Reicht er bis Prag? Roter Teppich an der synodalen Versammlung in Einsiedeln, Mai 2022
Schweiz

Synodale Inputs für Prag: mehr Jugend, mehr Queerness, mehr Inklusion – und weniger Illusion

Im Februar ist das europäische Synoden-Treffen in Prag. Vor Ort nimmt eine vierköpfige Delegation teil. Und online lassen sich zehn Menschen aus der Schweiz zuschalten. Was motiviert sie? Für welche Anliegen möchten sie kämpfen? Antworten von Valentina Anzini, Mentari Baumann, Renata Asal-Steger und Simon Spengler.

Valentina Anzini: «Junge Menschen müssen miteinbezogen werden»

Valentina Anzini, Online-Delegierte in Prag
Valentina Anzini, Online-Delegierte in Prag

«Eines meiner Hauptanliegen betrifft die Jugendlichen. Die Stimme junger Menschen muss gehört werden. Sie müssen miteinbezogen werden. Es ist zwar viel getan worden – ich denke an die Jugendsynode von 2018. Aber es gibt immer noch viel zu tun, das wird auch im Arbeitsdokument für die kontinentale Etappe deutlich. Oft werden junge Menschen in der Kirche nicht gehört oder erhalten keinen Platz in Entscheidungsprozessen.

Jugendliche fühlen sich vorverurteilt

Während der synodalen Arbeit auf diözesaner Ebene hatte ich die Möglichkeit, mit verschiedenen Gruppen Jugendlicher, darunter auch sehr junge Menschen, an dem Fragebogen zu arbeiten. Dabei trat der Aspekt stark hervor: Sie fühlen sich von der Kirche vorverurteilt, nicht gehört und nicht miteinbezogen. Was passiert, wenn man sich ungehört, unwillkommen und verurteilt fühlt? Man leidet. Manchmal kann es auch passieren, dass man sich abwendet von dem, was einem so fühlen lässt. Da die jungen Menschen die Zukunft der Kirche sind, darf das nicht passieren. Deshalb finde ich, dass es wichtig ist, einen Schwerpunkt auf die Jugendlichen zu setzen, damit sie stärker einbezogen und angehört werden. Denn in einer synodalen Kirche sind sie und wir auch Weggefährten.»

Die Tessinerin Valentina Anzini ist Koordinatorin der Jugendpastoral des Bistums Lugano. Sie unterrichtet katholische Religion an einer Schule, arbeitet als Katechetin und leitet – mit drei weiteren Personen – eine Jugendgruppe in der Pfarrei Locarno. Sie wurde 1993 in Locarno geboren und hat in Lugano und Freiburg Theologie studiert. Aktuell schliesst sie das Studium in Biblischer Theologie in Lugano ab. Sie ist Vizepräsidentin des Studentenausschusses der Theologischen Fakultät in Lugano.

Mentari Baumann: «Mir ist wichtig, die queere Perspektive einzubringen»

Mentari Baumann
Mentari Baumann

«Ich nehme als Geschäftsführerin der Allianz Gleichwürdig Katholisch (AGK) teil und werde unsere Vision von #GleicheWürdeGleicheRechte in der katholischen Kirche vertreten.

Die AGK identifiziert drei zentrale Spannungsfelder im Arbeitsdokument des synodalen Prozesses: Klima/Bewahrung der Schöpfung, die Frauenfrage und die Überwindung des Klerikalismus. Diese Spannungsfelder müssen zwingend intersektional behandelt werden. Ohne dass Frauen und Minoritätsgruppen gleichberechtigte Mitsprache-, Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten haben, ist die Auseinandersetzung mit den im Arbeitsdokument aufgeführten Inhalten nicht glaubwürdig.

Anliegen der Regenbogen-Katholiken

Als lesbische Katholikin ist es mir auch wichtig, die queere Perspektive einzubringen. Das Global Network auf Rainbow Catholics und das European Forum of LGBT Christians haben im Rahmen des synodalen Prozesses Mindestvoraussetzungen für einen echten Dialog formuliert, die ich mitbringen werde.

Wie bei den oben genannten Themen, ist es auch hier sehr wichtig, dass Menschen nicht objektiviert werden; sie müssen gleichberechtigt Teil der Diskussion sein.»

Die Bernerin ist Geschäftsführerin der Allianz Gleichwürdig Katholisch und Aktivistin. Sie war Präsidentin der Zürcher «Pride». Sie hat schweizerisch-indonesische Wurzeln. Die Betriebsökonomin ist aktuell Masterstudentin in Religion, Wirtschaft und Politik. Sie ist mit einer Frau verheiratet.

Renata Asal-Steger: «Gleiche Würde und gleiche Rechte gehören zusammen»

RKZ-Präsidentin Renata Asal-Steger an der nationalen synodalen Versammlung in Einsiedeln.
RKZ-Präsidentin Renata Asal-Steger an der nationalen synodalen Versammlung in Einsiedeln.

«’Mach den Raum deines Zeltes weit’ (Jes 54,2) – der Appell des Propheten Jesaja drückt bildhaft und eindrücklich aus, dass Kirche als weites Zelt sowohl für viele Menschen offen als auch beweglich bleiben muss. Nur so ist die Gemeinschaft glaubwürdig und lebendig.

