Vitus Huonder, emeritierter Bischof von Chur, hält seinen Bischofsstab beim Einzug zu einem Pontifikalamt in der Prioratskirche Mariä Himmelfahrt der Priesterbruderschaft St. Pius X. am 16. Oktober 2022 in Stuttgart.
Schweiz

Vitus Huonder: Rom hat sich an den Piusbrüdern versündigt

Stuttgart ist eine Hochburg der Piusbrüder. Der emeritierte Bischof von Chur, Vitus Huonder, ist dort ein gefragter Gast. Huonders Botschaft am Sonntag: Der 6. Mai 1975 war für ihn ein Tiefpunkt. Damals wurden die Piusbrüder in Freiburg verboten. Für Huonder ein «Gewaltakt der Kirche».

Silvan Beer

Anhängerinnen und Anhänger der Priesterbruderschaft St. Pius X. kamen am Sonntag in der Kirche St. Mariä Himmelfahrt in Stuttgart zusammen. Offiziell, um dem unbefleckten Herzen Mariens zu gedenken. Die Predigt des emeritierten Bischofs beherrschte jedoch ein anderes Thema – das seit Jahrzehnten angespannte Verhältnis zwischen Rom und der schismatischen Bruderschaft.

Festliche Stimmung

Die Stuttgarter Kirche ist nicht irgendein Gotteshaus. Es ist die Deutschland-Zentrale der Piusbrüder. Von hier aus werden die Aktivitäten koordiniert. An diesem Sonntag ist die Kirche randvoll. Die Stimmung ist festlich und ernst.

Vitus Huonder, emeritierter Bischof von Chur, bei einer Predigt bei den Piusbrüdern.
Vitus Huonder, emeritierter Bischof von Chur, bei einer Predigt bei den Piusbrüdern.

Die Männer kommen im dunklen Anzug. Von den Frauen haben sich einige einen Schleier aus Spitze um den Kopf gelegt. Die Gläubigen erscheinen gut gekleidet und haben sich offensichtlich für den Anlass herausgeputzt. Die meisten sind schon älter, aber auch Kinder und Jugendliche strömen mit ihren Eltern in die Kirche.

Viele beten kniend einen Rosenkranz. Andere studieren das dicke, in Leder gebundene Missale mit den lateinischen Messtexten. Denn bei den Piusbrüdern wird die Messe nach tridentinischem Ritus auf Latein gefeiert.

Akt der Wiedergutmachung

Der emeritierte Bischof Vitus Honder und die Ministranten ziehen ein. Huonder liegt die Liturgie am Herzen. Er feiert die Messe feierlich. Es herrscht ein Kommen und Gehen am Altar, jeder Handgriff sitzt.

Ministranten knien vor Bischof Vitus Huonder, dem emeritierten Bischof von Chur.
Ministranten knien vor Bischof Vitus Huonder, dem emeritierten Bischof von Chur.

Nach der Lesung des Evangeliums hält Huonder die Predigt. Er verliert kein Wort über das Evangelium, sondern kommt sogleich zum Grund seiner Anwesenheit. Er möchte dies als Akt der Solidarität und Wiedergutmachung verstanden wissen, denn die Kirche habe sich aufs gravierendste an der Piusbruderschaft versündigt.

«Gehorsame im Glauben»

Er wolle sich mit pastoraler Sorge den zu Unrecht aus der Kirche Verstossenen zuwenden. Die Piusbrüder hätten seine Solidarität und Sympathie. So charakterisiert er die Bruderschaft als «Hüter der Tradition» und als «Gehorsame im Glauben».

Ein Diakon küsst Vitus Huonders Bischofsring.
Ein Diakon küsst Vitus Huonders Bischofsring.

Er fordert die Gläubigen auf, der Piusbruderschaft treu zu bleiben. Wer am richtigen Glauben festhalte, könne sich gar nicht häretisch verhalten – ungeachtet dessen, was der Vatikan dazu meine. Die Piusbrüder seien die Kraft, die die rechtmässige Lehre fortführten.

Doppelter Sündenfall 1962 und 1975

Huonders Predigt kreist um die Jahreszahlen 1962 und 1975. Immer wieder spricht er vom Gewaltakt der Kirche, der ihnen mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil und der Auflösung der Bruderschaft angetan worden sei. In diesen Daten sieht er gar einen doppelten Sündenfall in der Kirchengeschichte, der bis heute verhängnisvoll nachwirke. So sei in der Kirche nach dem Konzil Chaos entstanden. Wo einst ein blühender Garten gewesen sei, gebe es heute nur noch eine öde Wüste.

Vitus Huonder (m.), emeritierter Bischof von Chur, steht mit zwei Diakonen vor dem Hochaltar.
Vitus Huonder (m.), emeritierter Bischof von Chur, steht mit zwei Diakonen vor dem Hochaltar.

Die Kirche müsse nun für das Unrecht büssen, das sie der Piusbruderschaft angetan habe. Deshalb müsse man die heutige Generation über diesen Missstand aufklären, damit sie am wahren Glauben festhalte. Und man müsse für die Bruderschaft und die Erneuerung der Kirche beten. «Die Kirche muss gesunden!», schliesst der Bischof seine Predigt.

Prozession durch Stuttgarter Vorort

Nach der Messe versammelt sich die Gemeinde vor der Kirche. Angeführt von Fahnenträgern zieht Bischof Vitus Huonder in einer Prozession durch Stuttgart-Feuerbach. Zuvorderst die Männer, dann der Bischof und die Priester mit einer Statue der Madonna von Fatima. Den Schluss bilden die Frauen. Es werden Kerzen verteilt, gemeinsam sprechen die Gläubigen das Rosenkranzgebet und singen Lieder.

Altbischof Vitus Huonder (Mitte) bei einer Lichterprozession der Priesterbruderschaft St. Pius X.
Altbischof Vitus Huonder (Mitte) bei einer Lichterprozession der Priesterbruderschaft St. Pius X.

Für kath.ch ist der Bischof nicht zu sprechen. Der Ablauf ist durchgetaktet und der Bischof stets umgeben von seinen Leuten. Raum für Nachfragen entsteht nicht.

Anweisungen der Muttergottes von Fatima

Ein Mann erzählt dem Reporter, dass die Pandemie und der Ukraine-Krieg beendet wären, würde man nur endlich die Anweisungen der heiligen Muttergottes von Fatima richtig umsetzen. Die Gesundung der Kirche und Befriedung der Welt: Grosses und Bedeutsames scheint sich in diesem kargen Vorort von Stuttgart anzubahnen – zumindest im Selbstverständnis einiger Piusbrüder, die sich dort zum Feiern der lateinischen Messe treffen.


Vitus Huonder, emeritierter Bischof von Chur, hält seinen Bischofsstab beim Einzug zu einem Pontifikalamt in der Prioratskirche Mariä Himmelfahrt der Priesterbruderschaft St. Pius X. am 16. Oktober 2022 in Stuttgart. | © KNA
18. Oktober 2022 | 14:05
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