Gerda Hauck im Hindu-Tempel im Haus der Religionen
Schweiz

«Unser Kapital ist das gegenseitige Vertrauen»

Bern, 24.8.17 (kath.ch) Gerda Hauck steht nicht mehr an der Spitze des Vereins Haus der Religionen – Dialog der Kulturen. Der Grund für ihren Rücktritt ist einfach: Das Präsidialamt ist auf zehn Jahre beschränkt. Die Katholikin mit Faible fürs Interkulturelle hat aber nicht die Absicht, aus diesem visionären Ort der Religionen zu verschwinden.

Regula Pfeifer

Den Abschied als Präsidentin des Vereins Haus der Religionen hat Gerda Hauck (73) zwar am 2. Juli gefeiert. Doch den Schlüssel zum Gebäude besitzt sie wenig später noch immer. So empfängt die engagierte weisshaarige Frau die Journalistin im Haus der Religionen, obwohl dieses wegen Renovationen geschlossen ist. Auch sonst zeigt die verabschiedete Präsidentin weiterhin eine gewisse Verantwortung für den Ort. So erzählt sie einem Bekannten, der gerade eintritt, von der unverschlossen vorgefundenen Eingangstüre.

Suche nach einer neuen Rolle

Die Antwort auf die Frage, ob sie dem Haus der Religionen trotz Rücktritt verbunden bleibt, kommt schnell. «Sicher», sagt Hauck überzeugt. Sie ist auf der Suche nach einer «anderen Rolle», doch die müsse noch gefunden werden. Wenn nicht, werde sie auf jeden Fall hier im Kaffee und an Anlässen anzutreffen sein – und weitere Aufgaben finden, etwa ihre Enkelkinder hüten.

Die vife 73-Jährige in blauer Bluse und weisser Hose blickt durch die grosse Glasscheibe hinunter auf den Europaplatz. Auch wenn leises Bedauern spürbar ist: An der Einführung der Amtszeitbeschränkung hat Hauck selbst mitgewirkt. Das sei nötig, findet sie: «Neue Leute bringen neue Blickwinkel ein.»

Das Haus der Religionen hat die Frau geprägt, fast so stark wie ihre Erfahrung als Mutter von drei inzwischen erwachsenen Söhnen. «Am meisten habe ich mit meinen Kindern gelernt, am zweitmeisten hier», erklärt die in Freiburg (Schweiz) promovierte Wirtschaft- und Sozialwissenschafterin. Und verdeutlicht: «Hier lerne ich jeden Tag etwas Neues.»

Alle am Haus Beteiligten sind miteinander dauernd auf dem Weg.

Alle am Haus Beteiligten seien miteinander dauernd auf dem Weg. Zwar gebe es den institutionellen Rahmen. Doch «unser Kapital ist das Vertrauen, mit dem wir uns offen in einen Lernprozess hinein begeben», so Hauck. Deshalb heisse das 2012 publizierte Buch, das den Weg zum Haus der Religionen aufzeigt, «gegenwärtig, noch nicht fertig».

Wie auf einer langen Weltreise

Im Haus der Religionen hat Hauck die verschiedensten Religionen kennengelernt. «Aber ich bin bei allen am Anfang», sagt sie bescheiden. Was der reisefreudigen Frau bei den Hindus, Aleviten und Moslems in Bern gefällt: «In diesem Haus fühle ich mich wie auf einer langen Weltreise.» Der Vorteil dabei: Sie lerne die Menschen näher kennen als sonst auf Reisen. Im Hindutempel begrüsst sie herzlich einen Gläubigen. Er kenne sie seit ihrer Zeit bei Caritas, erklärt dieser. Sie habe ihm den Weg zu seinem Informatikberuf geebnet.

Von Anfang an fand Hauck das Haus der Religionen eine «Superidee» – und gehörte zu den ersten Mitgliedern in dessen Verein. Bereits als Mitarbeiterin der Caritas Bern und danach als Integrationsbeauftragte der Stadt Bern und stand sie in Kontakt mit den Projektverantwortlichen. Kurz nach ihrer Pensionierung im Juni 2007 wurde sie in den Vorstand und wenig später zur Präsidentin gewählt. Fast zeitgleich kam sie in den Kleinen Kirchenrat der Katholischen Gesamtkirchgemeinde Bern und Umgebung.

Eine fröhliche Katholikin

Lange Zeit sei die Religion «sehr weit weg» gewesen, gibt die im Kriegsjahr 1944 in Deutschland geborene und katholisch aufgewachsene Frau zu. «Durch die Arbeit bei der Caritas Bern bin ich katholischer geworden», sagt sie. Dank dem Haus der Religionen sei sie «fröhlicher katholisch» geworden, fügt sie mit schelmischem Blick hinzu.

Der Kontakt zu Menschen aus anderen Religionen hat ihr den Blick geöffnet – auch auf die eigene Kirche, auf ihre Rituale und die Vielfalt des Katholischseins. Teilt sie die Kommunion in der Berner Pfarrei Bruder Klaus aus, überlegt sie, dass dies für jede und jeden Empfangenden wohl etwas Anderes bedeutet.

Dank dem Haus der Religionen ist sie «fröhlicher katholisch» geworden.

Auch über Religionen an und für sich macht sie sich Gedanken. «Religionen sind menschengemacht», sagt sie. Sie könnten eine stützende, heilende Erfahrung vermitteln, aber auch zu Instrumentalisierung und Unterdrückung missbraucht werden. «Wir sind alle gleich weit weg vom Transzendentalen», sagt sie in Anlehnung an den Philosophen Karl Jaspers.

Ihre Hand zeigt hinunter auf den Vorplatz. «Da geht gerade eine Hindupriesterin vorbei», sagt sie. Diese Frau wurde unlängst im Haus der Religionen geweiht. «Die Hindus hier sagen: Unsere Reform knüpft an das an, was es mal gegeben hat.» So nahmen sie die Tradition weiblicher Priesterinnen wieder auf. «Auch uns würde Erinnern guttun, insbesondere was die Rolle der Frau in der Kirche betrifft», erklärt Hauck und erwähnt ein Mosaik in einer Römer Basilika aus dem 9. Jahrhundert. Eine Figur dort war mit «Teodora Episkopa» – Bischöfin Teodora – bezeichnet.

Frieden heisst Zusammenhalt suchen

Das Haus der Religionen hat sich laut Hauck «toll entwickelt». Es ziehe Leute aus allen Kreisen der Gesellschaft an, auch Agnostiker. Mit allen müsse ein Dialog stattfinden, ist die ehemalige Präsidentin überzeugt. Eine Gesellschaft, in der die Vielfalt an Religionen und Weltanschauungen zunehme, müsse den Zusammenhalt suchen. Nur so könne der Friede aufrechterhalten werden.

Gerda Hauck im Hindu-Tempel im Haus der Religionen | © Regula Pfeifer
24. August 2017 | 12:48
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