Eingang zur Vatikanbank IOR
Vatikan

Die Finanzaufsicht des Papstes verliert ihre Führung

Die vatikanische Finanzaufsicht AIF erlebt die schwerste Krise seit ihrer Gründung 2010. Im Hintergrund stehen offenbar interne Machtkämpfe. Auf dem Spiel steht der mühsam verbesserte Ruf des Vatikan.

Burkhard Jürgens

Die Krise des vatikanischen Finanzsystems tritt in ein neues Kapitel. Nachdem der Chef der Finanzaufsichtsbehörde AIF, der Schweizer René Brülhart, seinen Posten abgibt, kündigte laut Medienberichten der deutsch-französische Banker Marc Odendall an, den Leitungsrat verlassen zu wollen. Faktisch ist die Behörde führungslos. Bereits Anfang Oktober wurde ihr Direktor Tommaso Di Ruzza unter Umständen suspendiert, die auf einen Machtkampf zwischen Kurieneinrichtungen schliessen lässt.

Brülhart führte Meldesystem für verdächtige Transaktionen ein

Die «Autorita di Informazione Finanziaria» (AIF) war Ende 2010 von Papst Benedikt XVI. (2005-2013) geschaffen worden, um Geldgeschäfte im Vatikan internationalen Transparenzstandards anzupassen. 2012 wurde Brülhart engagiert – damals stand der Vatikan beim US-Aussenministerium auf einer Liste von Staaten, die wegen Verdachts auf Geldwäsche beobachtet werden.

Der Schweizer, der sich in Liechtenstein als Experte für den Kampf gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung international einen Namen gemacht hatte, brachte den Vatikan unter anderem in die Egmont-Gruppe, in der Länder weltweit Finanzinformationen austauschen. Innerhalb der vatikanischen Mauern setzte Brülhart ein Meldesystem für verdächtige Transaktionen auf und stiess eine interne Bereinigung bei der Vatikanbank IOR an – rund ein Viertel der Konten wurden geschlossen.

René Brülhart
René Brülhart

Fünf Vatikan-Mitarbeiter suspendiert

Am 1. Oktober erlitt die Finanzaufsicht jedoch einen herben Schlag. Im Zusammenhang einer verlustreichen Investition des Staatssekretariats liess die vatikanische Staatsanwaltschaft mehrere Büros durchsuchen und Beweismaterial sichern – darunter in der AIF. Durch eine undichte Stelle bei der Vatikanpolizei wurde bekannt, dass fünf Vatikanmitarbeiter suspendiert wurden, unter ihnen AIF-Direktor Tommaso Di Ruzza.

In internen Kreisen heisst es, Di Ruzza sei Opfer eines Machtkampfs der Vatikanbank und des Staatssekretariats geworden, das zwischen 2014 und 2018 einen dreistelligen Millionenbetrag mittlerer Höhe in einer Immobilienspekulation in London versenkte. Bis heute machte der Vatikan nicht publik, welche Vorwürfe gegen Di Ruzza erhoben werden.

In einem für den Vatikan ungewöhnlichen Vorgang verbreitete das Presseamt, das der Kontrolle des Staatssekretariats untersteht, am 23. Oktober eine Erklärung, in der sich die Leitung der AIF hinter Di Ruzza stellte und jegliches Fehlverhalten ihres Direktors bestritt. Seine Tätigkeiten seien «strikt institutioneller Art» und in Übereinstimmung mit den Statuten gewesen – sprich: der Mann habe nur seinen Job gemacht.

War der Führungswechsel doch nicht geplant?

Am Montag teilte das Presseamt praktisch mit einem Nebensatz die Entlassung Brülharts mit. «Mit dem Ende des Mandats des derzeitigen AIF-Präsidenten» wolle der Papst einen Nachfolger ernennen, dessen Name kommende Woche bekanntgegeben werden solle. Am 19. November 2014 wechselte Brülhart vom Direktor zum Präsidenten; die Amtszeit dauerte fünf Jahre. Die verzögerte Nennung des Nachfolgers begründete der Vatikan mit dessen augenblicklicher Verpflichtung und mit «internen Verfahren». Ein mögliches Signal, dass der Führungswechsel doch nicht so geplant war.

Am Montagabend erklärte Odendall, eines von vier Mitgliedern im Leitungsrat der Finanzaufsicht, laut Medienberichten seinen Rücktritt. Als Motiv gab er an, die AIF sei für ihn sinngemäss funktionslos geworden. Das vatikanische Presseamt liess telefonische und schriftliche Anfragen mit Bitte um Stellungnahme am Dienstag unbeantwortet.

Unbesetzte Stellen

Erst vergangene Woche ernannte der Papst den Jesuitenpater Juan Antonio Guerrero zum Nachfolger von Kardinal George Pell als Präfekt des Wirtschaftssekretariats; eines der einflussreichsten Ämter im Vatikan. Pell, inzwischen wegen sexuellen Missbrauchs von einem Gericht in seiner australischen Heimat verurteilt und vor einem Berufungsverfahren, hatte als gestandener Kardinal schwere Kämpfe in der Kurie auszufechten. Inwieweit sich der neue Finanzchef und Quereinsteiger Guerrero durchsetzen wird, steht dahin.

Der Vize-Posten im Wirtschaftssekretariat und die Stelle des Wirtschaftsprüfers im Vatikan sind weiterhin unbesetzt. Zusammen mit der Turbulenzen in der Finanzaufsicht zeigen sich die Organe, die im Vatikan über Transparenz wachen sollen, in einer schwierigen Verfassung. (cic)

Eingang zur Vatikanbank IOR | © Oliver Sittel
20. November 2019 | 11:55
Lesezeit: ca. 2 Min.
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