Storchennest auf Kirchetum
Schweiz

Tiere müssen nicht den Zwecken des Menschen dienen

Zürich, 3.8.17 (kath.ch) «Das Tier ist nicht einfach nur ein Produkt». Davon ist Anette Forster, Mitglied des Vereins Aktion Kirche und Tiere (Akut), überzeugt. Warum sie sich für das Wohl der Tiere einsetzt und sie von der Kirche mehr Verantwortung und Engagement dafür erwartet, erklärte sie am Tiergottesdienst in der City-Kirche Zürich gegenüber kath.ch. Ein Beitrag der Sommerserie «tierisch heilig».

Vera Rüttimann

Langsam trudelt die Gemeinde zum Tiergottesdienst in der City-Kirche Zürich ein. Die Stuhlreihen füllen sich – mit Kirchgängern und ihren Tieren. Alle sind hier willkommen. Weder das Bellen noch Miauen stören hier jemanden. So speziell dies auch tönen mag. Der erste Tiergottesdienst ist das aber nicht.

Den Tieren in den Kirchen eine Stimme geben.

Am Informationstisch des Vereins Akut steht Annette Forster. Sie erinnert sich noch lebhaft an den ersten vom Verein organisierten Tiergottesdienst vor zwölf Jahren. «Da gab es ziemlichen Medienrummel. Sogar der damalige Präsident des Bauernverbandes rief bei uns an und fragte, was es mit dem Tiergottesdienst auf sich hat», erinnert sich die engagierte Tierschützerin.

Tiergottesdienst in Zürich | © AKUT Schweiz

Heute fänden immer wieder solche Gottesdienste statt und sie stellten eine Bereicherung des Kirchgemeindelebens dar. «Wichtig dabei ist, dass mitgebrachte Tiere gut sozialisiert sind und keinen Stress erleiden», fügt Forster hinzu.

Entsetzt über Christen in Frankreich

Als Annette Forster 2003 in einem Radiobeitrag erstmals von der «Aktion Kirche und Tiere» erfuhr, war sie überrascht. Damals war sie nach 10 Jahren in Frankreich in die Schweiz zurückgekehrt. Forster, für die das Tier seit ihrer Kindheit nicht einfach im Begriff «Natur» enthalten ist, sondern eine eigenständige Stellung im Ganzen hat, erlebte in Frankreich Erschütterndes: «Ich lebte in einer Gegend, wo der Kirchgang noch zum Sonntag gehört», sie hält kurz inne, bevor sie weiter erzählt. «Entsetzt aber hat mich, wie man dort als Christ stolz gewesen ist auf das Gänsestopfen und auf herzlose Jagdmethoden.»

Tiere sind nicht einfach im Begriff «Natur» enthalten.

Sie könne nicht hinsehen, wenn Tiere wie «Produkte» behandelt werden. Deshalb hat sich die Katholikin für die Gründung des Verein Akut in der Schweiz engagiert, der aus christlicher Tradition heraus die Würde des Tieres geltend machen und den Tieren in den Kirchen eine Stimme geben will.

Franz von Assisi als Vorbild

Vom Philosophen René Descartes ist aus dem 17. Jahrhundert der Satz überliefert, dass «das Tier nur eine Maschine und sein Schreien nichts anderes als das Quietschen eines Maschinenteilchens ist.» Heute sehen dies natürlich nicht nur Annette Forster und ihre Mitstreiter und Mistreiterinnen anders. Ein grosses Vorbild ist Franz von Assisi, der eine ganzheitliche Sicht auf die Schöpfung Gottes auslebte. Annette Forster: «Seine Beziehung zu Tieren war eine brüderliche und respektvolle. Nicht eine oberflächlich «herzige», die ein Lächeln zaubert und sich als Stimmungsmache eignet.»

Taube | © pixabay.com

Als Kinder des einen Gottes hätten alle Geschöpfe eine göttliche Wurzel und Würde und seien einander geschwisterlich verbunden. Eine Haltung, wie sie auch von Papst Franziskus in seiner Umweltenzyklika «Laudato Si» geteilt wird.

«Akut» meldet sich auch in Form von öffentlichen Appellen zu Wort. 2010 hatte die Plattform einen Aufruf an die Kirchen gestartet, der von über 7500 Menschen unterzeichnet wurde. Darin wurden unter anderem die Verantwortlichen der Kirchen aufgefordert, Organisationen zu unterstützen, die sich für gerechtere und friedlichere Verhältnisse zwischen Mensch und Tier einsetzen.

