr zurücktreten. 

«Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz der Kirche»

Thomas Schmid, der einstige Vertraute des Ex-Kanzlers, hat nun erklärt, Kurz habe ihn im März 2019 zur Androhung der «Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz der Kirche» beauftragt. Das geht zumindest aus dem Geständnis hervor, das Schmid an die Staatsanwaltschaft geschrieben hat, wie das Portal derstandard.at berichtete.

Kardinal Christoph Schönborn
Kardinal Christoph Schönborn

Der Anlass sei die Kritik von Kardinal Christoph Schönborn an der türkis-blauen Asylpolitik gewesen, vor allem an der geplanten Sicherungshaft. Nachträglich gesehen hatte die Androhung keine konkreten Folgen für die Kirche, wie deren Vertreter mehrfach bestätigten.

«Gefährliche Drohung»

Der von Schmid geschilderte Vorfall wurde durch die Veröffentlichung der Chatprotokolle bekannt, bei denen Kurz ihn bat, «Vollgas» gegen die römisch-katholische Kirche zu geben. Umgesetzt wurde diese Anweisung bei einem Treffen mit Peter Schipka, dem Generalsekretär der Bischofskonferenz. Er habe die Anweisung des Kanzlers als Anstiftung zur «gefährlichen Drohung» gegen die Kirche verstanden, berichtete Thomas Schmid.

Peter Schipka ist Generalsekretär der Österreichischen Bischofskonferenz.
Peter Schipka ist Generalsekretär der Österreichischen Bischofskonferenz.

Zur Erinnerung: Bei den Ende März 2021 vom Magazin «profil» veröffentlichten Chatprotokollen hatte Schmid geschrieben: «Heute ist die Kirche bei uns Schipka kommt um 16.00 Wir werden Ihnen ordentliches Package mitgeben Im Rahmen eines steuerprivilegien Checks aller Gruppen in der Republik wird für das BMF auch die Kirche massiv hinterfragt Alles sind gleich Dann gehen wir unsere Liste durch. LG Thomas» Daraufhin antwortete Kanzler Sebastian Kurz: «Ja super. Bitte Vollgas geben.» Schmid erwiderte: «Yea! Das taugt mir voll».

«Schipka war fertig! Steuerprivilegien müssen gestrichen werden»

Nachdem es kurz darauf – am 13. März 2019 – zum Gespräch mit dem Generalsekretär der Bischofskonferenz Schipka kam, schrieb Schmid noch am selben Tag an Kurz: «Also Schipka war fertig! Steuerprivilegien müssen gestrichen werden Förderungen gekürzt Und bei Kultus und Denkmalpflege wesentliche Beiträge Heimopfergesetz werden wir deckeln Er war zunächst rot dann blass dann zittrig Er bot mir Schnaps an den ich in der Fastenzeit ablehnte weil Fastenzeit Waren aber freundlich und sachlich.» Der Kanzler bedankte sich: «Super danke vielmals!!!! Du Aufsichtsratssammler :)»

Sebastian Kurz galt als Kritiker von Merkels liberaler Flüchtlingspolitik.
Sebastian Kurz galt als Kritiker von Merkels liberaler Flüchtlingspolitik.

Bei der Einvernahme durch die Staatsanwaltschaft brachte Schmid jedoch eine leicht geänderte Version des Hergangs ins Spiel. Dass er Kurz zudem auch getextet habe, Schipka sei «jetzt sehr nervös und wird nicht gut schlafen. Botschaft – BMF macht wahnsinnigen Druck auf Beitrag der Kirche. Alles ganz schwer», sei von ihm gelogen gewesen, erklärte er nun. Er habe die Drohung nicht übers Herz gebracht. Zugleich habe er Kurz nicht verärgern wollen, schrieb die «Krone» am 19. Oktober.

Kurz bereut Drohungen gegen die Kirche

Ex-Kanzler Kurz, inzwischen auch von weiteren Aussagen des jüngst zum Kronzeugen-Anwärter gewechselten Schmid belastet, hatte sich davor ebenfalls zur Causa «Vollgas» geäußert. Es handle sich dabei um eine der wenigen Episoden aus seiner Regierungszeit, die er bereue, gab der frühere Spitzenpolitiker in Interviews anlässlich seiner Buchveröffentlichung «Reden wir über Politik» zu verstehen.

Nuntius Erzbischof Peter Stephan Zurbriggen (vorderste Reihe 5. v. l.) bei einem Treffen mit den österreichischen Bischöfen.
Nuntius Erzbischof Peter Stephan Zurbriggen (vorderste Reihe 5. v. l.) bei einem Treffen mit den österreichischen Bischöfen.

Seine Diktion bezüglich steuerlicher Sonderrechte der katholischen Kirche würde er nicht noch einmal verwenden. Sonst habe er aber in seiner ganzen Zeit in der Politik gut mit der katholischen Kirche «zusammengearbeitet», erklärte er etwa gegenüber der «Wiener Zeitung» (15. Oktober).

Verhältnis zwischen Kirche und Regierung «nicht beschädigt»

Für die Bischofskonferenz und ihren Generalsekretär dürften die politische Drohgebärde und die Chats nicht mehr als eine peinliche und längst bereinigte Episode gewesen sein. So hat der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Franz Lackner, bereits im Zuge der ersten Vollversammlung des Episkopats nach der Chat-Affäre im Juni 2021 mit Blick darauf festgehalten, dass das Verhältnis der Kirche zur Regierung «nicht beschädigt» sei. Die katholische Kirche fühle sich jedenfalls «nicht beleidigt», für die Wortwahl in den Chats wolle er «keine Noten verteilen», sagte der Salzburger Erzbischof damals.

Franz Lackner, Erzbischof von Salzburg und Vorsitzender der Österreichischen Bischofskonferenz
Franz Lackner, Erzbischof von Salzburg und Vorsitzender der Österreichischen Bischofskonferenz

Zuvor hatte Schipka Anfang April im Interview mit den Kirchenzeitungen dargelegt, wie er das Gespräch mit Schmid empfunden habe: «Thomas Schmid und sein Kollege waren bei mir, um anzukündigen, dass man mit uns hart verhandeln will. Das ist ungewöhnlich, entweder man verhandelt hart oder nicht. Sonst war es ein angenehmes Gespräch, ganz anders als man aus dem Chatverlauf den Eindruck hat. Es war sachlich und freundlich, wie am Ende der besagten SMS auch steht.»

«Die Sache ist wirklich sehr peinlich»

Er habe sich im Anschluss an das Gespräch zwar keine Sorgen gemacht, «aber ich habe mich gefragt, was das soll». Und zu den öffentlich gewordenen Chatverläufen fügte der Generalsekretär der Bischofskonferenz hinzu: «Die Sache ist wirklich sehr peinlich, aber nicht für mich. Ich empfinde es als eine Art Politik zu machen, die sich nicht gehört.» (kap)


Archivbild von 2018: Sebastian Kurz und Papst Franziskus. | © KNA
22. Oktober 2022 | 16:37
Lesezeit: ca. 3 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!