Theologin gegen jede Selektion «ausserhalb» der Frau

Zürich, 24.5.16 (kath.ch) Niemand wünscht sich ein krankes Kind – aber alle ein gesundes. Die Kernfrage sei aber, wie die Theologin Ruth Baumann Hölzle gegenüber dem «Tages-Anzeiger» (24. Mai) sagt, «was überhaupt als Krankheit oder als Behinderung qualifiziert wird» und was uns zu dieser Qualifizierung legitimiert.

Die PID (Präimplantationsdiagnostik) sei in der ursprünglichen Fassung des Bundesrates nur Paaren erlaubt gewesen, die eine schwere unheilbare Krankheit auf das Kind vererben könnten, sagt die Theologin gegenüber dem «Tages-Anzeiger». Jetzt habe das Parlament «unheilbar» gestrichen, was die Ausweitung des Selektionsgedankens zeige. «Es muss sich nun nur noch um eine «schwere Krankheit handeln». Sie bemängelt an dieser Ausweitung, dass auch Krankheiten als schwer gälten, mit denen «Menschen auch ein sehr gutes Leben führen können – so etwa mit dem Turner-Syndrom». Das ist ihrer Meinung nach moralisch nicht vertretbar.

Pränataldiagnostik vs. Präimplantationsdiagnostik

Wieso Baumann-Hölzle nicht gegen eine Pränataldiagnostik sei, jedoch gegen die PID, begründet sie mit den unterschiedlichen Situationen, in denen sich die Frau bei den jeweiligen Untersuchungen befinde. «Während der Schwangerschaft steht der Frau ein Abwehrrecht zu: sie kann entscheiden, ob sie das Kind austragen will oder nicht». Dabei wird ein Abbruch rechtlich mit der «Notlage» der Frau begründet, was auch im Falle der Pränataldiagnostik zuträfe. Bei der PID hingegen werde eine Abtreibung mit der «Lebensqualität des Kindes» begründet. Die Theologin sieht das Problem bei der PID im «Anspruchsrecht auf ein gesundes Kind», wobei die «leibliche Bezogenheit» in einer In-vitro-Befruchtung (IVF) fehle.

90 Prozent der Eltern, die während der Schwangerschaft bei ihrem Kind die Krankheit Trisomie 21 diagnostiziert bekämen, entscheiden sich für eine Abtreibung, so. Das bedeute doch, so der Tagesanzeiger, ebenso Anspruch auf ein gesundes Kind zu erheben. «Nur weil die Mehrheit etwas bereits macht, heisst das noch nicht, dass es moralisch vertretbar ist», antwortet die Theologin. «Die Frage sei zudem, was überhaupt als Krankheit oder als Behinderung qualifiziert wird». Im «Computerzeitalter» können Hunderte genetische Abweichungen gefunden werden, so Hölzle weiter. Sie fragt sich dabei, wonach die Mediziner und Paare da suchen und mit welcher Legitimation sie das tun.

«Vermeidbare» Menschen

Die Ethikerin verstehe auch, dass ein grosser Teil der PID-Gegner Behindertenorganisation betreffe. Durch eine Selektion von Embryonen werde Menschen mit Behinderung vor Augen geführt, dass sie «vermeidbar» wären. Wirklich solidarisch sei das nicht. Dass die Trisonomiefälle in den letzten Jahrzehnten trotz Pränataldiagnostik zugenommen hat, sei ebenso nicht von der fehlenden PID abhängig. Sondern von steigendem Alter der werdenden Mütter. Ebenso werden dem abstimmenden Volk Risiken für das Baby durch eine IVF vorenthalten. «Kardiologen stellen bei durch IFV gezeugten Kindern ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko fest», so die Theologin weiter. «Ich finde es sehr bedenklich, dass diese Risiken von den Fortpflanzungsmedizinern kaum thematisiert werden. Die Öffentlichkeit muss ja die Folgen von Gefässkrankheiten finanzieren». (ft)

24. Mai 2016 | 16:12
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