Schwester Andrea Fux mit Chiara Heyer in der Klosteranlage
Konstruktiv

Tolle Gesprächspartnerinnen: Was Auszeit-Frauen im Kloster Wurmsbach finden

«Auszeit für junge Menschen»: Das bietet das Kloster Mariazell Wurmsbach bei Rapperswil-Jona (SG). Die Schwestern wollen damit jungen Menschen eine wohltuende Unterbrechung ihres Alltags bieten. Und bleiben dabei à jour. Die Gast-Frauen schätzen das.

Vera Rüttimann

Das Kloster Mariazell Wurmsbach liegt idyllisch – am Strandweg zwischen Rapperswil-Jona und Schmerikon. Wer da spaziert, sieht die Zisterzienserinnen-Abtei von weitem: mehrere Klostergebäude, einem grossen Klostergarten und eine Kirche. Dazu gehören das ehemalige Mädcheninternat, ein landwirtschaftlicher Pachtbetrieb und ein Naturschutzgebiet samt Wald.

Bank beim Klosters Mariazell-Wurmsbach, am Ufer des Zürichsees.
Bank beim Klosters Mariazell-Wurmsbach, am Ufer des Zürichsees.

In dieser Kloster-Idylle können seit Oktober 2021 junge Menschen eine dreimonatige Auszeit nehmen. Die bisher 17 Teilnehmenden stammen aus Deutschland, Österreich, Italien und der Schweiz. Es sind Studierende oder Berufsleute, die sich eine Pause vom Alltag gönnen. Sie stellen sich Fragen wie: Wofür mache ich dieses Studium? Was ist mir wichtig in meinem Leben? Was ist meine Berufung?

Freie Ressourcen nach Aus der Internatsschule

Schwester Andrea Fux wieselt durch die Klostergänge. Sie hat wieder einen vollen Tag. Bei ihr laufen alle Fäden beim Projekt «Auszeit für junge Menschen» zusammen. Die frühere Schulleiterin des Mädcheninternats ist verantwortlich für die Ausschreibung, die Erstgespräche und die Arbeitseinsätze. Für Kost und Logis arbeiten die Teilnehmenden an sechs Halbtagen pro Woche für den Klosterbetrieb. Und sie leben an rund vier Wochentagen im Rhythmus des Klosteralltags – mit dessen Gebetszeiten.

Chiara Heyer in der Klosterkirche
Chiara Heyer in der Klosterkirche

Wie entstand dieses Projekt? Durch die Schliessung der Internatsschule seien Ressourcen frei geworden, erklärt Schwester Andrea Fux. Die Idee zum Auszeit-Projekt habe auf der Hand gelegen: «Wir haben schon bei den Lernenden, die jeweils zu uns für zwei Wochen kamen, gemerkt, dass sich viele mehr Zeit für sich wünschen.»

Zusammen mit Äbtissin Monika Thumm habe sie die Idee zu dieser Auszeit entwickelt. Nach einer Pilotphase von dreimal drei Monaten könne sie heute sagen:  «Das Angebot macht Sinn.» Zudem werde mit diesem Projekt eine Tradition weitergeführt: «Wir waren durch die über 170-jährige Internats-Geschichte an diesem Ort schon immer eng mit den jungen Menschen verbunden.»

Schwester Monika Thumm, Äbtissin des Klosters Mariazell-Wurmsbach, am Ufer des Zürichsees.
Schwester Monika Thumm, Äbtissin des Klosters Mariazell-Wurmsbach, am Ufer des Zürichsees.

Reinigen und aufräumen

Manuela aus Bielefeld und Johanna aus Augsburg machen hier derzeit eine Auszeit. Sie haben den Weg über eine Facebook-Anzeige gefunden. An diesem Vormittag sind sie im Klostergarten. Sie jäten Unkraut, pflanzen Sträucher und renovieren ein Bienenhaus. Von den Schwestern, denen sie im Garten zur Hand gehen, haben sie viel Wissen über Pflanzen aller Art erhalten.

Johanna in den Räumen des Klosters
Johanna in den Räumen des Klosters

Auch sonst gibt es für die Auszeit-Teilnehmenden hier viel zu tun. Mal gilt es die Kirche, die Sporthalle oder die Schwimmhalle zu reinigen. Auch die Aufräumarbeiten im ehemaligen Internatsgebäude, wo 2022 der «Talent-Campus Zürichsee» einzieht, brauchen viel Zeit.

Und da ist der gut frequentierte Klosterladen samt Online-Shop. Die Auszeit-Teilnehmenden verpacken «Friedas Mandelschnitten» oder tunken Apfelringe in Schokolade, die hier verkauft werden. Auch stellen sie Kerzen und weitere Produkte her. Immer in Zusammenarbeit mit den Schwestern und den rund 14 Mitarbeitenden des Klosters.

Manuela in den Räumen des Klosters
Manuela in den Räumen des Klosters

«Es wird gebacken, gewischt und gepflanzt.»

Auszeit-Frau Chiara Heyer

«Es wird gebacken, gewischt und gepflanzt – wirklich alles, was in einem grossen Betrieb anfällt», sagt Chiara Heyer. Auch die Hannoveranerin macht derzeit eine Auszeit hier. Die 25-Jährige hat evangelische Religionspädagogik und Soziale Arbeit studiert.

