Synode 72 in Bern: Es wird über Frauenordination, Laienpredigt und Empfängnisverhütung diskutiert.
Schweiz

Die Synode 72 hat die Schweizer Katholikinnen und Katholiken mobilisiert

50 Jahre sind vergangen, doch die Erinnerung bleibt lebendig. Die Synode 72, die von 1972 bis 1975 tagte, löste in der katholischen Kirche der Schweiz eine echte Begeisterung aus. Ein Rückblick auf eine breite Bewegung.

Bernard Litzler, für cath.ch / Adaption: Barbara Ludwig

«Die diözesane Synode – für manche ein Risiko und ein Abenteuer – war eine Gnade.» Dies schreibt Pierre Mamie, Bischof von Lausanne, Genf und Freiburg, im Vorwort eines Dokuments zur Synode in seinem Bistum, das nach drei Jahren intensiver Arbeit verfasst wurde.

Die Beschlüsse des Konzils umsetzen: So lautet die Aufgabe der Synode 72. Im Verlaufe von drei Jahren finden sieben Sessionen in der Schweiz statt. Aber die Schweiz ist nicht als einziges Land auf diesem Weg: Nach 1965 werden die Konzilsbeschlüsse in mehreren Ländern umgesetzt.

Basel, Chur und St. Gallen gehen voran

Die Konsultationen und Debatten geschehen auf Ebene der Diözesen, so in Österreich, Jugoslawien und in der DDR, oder auf Länderebene, dies in Luxemburg, Dänemark, den Niederlanden und in der Bundesrepublik Deutschland. In der Schweiz kombiniert man beides: Zunächst finden Sessionen auf Ebene der einzelnen Bistümer statt, darauf folgt eine nationale Synodenversammlung.

André Kolly präsidiert den Vorstand des Katholischen Medienzentrums in Lausanne, Cath-Info. Er war damals Pressesprecher der Synode des Bistums Lausanne, Genf und Freiburg. Kolly erinnert sich: «Die Generalvikare von Basel, Chur und St. Gallen haben die Idee einer Synode in der Schweiz angeregt. Und sie wollten, dass die übrigen Diözesen mitmachten.»

Imposanter Rücklauf von Fragebogen

Der Bischof von Lausanne, Genf und Freiburg, François Charrière, war zunächst skeptisch. «Er hat Abbé Albert Menoud, Philosophieprofessor im Kollegium St. Michael, zu einer nationalen Koordinationssitzung in Olten geschickt. Abbé Menoud kam total begeistert zurück!» Der Zug nahm Fahrt auf.

Am 10. März 1969 gab die Schweizer Bischofskonferenz (SBK) offiziell bekannt, dass die Synode für alle Katholikinnen und Katholiken des Landes stattfinden sollte. Man begann mit Umfragen unter den Gläubigen. Die Zahl der Antworten ist beeindruckend: 335’638 Fragebogen werden an die SBK retourniert sowie 10’413 Briefe. «Aus dieser ersten Sammlung ergaben sich 300 Diskussionsthemen. Sie wurden in zwölf Kapiteln zusammengefasst, die von nationalen Kommissionen bearbeitet wurden», sagt André Kolly.

Laien stellen die Hälfte der Synodalen

In einer zweiten Phase werden die Synodalen bestimmt. «Das Engagement von Laien hat bis in den Vatikan hinein für Aufsehen gesorgt. Der Heilige Stuhl hat akzeptiert, dass die Laien 50 Prozent stellen, während die andere Hälfte der Sitze Priestern, Ordensmännern und Ordensfrauen zustehen sollte», sagt Kolly.

In der Diözese Lausanne, Genf und Freiburg zählt die Synodalversammlung 180 Personen. Der Gruppe der Laien gehören mindestens ein Drittel junge Katholikinnen und Katholiken zwischen 16 und 25 Jahren an, ein Drittel besteht aus Kirchenmitgliedern mit einem ausländischem Pass und ein Drittel sind Frauen. Ein entscheidender Durchbruch in einem Land, das erst vor kurzem das Frauenstimmrecht eingeführt hat.

Lebhafte Diskussionen

Am 6. und 7. Mai 1972 tritt die Synode mit zwei Wahlen in ihre aktive Phase. Zunächst werden Gläubige aus den Pfarreien gewählt. Diese wählen ihrerseits die rund 500 Laien-Synodalen, die an den Synodalversammlungen der sechs Bistümer und der Abtei Saint-Maurice teilnehmen werden.

Dann beginnen die Diskussionen in den Synoden: Sie sind ernsthaft, leidenschaftlich und oft lebhaft. Die starke Beteiligung von Menschen aus der Zivilgesellschaft, von Persönlichkeiten aus den kirchlichen Bewegungen und von Angehörigen anderer christlicher Konfessionen verleiht den Diskussionen eine besondere Würze. «Die Bischöfe wurden mit Debatten konfrontiert, auf die sie nicht immer vorbereitet waren. Der Reichtum der Synode zeigte sich darin, dass sie zum Beispiel Begegnungen zwischen einem Arbeitgeber und einem Gewerkschafter ermöglichten, die miteinander den Glauben teilten», betont André Kolly.

Fastenopfer engagiert sich

«Die Laien haben das Wort ergriffen, so wie man einst die Bastille erobert hat», wird Abbé Albert Menoud kommentieren, der sich sehr im synodalen Prozess engagiert. Das Hilfswerk Fastenopfer veröffentlicht eine zweisprachige Broschüre. Der Titel der französischsprachigen Version lautet «Expression libre», die deutsche Fassung trägt den Titel «Sehr geehrter Herr Bischof». Mit dem Heft will es die Bischöfe ansprechen.

Die zwölf Themengebiete der Synode werden mit Zeugnissen und offiziellen Texten in der Broschüre dargestellt. Unter den Themen finden sich unter anderem: die Verkündigung des Glaubens, Ehe und Familie, Kirche und Politik, Arbeitswelt und Wirtschaft.

Prozess verstärkt Gemeinschaft

Die breite Debatte sorgt zwar für einige Überraschungen, schweisst aber auch die Schweizer Katholiken zusammen. Das weitere Verfahren trägt ebenfalls dazu bei: Um die Ergebnisse zu koordinieren, werden die diözesanen Versammlungen von kurzen nationalen Treffen unterbrochen. «Denn gewisse Entscheidungen mussten auf diözesaner Ebene gefällt werden, während andere Themen alle Schweizer Katholikinnen und Katholiken betrafen», sagt der ehemalige Pressesprecher. Ein Beispiel: das Saisonnier-Statut, die eucharistische Gastfreundschaft oder die Einrichtung eines ständigen Diakonats.

Auswirkung auf die Ökumene

Auch die Auswirkungen auf den Dialog zwischen den Kirchen sind positiv. Die Präsenz von Vertreterinnen und Vertretern der reformierten, christ-katholischen und orthodoxen Kirchen beleben die Beziehungen. Die gegenseitige Anerkennung der Sakramente – etwa die Taufe – nimmt zu.

Schliesslich publiziert jedes Bistum die Ergebnisse seiner synodalen Konsultation. Die behandelten Themen werden so zusammengefasst, dass man die Debatten nachvollziehen kann. Die Dokumente zeugen noch heute von der Bedeutung eines Prozesses, der die katholische Kirche in der Schweiz massgeblich geprägt hat, auch wenn die Bistümer vor und nach der Synode 72 zum Teil sehr unterschiedliche Wege gegangen sind.


Synode 72 in Bern: Es wird über Frauenordination, Laienpredigt und Empfängnisverhütung diskutiert. | © zVg Archives André Kolly
27. April 2022 | 16:51
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