Elke Larcher vor der "Seelenapotheke", der Stiftsbibliothek
Porträt

Südtirol, Südkorea – und jetzt St. Gallen: Elke Larcher spürt in Klöstern «eine grosse Freiheit»

Das Schweizerische und das Benediktinische: Beides kennt die Südtirolerin seit Kindheit. Nun leitet Elke Larcher den Museumsbetrieb des Stiftsbezirk in St. Gallen. Das Klosterleben hat sie in St. Johann in Müstair kennen gelernt. Nun will sie die Regel des Heiligen Benedikt anwenden.

Regula Pfeifer

Von einem Kloster zu einem ehemaligen Kloster. Von einem Weltkulturerbe zum anderen: Der Schritt, den Elke Larcher eben gemacht hat, scheint nicht allzu gross. Und doch steckt da einiges an Überlegungen drin, wie beim Gespräch in ihrem Büro klar wird.

Alte christliche Wirkstätten

«Die beiden Orte haben mehrere Parallelen», sagt Elke Larcher. «Beide sind sehr alte christliche Wirkstätten. Und beide sind vom benediktinischen Geist stark geprägt.» Für die Slawistin, Anglistin und Kommunikationsfachfrau ist klar: «Das Benediktinische ist prägend für unsere abendländische Kultur.»

Elke Larchner in ihrem Büro, das sie schön einrichten will.
Elke Larchner in ihrem Büro, das sie schön einrichten will.

Kontakte zu Schweizer Mönchen

Das hat sie selbst erlebt. Elke Larcher wuchs in der Nähe des Benediktinerklosters Muri-Gries in Bozen, Südtirol, auf. Sie wurde von einem Schweizer Pater auf die Erstkommunion vorbereitet. Und sie sang im Stiftspfarrchor von Muri-Gries – ebenfalls unter der Leitung eines Schweizer Paters.

Ihr früher Kontakt zu einem Benediktinerkloster hat sie geprägt. Dessen wurde sie sich erst bewusst, als sie 2007 im Kloster St. Johann im bündnerischen Müstair zu arbeiten begann – als Museumsdirektorin und Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit. Zuvor hatte sie in Innsbruck Slawistik und Anglistik studiert und sich zur Kommunikationsfachfrau ausgebildet, dann als Lehrerin und in Unternehmen gearbeitet – teilweise gar in Russland.

Elke Larcher (links) an der Klosternacht 2015 in Müstair.
Elke Larcher (links) an der Klosternacht 2015 in Müstair.

Eine Woche mit Nonnen gelebt

In Müstair wollte sie zu Beginn erst erfahren, wie sich ein Leben als Nonne anfühlt. Sie meldete sich ab von ihrer Umwelt und lebte eine Woche lang im Rhythmus des «ora et labora et lege». «Ich wollte wissen: Was macht das mit mir? Wie fühlt es sich an, in einer Gemeinschaft zu leben, die nach einer über 1500 Jahre alten Regel lebt?», sagt Elke Larcher. Nach einer Woche stellte sie überrascht fest: «Ich fühlte eine grosse Freiheit.»

Elke Larcher ist sich bewusst: Diese Erfahrung erscheint «paradox». Ausgerechnet in einem geschlossenen Frauenkloster hatte sie sich innerlich frei gefühlt.

Das hänge wohl mit dem vorgegebenen geregelten Rhythmus zusammen, der aus dem Wechsel von Gebet, Arbeit, Lesung, aber auch Erholung und Meditation besteht. «Ich musste nicht viel überlegen», sagt Larcher. «Wenn die Glocke läutet, heisst das: alles liegenlassen und zum Gebet gehen. So steht es in der Regel des Heiligen Benedikt.»

Kloster St. Johann, Müstair
Kloster St. Johann, Müstair

Das 20-minütige Stundengebet mit dem meditativen Psalmensingen habe ihr geholfen, zur Ruhe zu kommen. Elke Larcher ist leidenschaftliche Sängerin, in Müstair sang sie in einem Vokalensemble mit. Möglicherweise hat sie deshalb das Psalmensingen so positiv erlebt. «Ab und zu kam mir beim Stundengebet unverhofft die Lösung für ein Problem in den Sinn», erzählt sie weiter.

Kleider- und Menüfrage gelöst

Im Kloster tauchten viele Alltagsfragen gar nicht auf, die eine Frau beschäftigen, die Beruf und Familie vereinbaren will, sagt Larcher. Die Kleiderfrage sei durch den Habit beantwortet, die Menüfrage an die zuständige Köchin delegiert. «Dadurch wird Energie frei für wichtige Dinge», sagt Larcher.

Trotz der Faszination: Einen Eintritt ins Kloster hat sich Elke Larcher nie überlegt. «Ein solcher Entscheid muss von innen kommen – und sich über mehrere Jahre festigen, es ist eine Berufung.» Sie selbst kam mit ihrem Mann nach Müstair, dort heirateten sie, dort kam ihre gemeinsame Tochter zur Welt.