Zeit, sich zu hinterfragen

Im September 2022 wird sie ihre erste Stelle beginnen und zu fünfzig Prozent in einem Pflegeheim in der Altenseelsorge, und zu fünfzig Prozent in einem ambulanten Hospizdienst arbeiten. Diese Auszeit jetzt sei der richtige Zeitpunkt, um sich auch zu hinterfragen, ob dieses Studium richtig gewesen sei und ob der eingeschlagene Weg noch stimme.

Um das herauszufinden, sei ein Kloster ein guter Ort. Für Chiara Heyer liegt auf der Hand, was viele in Klöstern finden können: «Zeit und Ruhe, um wieder zu sich selbst zu finden. Einen rhythmisierten Tag, der ihnen dabei hilft.»

Diesen Rhythmus, strukturiert durch Gebets-, Essens und Arbeitszeiten, geniesst Chiara Heyer gerade sehr hier. Auch wenn jeweils um 5.30 Uhr bereits ihr Wecker klingelt, weil um 6.30 Uhr in der Kirche das Morgenlob mit den Schwestern ansteht.

Chiara Heyer im Klostergarten
Chiara Heyer im Klostergarten

«Dieser Rhythmus ist schnell in Fleisch und Blut übergegangen.»

Chiara Heyer

«Ich bin seit neun Wochen hier. Es ist spannend zu sehen, wie schnell dieser Rhythmus in Fleisch und Blut übergegangen ist», sagt sie. Normalerweise sei es sehr schwierig, solche Unterbrechungen in den Alltag einzubauen. «Hier ist es einfacher, weil das Kloster die Rahmenbedingungen stellt. Ich fühle mich jedoch nicht eingeengt», sagt sie. Und weiter: «Es ist gut zu wissen: Die Uhrzeiten stehen fest und jeder weiss, wo was zu tun ist.»

Schwestern als «tolle Gesprächspartnerinnen»

Einmal in der Woche gibt es für die Auszeit-Teilnehmenden einen geistlichen Impuls. Er wird von Äbtissin Monika Thumm oder Schwester Andrea Fux gestaltet. Die Teilnehmerin Chiara nimmt die Schwestern als «tolle Gesprächspartnerinnen» wahr, um «Fragen, Zweifel und Unsicherheiten loszuwerden.»

Schwester Andrea Fux im Klostergarten
Schwester Andrea Fux im Klostergarten

Sie erlebe die Ordensfrauen hier als Frauen, die nahe am Puls der Zeit leben: «Sie wissen, was die jungen Leute von heute beschäftigt. Und sie können einen theologischen Input geben, wenn sie danach gefragt werden.» Ausserdem begleitet eine Mitarbeiterin des Klosters, Daniela Scherrer, das Programm und steht bei Alltagsfragen zur Verfügung.

Kein Rückzug hinter Mauern

Sie sei nicht das erste Mal für längere Zeit in einem Kloster. «Ich habe nach dem Abitur zwei Jahre lang in Frankreich, bei Strassburg, in einer katholischen Frauenkommunität gelebt», erzählt sie. Sie habe dort schnell gemerkt: «Kloster heisst nicht, dass man sich hinter Mauern zurückzieht und die Welt hinter sich lässt und sein eigenes kleines, langweiliges Leben führt.»

Jedes Kloster sei anders. Und sei immer wieder für Überraschungen gut. Auch hier im Kloster Mariazell Wurmsbach sei sie positiv überrascht worden: «Mit was für einer Offenheit und Liebenswürdigkeit wir von den Schwestern empfangen wurden. Und welches Vertrauen uns entgegengebracht wurden, so dass wir das Leben mit ihnen teilen können. Das ist schon enorm», sagt Chiara Heyer. Beeindruckend findet sie zudem, wie selbstverständlich die Ordensfrauen die sozialen Medien in ihre Arbeit einbauen.

Chiara Heyer am See
Chiara Heyer am See

«Win-Win-Situation»

Bislang waren nur zwei Schweizerinnen bei der «Auszeit» dabei. Schwester Andrea Fux hofft, dass dieses Angebot auch hierzulande bekannt wird. «Es gibt auch hier viele junge Menschen, die gern eine Auszeit hätten zwischen Studium und Arbeitsanfang. Oder schlicht aus der Hektik des Alltages ausbrechen wollen», ist sie sich sicher. Was ist der Sinn unseres Lebens? Dieser Frage noch näher auf die Spur zu gehen, das sei das grosse Thema hier und werde nie an Relevanz verlieren. 

Klostereingang beim See
Klostereingang beim See

Schwester Andrea Fux sieht eine Win-Win-Situation für das Kloster und die Teilnehmenden: «Wir schenken den Auszeit-Teilnehmenden Zeit und Raum. Und wir haben ein offenes Ohr für ihre individuellen Anliegen. Andererseits helfen sie uns durch ihr Dasein, à jour zu bleiben bei dem, was junge Leute heute beschäftigt.» Diese Begegnungen – sei es bei spirituellen Impulsen, beim gemeinsamen, gesungenen Gebet oder bei der Arbeit und beim gemütlichen Zusammensein –, seien für die Gemeinschaft ungemein bereichernd.

Hinweis: Die nächste Auszeit im Kloster Wurmsbach Mariazell beginnt im Oktober.


Schwester Andrea Fux mit Chiara Heyer in der Klosteranlage | © Vera Rüttimann
22. Juni 2022 | 05:00
Lesezeit: ca. 5 Min.
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