Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung zur Synode 72.
Schweiz

Tagung zur Synode 72: Mit einem Blick zurück in die Zukunft starten

Es war ein Treffen reformorientierter Katholikinnen und Katholiken, das mehr sein wollte als eine blosse Nostalgieveranstaltung. Die Kirche soll sich in gesellschaftlichen Fragen einbringen, noch stärker mit der Klima-Jugend zusammenarbeiten oder eine aktive Einladungskultur betreiben, hiess es etwa an der Tagung zur Synode 72.

Vera Rüttimann

Die Synode 72 war ein Prozess, der sich bis 1975 erstreckte. Er diente der Umsetzung der Impulse des Zweiten Vatikanischen Konzils. Es war, wie Felix Senn vom Verein Tagsatzung.ch in seinem Eingangsreferat betonte, «ein einzigartiger Vorgang innerhalb der traditionsgemäss strikt hierarchisch organisierten Kirche».

Felix Senn spricht an der Tagung zur Synode 72.
Felix Senn spricht an der Tagung zur Synode 72.

Senn sprach vor über hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Tagung. Eingeladen zur Veranstaltung mit dem Titel «Synode 22: Macht und Partizipation. 50 Jahre Synode 72 – Wie weiter?» hatte der Verein Tagsatzung.ch gemeinsam mit der katholischen Kirche im Kanton Zürich, vertreten durch die Paulus Akademie, und der Römisch-Katholischen Kirche im Kanton Aargau, vertreten durch die Fachstelle Bildung Propstei Wislikofen.

Über 300’000 Gläubige nahmen an Befragung teil

Der Synode 72 sei ein gut dreijähriger Vorbereitungsprozess vorausgegangen, in dem einerseits eine flächendeckende Befragung der Gläubigen gemacht worden sei, sagte Felix Senn. Etwa 330’000 Gläubige nahmen damals daran teil. Anderseits habe es ein mehrstufiges Wahlprozedere mit Urnenwahl gegeben. Die Pfarreien sollten ebenso vertreten sein wie die Vereine, Verbände, Ordensgemeinschaften und die Weltpriester.

Der St. Galler Ständerat Paul Rechsteiner (rechts) im Gespräch mit einem Tagungsteilnehmer.
Der St. Galler Ständerat Paul Rechsteiner (rechts) im Gespräch mit einem Tagungsteilnehmer.

Aus den Resultaten der Befragung ergaben sich zwölf Themenfelder, zu denen Sachkommissionen arbeiteten. «Ihre Berichte bildeten die Grundlagen für die Beratungen in den Sessionen in den Pfarreien und in der gesamtschweizerischen Synode», erläuterte Felix Senn.

«Grund genug, dass wir das heute tun!»

Seitdem sind 50 Jahre ins Land gezogen. Bemerkenswert war, dass die Initiative damals klar von oben kam. Vom Churer Bischof Johannes Vonderach und den Bischofsvikaren der Bistümer Chur, St. Gallen und Basel.

Deshalb, so Felix Senn, habe der Verein Tagsatzung.ch schon vor mehr als vier Jahren angefragt, ob die Schweizer Bischöfe eine Erinnerungsfeier oder gar eine neue Synode 22 planen, was der Verein sehr begrüsst hätte. «Wir haben aber nur eine vage und vertröstende Antwort erhalten», berichtete er. Bisher sei nichts bekannt, dass die Bischöfe das 50. Jahr-Jubiläum der Synode 72 mit einem erinnernden Akt begehen wollen. «Grund genug, dass wir das heute tun», betonte Felix Senn.

Referate und Ateliers zu relevanten Themen

Die Tagung vom Samstag wollte jedoch keine blosse Nostalgieveranstaltung sein, vielmehr zum derzeit laufenden synodalen Prozess beitragen. Keinesfalls nostalgisch rückwärtsgewandt, sondern nach vorne orientiert. Es sollte sondiert werden, welche Fragen heute vielen Leuten unter den Nägeln brennen.

Odilo Noti
Odilo Noti

Dazu gab es am Vormittag Impulsreferate mit relevanten Themen. So sprach etwa der Theologe Odilo Noti über das Themenfeld Kirche und Politik, Marie-Claire Graf, Klimastreik-Mitinitiantin, über Klima-Gerechtigkeit und der St. Galler Ständerat Paul Rechsteiner über das Stimmrecht für alle. Am Nachmittag wurde zu diesen und weiteren Themen in den Ateliers vertiefend weitergearbeitet.

Austausch auf der Terrasse der Paulus-Akademie an der «Synode 22: Macht und Partizipation. 50 Jahre Synode 72 – Wie weiter?“
Austausch auf der Terrasse der Paulus-Akademie an der «Synode 22: Macht und Partizipation. 50 Jahre Synode 72 – Wie weiter?“

Feststellungen, Forderungen, Visionen

Bei einem Abschlussplenum präsentierten Sprecherinnen und Sprecher die Ergebnisse aus den Ateliers. Dabei wurden jeweils Feststellungen und Forderungen aufgeführt. Hier Auszüge aus ausgewählten Ateliers.