Klima und der Welthunger als Thema in der Kirche

Oftmals sah Annette Forster solche Appelle jedoch auch ergebnislos ins Leere laufen. Sie sagt: «Wir fühlen uns manchmal wie der einsame Rufer in der Wüste.» Dennoch ist sie überzeugt, dass all die Aktionen von «Akut» Wirkung zeigen. «Das Klima und der Welthunger sind Themen, die in den Kirchen – auch durch unsere Arbeit – inzwischen angekommen sind. Ich bin zuversichtlich, dass ebenfalls das Tier immer mehr als Individuum gesehen wird.»

Wir fühlen uns manchmal wie der einsame Rufer in der Wüste.

Bei «Akut» engagieren sich laut Annette Forster auch etliche Leute, die aus der Kirche ausgetreten sind. «Sie können nicht verstehen, dass sich die Kirchen nicht stärker gegen den Tiermissbrauch aussprechen.» Dennoch verstehe sich «Akut» klar als eine Bewegung innerhalb der Kirchen und bestehe heute vorwiegend aus Mitgliedern, Freunden und Unterstützern aus verschiedenen christlichen Kirchen.

Den eigenen Konsum überdenken

Annette Forster macht sich seit Beginn ihres Engagements bei «Akut» Gedanken, wie der Mensch heute den eigenen Lebensstil im Sinne der Ziele dieser Organisation optimieren kann. Für sie kann man dem Welthunger nur mit einer drastischen Reduktion des Fleischkonsums bis hin zur vegetarischen/veganen Ernährung entgegen wirken.

Durch die Verschwendung von Land für Tierfutter, durch die Belastung von Erde, Luft und Wasser durch Dünger, Pestizide und Gülle gefährde der Mensch alles, was lebe. «Es gibt nur einen Weg», ist sich Forster sicher. «Den Weg der Bescheidenheit. Den Weg nicht alles und sofort zur Verfügung gestellt haben zu wollen.»

Storchennest auf Kirchetum | © pixabay.com
3. August 2017 | 11:52
Lesezeit: ca. 3 Min.
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«Aktion Kirche und Tiere»

In den 1980er-Jahren wurde der Verein Aktion Kirche und Tiere in Deutschland vom evangelischen Pfarrerehepaar Christa und Michael Blanke gegründet. Die Organisation setzt sich für die Würde der Tiere in der christlichen Kirche ein. 2004 wurde der Verein auch in der Schweiz errichtet. Annette Forster führte bis vor kurzem das Sekretariat in Ennetmoos, Nidwalden. «Akut» ist eine Sektion des Schweizer Tierschutzes STS. Christoph Ammann ist der jetzige Präsident. Kooperationspartner sind unter anderem der Verein Kirche und Umwelt (Oeku) sowie das Institut für theologische Zoologie in Münster, Deutschland.

«Der plötzliche Hinschied des langjährigen Präsidenten Anton Rotzetter im Jahr 2016 hat «Akut» schwer getroffen», meint Forster betrübt. Der neue Präsident Christoph Ammann musste als Nachfolger des populären Schweizer Tierrechtlers in grosse Fusssstapfen treten. Das Sekretariat zog im Juli zudem nach Zürich. Grosse Hoffnungen, so Forster, setze die Organisation in das tierethisch-kirchliche Bündnis von verschiedenen christlichen Gruppierungen Europas. Dies sei auf Initiative von «Akut» gerade am Entstehen.

Anton Rotzetters Vermächtnis

Was bleibt von Anton Rotzetters Vermächtnis? Annette Forster hat zu seinen Lebzeiten oft miterlebt, wie seine Gebetsbücher, Vorträge und Fernsehinterviews einerseits gelobt wurden, andererseits sein Engagement für Tiere bei vielen auf Ignoranz stiess. Forster ist dankbar, dass der Kapuziner den Engagierten von «Akut» viele wertvolle Schriften hinterlassen hat, in denen er mit Weisheit und Weitblick prophetisch niedergeschrieben habe, was viele noch immer nicht erkennen können: «Tiere haben innerhalb der Schöpfung einen eigenen Stellenwert. Sie sind ein ‘Selbstzweck’ und haben nicht menschlichen Zwecken zu dienen.» (vr)