Papst Franziskus (links) und sein emeritierter Vorgänger Benedikt XVI. im Jahr 2018.
Vatikan

Ungeklärter Status fördert Tendenzen zu Gegen-Lehramt

Seit er zurücktrat, liess Benedikt XVI. keinen Zweifel daran, dass der Papst der römischen Kirche Franziskus heisst. Gleichwohl gab es Versuche, seine Autorität gegen den Amtsträger auszuspielen. Dies wurde durch den ambivalenten Status begünstigt.

Roland Juchem

28. Februar 2013, 17.07 Uhr: Der weisse Helikopter schwebt hinter den Mauern des Vatikan hervor. Im warmen Licht der tiefstehenden Sonne dreht er eine weite Runde um die Kuppel von Sankt Peter, um dann in Richtung der Albaner Berge nach Castel Gandolfo zu entschwinden. «Ungewohnter Dienstabgang eines Papstes», kommentiert der Reporter des TV-Senders Phoenix.

Die letzte Etappe auf dieser Erde

Um 17.38 Uhr erscheint Benedikt XVI. noch einmal auf dem Balkon der Päpstlichen Residenz in Castel Gandolfo, nennt sich einen «Pilger, der nun die letzte Etappe seines Weges auf dieser Erde antritt».

Nach dem letzten Segen als Papst und einem «Dank euch allen!» dreht er sich um und geht hinein. Genau 2 Stunden und 20 Minuten später verwaist der Stuhl Petri.

Die mögliche Alternative

Der historische Tag hätte auch anders aussehen können: Gut zwei Wochen nachdem der Papst öffentlich seinen Rücktritt angekündigt hat, beginnt um 17 Uhr im Petersdom eine Vesper. Zum Abendgebet der Kirche versammelt Benedikt XVI. sich mit Kardinälen, Bischöfen, anderen Gläubigen.

Am Ende der Feier steigt er in die «Confessio» zum Grab des Apostels Petrus herab. Dort erklärt dessen 264. Nachfolger noch einmal «mit voller Freiheit, zum Wohl der Kirche auf das Amt des Bischofs von Rom, des Nachfolgers Petri, zu verzichten».

Er zieht die weisse Soutane aus.

Er legt seine Amtsinsignien ab: das Pallium, den Hirtenstab und den Fischerring, die ihm bei seiner Einführung übergeben wurden. Er zieht die weisse Soutane aus und eine schwarze über. Als Papst in die «Confessio» hinabgestiegen, kommt Benedikt XVI. als emeritierter Bischof von Rom die Stufen wieder hinauf.

Weniger Konfliktgefahr?

Das ist, wie gesagt, eine Fiktion, die nach Meinung des Kirchenrechtlers Markus Graulich, der sie 2015 in einem Artikel für das «Archiv für katholisches Kirchenrecht» entwarf, realistisch und angemessen wäre.

Hätten sich so gelegentlich aufflackernde Versuche, den «Papa emeritus» zu einer Art Gegenpapst zu Franziskus aufzubauen, verhindern lassen, sie zumindest erschwert? Benedikt XVI. und sein Umfeld entschieden sich anders.

Einwandfreier Vorgang beim Rücktritt

Die Rücktrittserklärung, die Benedikt XVI. am 10. Februar 2013 unterzeichnete und einen Tag später bei einem Konsistorium verlas, ist nach Einschätzung aller Experten einwandfrei.

Es wird zu viel improvisiert.

Für seinen Status seither gilt das weniger. Zwar regelt das Kirchenrecht, der «Codex Iuris Canonici» in Kanon 332, Paragraf 2, rein formal die Bedingungen für einen gültigen Papst-Rücktritt. Was aber danach kommt, bleibt offen. Es gebe kein festgelegtes Protokoll für den Bischof von Rom im Ruhestand, bemängeln Kritiker. Zu viel werde improvisiert, bleibe offen für Instrumentalisierung.

Benedikt XVI. bleibt bildlich Papst

So lässt sich von Benedikt XVI. nicht sprechen, ohne das Wort «Papst» zu verwenden. Jedes Handyfoto, das Besucher aus dem Alterssitz des «Papa emeritus» mitbringen, zeigt einen Mann mit weisser Soutane und Scheitelkäppchen. Dass im Unterschied zu früher nur Schulterumhang und Bauchbinde fehlen, fällt nur beim zweiten Blick auf.

Daher forderten schon bald nach Benedikts Rücktritt Historiker wie Hubert Wolf oder Kardinal Walter Brandmüller, ein emeritierter Papst müsse ins Glied der Kardinäle zurücktreten, seinen früheren Namen und klar geregelte Kleidung tragen.

Zurückgetretener Papst verliert die Kardinalswürde

Graulich widerspricht: Durch die Annahme der Papstwahl habe ein Papst die Kardinalswürde verloren. Er bleibe geweihter Bischof – nicht mehr und nicht weniger.

Als Papst Cölestin V. am 13. Dezember 1294 vor den Kardinälen seine Rücktrittserklärung verlas, legte er seine Amtskleidung ab und nahm seinen alten Namen wieder an: Pietro del Morrone. Seine Bitte, die Insignien während der Messe weiter tragen zu dürfen, hatten die Kardinäle abgelehnt.

Für künftige Rücktritte Regeln gefordert

Mancher fordert nun von Franziskus, Rechte und Pflichten eines zurückgetretenen Papstes genauer zu regeln, zumal solch ein Fall künftig häufiger eintreten werde. Orientieren könnte er sich an den Normen für emeritierte Bischöfe, die seit dem Zweiten Vaticanum entwickelt wurden.

In einer Ansprache vor Priestern zwei Wochen vor seinem Rücktritt hatte Benedikt XVI. davon gesprochen, er werde künftig «für die Welt verborgen bleiben». Dass dies keine selbst auferlegte Isolationshaft sein kann, ist klar, ebenso wenig dauerhaftes Schweigen. Aber ein «emeritierter Bischof von Rom» in schwarzer Soutane taugte wohl schlechter dazu, von Kritikern seines Nachfolgers zu einem «Gegen-Lehramt» medial aufgebauscht und verbreitet zu werden. (cic)

Papst Franziskus (links) und sein emeritierter Vorgänger Benedikt XVI. im Jahr 2018. | © KNA
20. Januar 2020 | 12:06
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