Der Leichnam des emeritierten Papstes Benedikt XVI.. in der Hauskapelle des früheren Klosters 'Mater Ecclesiae' im Vatikan.
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Streit um «Letzte Worte» – von Papst Benedikt bis Goethe

Mal amüsant, mal trotzig, mal fromm, ängstlich oder kaltblütig: Letzte Worte grosser Persönlichkeiten haben schon immer grosses Interesse geweckt. Dabei ist Vorsicht geboten. Oft sind sie Teil der Legendenbildung.

Christoph Arens

Kaum ist der emeritierte Papst Benedikt XVI. tot, gibt es Spekulationen über seine letzten Worte. Laut dem Portal Vatican News bestätigte sein langjährige Privatsekretär Georg Gänswein, dass Benedikt XVI. sechs Stunden vor seinem Tod auf Italienisch «Signore ti amo» (Herr, ich liebe Dich) gesagt haben soll. Am Sterbetag hatte eine Papst Franziskus nahe stehende argentinische Journalistin berichtet, Benedikt XVI. habe auf Deutsch die letzten Worte «Jesus, ich liebe dich» gesagt.

Papst Johannes Paul II. trifft bei seinem Besuch in Liechtenstein Bischof Johannes Vonderach (8. September 1985 in Vaduz).
Papst Johannes Paul II. trifft bei seinem Besuch in Liechtenstein Bischof Johannes Vonderach (8. September 1985 in Vaduz).

Schon bei Benedikts Vorgänger Johannes Paul II. gab es unterschiedliche Versionen. «Ich bin froh, seid ihr es auch», seien seine letzten Worte gewesen, hiess es zunächst 2005. Bis dann der Vatikan wenig später in einem Protokoll über das Sterben des Pontifex mitteilte, dass der Papst auf Polnisch «Lasst mich in das Haus des Vaters gehen» gesagt habe.

Grauzone zwischen Wirklichkeit und Legende

Jahrhundertelang waren «Letzte Worte» Teil der Sterbekultur. «Die Angehörigen erwarteten geradezu, dass Sterbende ein Abschiedswort hinterliessen», hat der Literaturhistoriker Werner Fuld in seinem «Lexikon der letzten Worte» geschrieben. Gerade weil die Sterbenden an der Schwelle in eine andere Welt standen, habe man sich von ihnen einen Blick ins Unbekannte oder eine unverstellte Lebensbilanz versprochen.

Gerade wegen dieser vermeintlich hohen Bedeutung wogte über viele letzte Worte ein Kulturkampf: Kirchenkreise behaupteten etwa, dass kritische Geister wie Casanova oder Rousseau auf dem Totenbett um Gottes Gnade gefleht hätten. Literaturexperten und Historiker raten deshalb zu Misstrauen: «Letzte Worte» seien oft ein Teil der Mythenbildung – und damit angesiedelt in der Grauzone zwischen Wirklichkeit und Legende.

Goethe soll Nachttopf verlangt haben

Nicht immer fanden bedeutende Geister in der Todesstunde angemessene Worte. So geschehen bei Goethe, dem ein bedeutungsvolles «Mehr Licht» untergeschoben wurde. In Wirklichkeit soll der Dichterfürst seine Schwiegertochter aufgefordert haben: «Frauenzimmerchen, gib mir Dein Pfötchen.» Noch enttäuschender klingt, worauf Goethes Diener Krause beharrte: «Es ist wahr, dass er meinen Namen zuletzt gesagt hat…er verlangte den Nachttopf.»

Der junge Johann Wolfgang von Goethe, 1779, Ölbild von Georg Oswald May
Der junge Johann Wolfgang von Goethe, 1779, Ölbild von Georg Oswald May

Auch der amerikanische Dichter Walt Whitman ist dafür ein gutes Beispiel: Jahrelang legte er sich eine geeignete Äusserung zurecht. Als sie ihm im entscheidenden Moment nicht mehr einfiel, starb er mit dem allzu irdischen Wort «Scheisse» auf den Lippen.

Letzte Worte zeugen vom Charakter des Sterbenden

Dennoch: In solchen – wahren oder erfundenen – Sterbensworten spiegle sich oft der ganze Charakter eines Menschen, schreibt Fuld. Beispielsweise der lebenssatte französische Revolutionär Georges Danton, der seinen Scharfrichter 1794 unter der Guillotine beauftragte: «Zeige den Leuten meinen Kopf – er ist es wert, dass sie ihn sehen.»

Konrad Adenauer. Erster deutscher Bundeskanzler
Konrad Adenauer. Erster deutscher Bundeskanzler

Erstaunt registriert Fuld, dass nur ganz wenige «Letzte Worte» vom Schrecken des Todes berichten. «Schade, schade, zu spät» soll Ludwig van Beethoven 1827 auf dem Sterbebett geflüstert haben. Typisch auch Adenauers tröstliche Aussage «Do jitt et nix zo kriesche» (Da gibt es nichts zu weinen), oder, wie Bert Brecht 1956 trotzig erklärte: «Lasst mich in Ruhe».

«Gott wird mir verzeihen; es ist sein Beruf.»

So mancher bezog den lieben Gott in seine letzte Botschaft ein: Sei es so selbstbewusst wie US-Präsident Dwight D. Eisenhower, der 1969 mit den Worten «Ich will gehen. Gott erwartet mich» die Augen schloss. Sei es so berechnend wie Heinrich Heine, der 1856 meinte: «Gott wird mir verzeihen; es ist sein Beruf.» Oder so kaltblütig wie Marlene Dietrich, die 1992 einen Priester mit den Worten aus der Wohnung schmiss: «Was soll ich mit Ihnen reden? Ich habe demnächst einen Termin mit Ihrem Boss.» Frommer formulierte das der Hitler-Gegner und Widerständler Alfred Delp vor seiner Hinrichtung am 2. Februar 1945: «Herr Pfarrer, in wenigen Minuten werde ich mehr wissen als Sie.»

Jesu letzte Worte

Wie schwer «Letzte Worte» zu verifizieren sind, zeigt sich schon in der Bibel. Laut Matthäus- und Markus-Evangelium ist Jesus mit den verzweifelten Worten «Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen» gestorben. Lukas dagegen legt dem Sterbenden die vertrauensvollen Worte «Vater, in Deine Hände lege ich meinen Geist» in den Mund. Und bei Johannes heisst es kurz: «Es ist vollbracht.» (kna)


Der Leichnam des emeritierten Papstes Benedikt XVI.. in der Hauskapelle des früheren Klosters 'Mater Ecclesiae' im Vatikan. | © KNA
3. Januar 2023 | 13:56
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