Der Konflikt zwischen Kyrill I. (l.), Patriarch von Moskau, und Bartholomaios I. (r.), griechisch-orthodoxer Patriarch von Konstantinopel, dürfte andauern. Hier bei einem Treffen im August 2018.
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Urkunde besiegelt Autonomie der Orthodoxen Kirche der Ukraine

Istanbul, 6.1.19 (kath.ch) Die Weltorthodoxie ist um eine eigenständige Landeskirche reicher. Und um einen Dauerkonflikt vermutlich auch. Gegen massive Proteste aus Moskau besiegelte der Ökumenische Patriarch am Sonntag den umstrittenen Rechtsakt.

Philipp Mattheis

Es ist ein kalter Sonntagmorgen in Istanbul. Die türkische Polizei hat die Zufahrt zum Sitz des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel abgesperrt. Sicherheitsleute filzen die Besucher. Die Georgs-Kathedrale platzt aus allen Nähten. Sie liegt im Stadtteil Fener auf der europäischen Seite der Stadt, im traditionellen Viertel der Griechen, von denen die meisten in den 1950er Jahren aus der Stadt vertrieben wurden.

Menge applaudiert nach Übergabe des Dokuments

Anders als sonst ist an diesem Sonntag nicht nur die noch etwa 2000 Mitglieder zählende, griechisch-orthodoxe Gemeinde Istanbuls beim Gottesdienst, sondern auch Ukrainer, Russen, Türken und Georgier. Hinzu kommen Dutzende Journalisten und Fernsehteams, die versuchen, einen Blick auf die Zeremonie zu erhaschen. Der Holzboden knarzt, es riecht nach Weihrauch.

Gegen 11.15 Uhr übergibt Patriarch Bartholomaios I. schliesslich den umstrittenen Tomos an den Metropoliten von Kiew – jene Urkunde, die offiziell die Unabhängigkeit der Orthodoxen Kirche der Ukraine besiegelt. Damit ist die seit dem 17. Jahrhundert bestehende Zugehörigkeit der Ukraine zum Moskauer Patriarchat beendet und die neue «Orthodoxe Kirche der Ukraine» als 15. unabhängige (autokephale) orthodoxe Kirche anerkannt. Die Menge applaudiert.

Ereignis ist von historischer Tragweite

Das Ereignis ist von historischer Tragweite. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hatten sich zwei Teile der ukrainischen Orthodoxie von Moskau abgespalten. Diese wurden aber bis dato nicht als eigenständige Landeskirchen anerkannt. Nach der völkerrechtswidrigen Annektierung der Krim durch Russland 2014 wurden die Rufe nach einer unabhängigen ukrainisch-orthodoxen Kirche lauter.

Im Oktober 2018 hatte Bartholomaios dann bekanntgegeben, der ukrainischen Kirche die Autokephalie zu gewähren, die dann Mitte Dezember mit dem Metropoliten Epiphanius an der Spitze gegründet wurde. Der Einfluss Russlands in der Ukraine verringert sich dadurch weiter. Moskau hatte deswegen vehement versucht, die Abspaltung zu verhindern. Dort sieht man bereits ein Schisma der Weltorthodoxie drohen, das über Jahrhunderte Bestand haben könnte.

Russischer Patriarch stiess Drohungen aus

Noch am vergangenen Montag hatte der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. gedroht, die Tomos-Übergabe werde nicht nur zu einer Spaltung der Orthodoxen Kirche führen, sondern auch den Führungsanspruch des Patriarchats von Konstantinopel unterminieren. «Das Leiden der orthodoxen Ukrainer, das Sie verursacht haben, wird Ihnen bis zum Jüngsten Gericht unseres unbefangen urteilenden Herrn folgen und vor ihm gegen Sie sprechen», drohte er. «Ich bete von ganzem Herzen, dass dies nicht geschehen wird. Es ist nicht zu spät, um aufzuhören.»

Anerkennung durch andere Kirchen steht noch aus

Patriarch Bartholomaios I. ist zwar das Ehrenoberhaupt von rund 300 Millionen orthodoxen Christen. Anders als der Papst in der katholischen Kirche hat er aber nicht die uneingeschränkte Autorität über die Landeskirchen. Es hängt also auch von den anderen 14 autokephalen Kirchen ab, ob sie die ukrainische Autonomie anerkennen. Dieser Prozess kann sich über Jahre hinziehen.

Bartholomaios I. sieht Chancen

Bartholomaios I. dagegen sieht die Aufwertung der ukrainischen Kirche als Erfolg, der die Spaltung der orthodoxen Kirche in der Ukraine überwinden kann. 1921 hatte sich die «Ukrainische Autokephale Orthodoxe Kirche» und 1992 das Kiewer Patriarchat von der russisch-orthodoxen Kirche abgespalten. Beide pochten auf ihre Unabhängigkeit von Moskau und hatten sich am 15 Dezember zu einer Kirche zusammengeschlossen. Ein dritter Teil ist nach wie vor Moskau treu.

Bereits am Samstag war der Zeremonie ein offizieller Teil vorangegangen, bei dem Metropolit Epiphanius die Urkunde unterzeichnete. Anwesend war auch der ukrainische Präsident Petro Poroschenko, der zuvor mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan zusammengetroffen war.

Grosse Wasserweihe ebenfalls am Sonntag

Die Tomos-Übergabe fällt zusammen mit dem orthodoxen Weihnachtsfest sowie einer speziellen Tradition der griechisch-orthodoxen Kirche: der Grossen Wasserweihe. Gegen 13.30 Uhr bewegt sich die Prozession aus der Kathedrale an das Ufer des Goldenen Horns. Dort wirft der Patriarch traditionell ein hölzernes Kreuz ins Wasser. Dutzende Männer springen daraufhin bei vier Grad Aussentemperatur ins Meer, um das Kreuz zu erwischen. Der Sieger wird vom Patriarchen gesegnet. Manche der Männer sind dafür extra aus Griechenland angereist. (kna)


Der Konflikt zwischen Kyrill I. (l.), Patriarch von Moskau, und Bartholomaios I. (r.), griechisch-orthodoxer Patriarch von Konstantinopel, dürfte andauern. Hier bei einem Treffen im August 2018. | © KNA
6. Januar 2019 | 17:03
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