Mir sind alle drei Hauptthemen, die in diesem römischen Arbeitsdokument formuliert sind, ein persönliches Anliegen: Inklusion, Frauen und Synodalität. Ich stehe ein für eine Kirche, die Menschen nicht ausgrenzt, sondern sie willkommen heisst. Dieser Einsatz für eine einladende Kirche ist gefordert, weil wir in der Taufe die gleiche Würde empfangen haben. Gleiche Würde und gleiche Rechte gehören zusammen. So erachte ich die Teilhabe aller Getauften, insbesondere der Frauen, als wegweisende Herausforderung.

Zentral ist für mich ebenso die Inklusion von LGBTQIA+Menschen und wiederverheirateten Geschiedenen, die Überwindung des Klerikalismus sowie die Bewahrung der uns anvertrauten Schöpfung. Hier gilt es, den Raum des Kirchenzeltes massgeblich zu weiten. 

Handeln – nicht nur zuhören

Entscheidend ist für mich zudem, dass der synodale Prozess sich nicht zufriedengibt mit dem «Aufeinander hören». Zuhören ist wichtig, aber Zuhören allein reicht bei weitem nicht aus. Die katholische Kirche muss handeln. Es ist höchste Zeit, dass jene Fragen, die den Menschen von heute am Herzen liegen, ernst genommen werden. Es braucht eine spürbare Erneuerung, es braucht ein mutiges und furchtloses Vorwärtsgehen – damit die frohe und befreiende Botschaft des Evangeliums erfahrbar wird. Dafür werde ich mich beharrlich und beherzt einsetzen.»

Die Luzernerin ist Präsidentin der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ) und Synodalrätin der römisch-katholischen Landeskirche des Kantons Luzern. Sie gehört der Kommission Genugtuung für Opfer von verjährten sexuellen Übergriffen im kirchlichen Umfeld an. Sie präsidiert den Verein kirchliche Gassenarbeit Luzern und ist Stiftungsrätin von Fastenaktion. Die ausgebildete Heilpädagogin und Fürsprecherin (Rechtsanwältin) ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne.

Simon Spengler: «Den grossen Wurf zu erwarten, wäre naiv»

Nimmt kein Blatt vor den Mund: Simon Spengler war früher bei der SBK tätig.
Nimmt kein Blatt vor den Mund: Simon Spengler war früher bei der SBK tätig.

«Wer zu viel erwartet, kann tief enttäuscht werden. Wer nichts erwartet, muss sich gar nicht erst bewegen. Meine persönliche Erwartungshaltung zur europäischen Versammlung pendelt zwischen diesen beiden Stimmungslagen. Ich kann nur hoffen, dass die Anliegen, die in den verschiedenen europäischen Ländern von den Gläubigen formuliert wurden – und die sind ja überall ähnlich –, tatsächlich auch in Prag laut und deutlich zu hören sind.

Den grossen Wurf zu erwarten, wäre naiv. Papst Franziskus hat mehrfach gezeigt, dass er zwar Reformen anstossen will, aber die Umsetzung seinen Nachfolgern überlässt. Bezüglich des aus meiner Sicht zentralen Problems hat Franziskus sogar mehrfach sein Nein bekräftigt: nämlich die fortgesetzte Diskriminierung der Frauen durch den Ausschluss von allen Weiheämtern. Und ohne dass sich hier etwas grundsätzlich ändert, bleibt alles andere nur hilfloses Flickwerk.

Billige Ablenkungsmanöver

Das Schlimmste, was aus meiner Sicht passieren könnte, wäre das Hochjubeln von Flickwerk zu angeblich echten Reformen. Viri probati, ein ›eigenes Diakonat’ für Frauen oder der eine oder andere Posten für Laien in der Vatikanverwaltung sind nur billige Ablenkungsmanöver und verschärfen das eigentliche Problem.

Ich beteilige mich an dem Vorhaben ohne Illusionen, aber nicht ohne Hoffnung. Überraschungen sind immer möglich. Für mich ist es schon eine Überraschung, dass ich überhaupt angefragt wurde mitzuwirken. Zu Beginn des Prozesses wurden ja alle, die das Etikett Landeskirche tragen, strikt aussen vorgehalten. Vielleicht darf in Prag sogar der Heilige Geist kurz mal rein.»

Simon Spengler leitet die Kommunikation der katholischen Kirche im Kanton Zürich. Einst wollte er Zisterzienser werden, entschied sich aber für den Boulevard-Journalismus. Er war zwischenzeitlich Sprecher der Schweizer Bischofskonferenz.

Insgesamt nehmen zehn Menschen virtuell am europäischen Synoden-Treffen in Prag teil. Die Stimmen der anderen Teilnehmenden veröffentlichen wir im Januar. (rp)

Reicht er bis Prag? Roter Teppich an der synodalen Versammlung in Einsiedeln, Mai 2022 | © Christian Merz
29. Dezember 2022 | 17:30
Lesezeit: ca. 5 Min.
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