Elke Larcher vor dem Kloster St. Johann Müstair, April 2022
Elke Larcher vor dem Kloster St. Johann Müstair, April 2022

«Müstair ist zu meiner zweiten Heimat geworden», sagt Elke Larcher. 15 Lebensjahre hat sie in jenem Bündner Bergdorf verbracht, viel dabei erlebt. Mit den Müstairer Klosterfrauen, ihrem früheren Mitarbeitenden-Team und dem Tal möchte sie in Kontakt bleiben.

Im Juni hat sie als Pendlerin im Stiftsbezirk zu arbeiten angefangen. Inzwischen ist sie mit Familie in St. Gallen wohnhaft.

Familie zieht mit

Den Wechsel nach St. Gallen sieht sie als «Herausforderung, die uns bereichert». Das meint sie mit Blick auf ihre Familie. Für ihre neue Aufgabe hat sie eine Vision. Der Stiftsbezirk St. Gallen mit seiner kulturellen Bedeutung soll sich in den St. Gallerinnen und St. Gallern verankern. Sie dürfen auch etwas stolz sein auf ihr Weltkulturerbe, findet die Südtirolerin. So könne das kulturelle Erbe auch weiter ausstrahlen auf den Kanton, die Schweiz und die Welt.

Elke Larchner vor der "Seelenapotheke", der Stiftsbibliothek
Elke Larchner vor der "Seelenapotheke", der Stiftsbibliothek

Der Stiftsbezirk St. Gallen ist seit 1983 Erbe der Menschheit. Larcher spürt, dass die Mitarbeitenden sich engagiert für das kulturelle Erbe einsetzen und freut sich, Teil dieses Teams sein zu dürfen. «Es ist ein Geschenk, für ein solch wichtiges kulturelles Erbe arbeiten zu dürfen.»

Elke Larcher ist vor allem für die Vermittlung und Vermarktung des Museumsbetriebes zuständig – Museumsshop inklusive. Mit dem Kulturdekret, das die St. Galler Kantonalkirche sich per 2023 gibt, hat sie nur am Rand zu tun. Die Erfassung der Kulturgüter geschehe durch das Wissenschaftsteam des Stiftsbezirks, sagt Elke Larcher.

Elke Larcher im Museumsshop hält ein Buch mit dem St. Galler Klosterplan drin.
Elke Larcher im Museumsshop hält ein Buch mit dem St. Galler Klosterplan drin.

In ihrer Leitungsfunktion greift sie auf die Regel des Heiligen Benedikt zurück, die sie in Müstair ausgiebig studiert hat. Da heisse es für den Abt: Er müsse erst gut zuhören – auch den Letztgekommenen –, bevor er entscheide. Und Führen sei immer auch Dienen. Das versucht sie umzusetzen.

Als Südtirolerin sei sie sehr katholisch geprägt, sagt Elke Larcher. Gleichzeitig bezeichnet sie sich als «sehr offen». «Die Religionen sind sich ähnlich», meint sie. Das hat sie 2007 im buddhistischen Kloster Haein-sa in Südkorea erfahren, einem Weltkulturerbe wie das Kloster in Müstair und der Stiftsbezirk St. Gallen. Dort seien die Gebete und der respektvolle Umgang miteinander ebenso verankert wie in der hiesigen christlichen Kultur.

Der Eingang zum Büro von Elke Larchner liegt gleich rechts neben dem Klosterbistro.
Der Eingang zum Büro von Elke Larchner liegt gleich rechts neben dem Klosterbistro.

«Ich spüre hier eine geballte Kraft.»

Sie selbst ist begeistert, im St. Galler Stiftsbezirk mitwirken zu können, einem «bedeutenden spirituellen Zentrum», wie sie sagt. «Ich spüre hier eine geballte Kraft. Das Kloster St.Gallen wurde nicht umsonst genau an diesem Ort erbaut.»

Jeden Morgen erfreut sich Elke Larcher (Schatten) an diesem Blick durchs Tor auf die Kathedrale.
Jeden Morgen erfreut sich Elke Larcher (Schatten) an diesem Blick durchs Tor auf die Kathedrale.

Jeden Morgen, wenn sie von Osten her durch das Karlstor tritt und den schmalen Durchgang beim Regierungsgebäude passiert, ist sie überwältigt. Sie blickt direkt auf die von der Morgensonne erhellte Kathedrale: «Das ist mein morgendlicher Willkommensgruss im Unesco-Welterbe von St. Gallen.»


Elke Larcher vor der «Seelenapotheke», der Stiftsbibliothek | © Regula Pfeifer
30. August 2022 | 05:00
Lesezeit: ca. 4 Min.
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