Atelier Kirche und Politik, Claudia Mennen, Leitung Bildung und Propstei Wislikofen AG

Zu den Feststellungen: Die wichtigste Feststellung für unsere Gruppe ist, dass die Grundbotschaft der Synode 72 lautete: Die Kirche ist politisch. Und wenn sie es nicht ist, ist ihr Wesen verfehlt. Wichtig ist, dass wir an diesem Ziel, dass die Kirche politisch und relevant sein soll, weiter festhalten wollen.

Zu den Forderungen: Kirchliche Akteure müssen noch besser lernen, die zentralen gesellschaftlichen Fragen konkret und pointiert zu benennen. Das braucht viel Kraftkompetenz und Energie. 

Atelier Klima und Generationengerechtigkeit, Gaby Zimmermann, pensionierte Seelsorgerin, Romanshorn TG

Zu den Feststellungen: Die Zeit drängt. Wir haben nur noch acht Jahre Zeit, um uns der Klimafrage zu stellen, denn sonst werden die Katastrophen unausweichlich, die auf uns zukommen. 1972 ist der «Overshoot» passiert. Ab da braucht die menschliche Zivilisation mehr Ressourcen, als der Planet Erde regenerieren kann. Durch diese Fakten erkennt man auch, wie atemberaubend schnell die Klimakrise voranschreitet. Weiter: Es geht nicht nur darum, das Klima zu retten, sondern dass man sich um die Ärmsten, die es am meisten trifft, kümmern muss.

Gaby Zimmermann, pensionierte Seelsorgerin, an der Tagung zur Synode 72.
Gaby Zimmermann, pensionierte Seelsorgerin, an der Tagung zur Synode 72.

Zu den Forderungen: Wir wünschen uns eine geschwisterliche Welt. Zwischen Menschen und Tieren und der Natur. So wie es in «Laudato Si» steht. Gemäss Papst Franziskus gehört auch die Natur zu den bedrohten Arten. Dann: Die Kirche soll mit der Klimajugend noch enger zusammenarbeiten. Wir als Kirche haben nicht die Kraft, um allein eigene grosse politische Vorstösse zu machen. Wir müssen aber gesellschaftliche Klima-Gruppen unterstützen. Die Politik muss die Rahmenbedingungen schaffen.

Atelier Stimmrecht für alle, Simon Curau-Aepli, Präsidentin des Schweizerischen Katholischen Frauenbundes

Zu den Feststellungen: Es gibt viele Beispiele von Menschen, die den Schweizer Pass erlangt haben und die sich dann politisch hier einbringen wollen.

Zu den Forderungen: Wir wünschen uns, dass Gemeinden, die politischen wie die Kirchgemeinden, eine aktive Einladungskultur betreiben. Es geht um politische Bildung und Begleitung von Menschen, die sich politisch einbringen wollen. Dann: Es muss ein Petitionsrecht geben in unserer Kirche auf der pastoralen Ebene. Mit der Erwartung, dass man auch eine Antwort erhält, wenn man eine Eingabe macht. Weiter: Die Diversität soll in allen Ebenen der katholischen Kirche möglich sein und gelebt werden.

Simone Curau-Aepli beim Abschlussplenum und den Präsentationen der Ergebnisse aus den Ateliers
Simone Curau-Aepli beim Abschlussplenum und den Präsentationen der Ergebnisse aus den Ateliers

Atelier Sakramententheologie, Felix Senn. Verein Tagsatzung.ch

Zu den Feststellungen: Man kann die Kirche an die Wand fahren, wenn die Messe herunter gelesen statt gefeiert wird.

Zu den Forderungen: Wir wünschen uns eine konsequent geschlechter-gerechte Kirche. Weiter: Wir brauchen mutige und authentische Seelsorger. Weiter: In der Liturgie soll die Sprache angepasst werden. Das Wort Laie beispielsweise darf nicht mehr gebraucht werden, weil dieses Wort heute für Inkompetenz steht.

Teilnehmerinnen und Teilnehmer in einem Atelier.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer in einem Atelier.

Schlussdokument angekündigt

Im Nachgang zu dieser Tagung soll aus den Reflexionen und Ergebnissen ein Schlussdokument entstehen, dass die Impulse, Anregungen und Forderung dokumentiert. Felix Senn sagte: «Das Dokument soll dann der kirchlichen Öffentlichkeit, den Bischöfen und Kirchenleitungen zur Weiterarbeit übergeben werden.» Die «Synode 22» soll mit dieser Tagung nicht zu ihrem Abschluss kommen.


Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung zur Synode 72. | © Vera Rüttimann
12. Juni 2022 | 16:40
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