Familie
Schweiz

Das Thema Stiefkindadoption spaltet Kirche und CVP

Zürich, 9.3.16 (kath.ch) Die Stiefkindadoption auch für unverheiratete und homosexuelle Paare spaltet Kirche und CVP. Der Ständerat stimmte am Dienstag, 8. März, einer entsprechenden Gesetzesrevision zu. Nun liegt der Ball beim Nationalrat. Die Bischofskommission Justitia et Pax unterscheidet zwischen dem Recht auf Stiefkindadoption und Fremdkindadoption.

Georges Scherrer

Nicht nur Eheleute, sondern auch Personen die in eingetragenen Partnerschaften, also auch in eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partnerschaften und im Konkubinat leben, sollen künftig das Kind ihres Partners oder ihrer Partnerin adoptieren können. Das hat der Ständerat am Dienstag entschieden.

Die katholische Kirche bezieht offiziell in der Sache keine klare Stellung. Eine solche vermisst Hans Moser, Präsident der konservativ-christlichen Partei Eidgenössisch-Demokratische Union (EDU): «Ich hoffe, dass die Schweizer Bischofskonferenz die Vorlage ganz gut anschaut.» Für die Bischöfe müsse das Wohl der Kindes im Vordergrund stehen und dieses könne nur «im Rahmen der traditionellen Familie mit Vater und Mutter» verwirklicht werden, sagte Moser am Mittwoch gegenüber kath.ch.

Die Schweizer Bischofskommission (SBK) nimmt zur Gesetzesrevision nicht Stellung, sagte SBK-Sprecher Walter Müller am Mittwoch auf Anfrage.

Justitia et Pax: Verschiedene Formen des Zusammenlebens

Die Stabskommission der Schweizer Bischöfe «Justitia et Pax» hatte in ihrer Stellungnahme zur Vernehmlassung der Revision des Adoptionsrechts erklärt, für sie stehe beim Adoptionsrecht das «Wohl des Kindes» im Mittelpunkt. Diese Betrachtung beinhalte, dass ein Kind ein Recht auf Eltern habe, nicht aber erwachsene Paare ein Recht auf ein Kind. Damit wäre das Recht der Paare höher gewichtet als das Wohl des Kindes.

In der Gesellschaft seien heute verschiedene Formen des Zusammenlebens Realität. Eine beachtliche Zahl von Kindern lebe in sogenannten «Regenbogenfamilien». Im Interesse des Wohls dieser Kinder sei deren erb- und zivilrechtliche Schlechterstellung nicht zu rechtfertigen.

Stiefkindadoption und Fremdadoption

Die Kommission sprach sich in ihrer Stellungnahme von 2014 für die «Stiefkindadoption» aus. Für das betroffene Kind sei es «zunächst unerheblich, ob die familiären Verhältnisse in einer ehelichen Gemeinschaft, in einer eingetragenen Partnerschaft oder in einer faktischen Lebensgemeinschaft begründet sind.» Für die Beurteilung sei aber zentral, dass familiäre Verhältnisse bereits bestehen und die Adoptionsvoraussetzungen erfüllt sind.

Der Generalsekretär der Kommission, Wolfgang Bürgstein, machte am Mittwoch gegenüber klar, dass sie zwischen «Stiefkindadoption» und der «Fremdadoption bei gleichgeschlechtlichen Paaren» unterscheide. Im zweiten Fall plädiere sie «für eine unterschiedliche Behandlung und ein differenziertes Vorgehen» und für «eine gewisse Zurückhaltung bei Fremdadoptionen von homosexuellen Paaren». Im Unterschied zur Stiefkindadoption sei  bei gleichgeschlechtlichen Paaren in den meisten Fällen davon auszugehen, dass erst mit der Fremdadoption familiäre Beziehungen aufgebaut würden.

Katholischer Frauenbund für Gesetzesrevision

Der Schweizerische Katholische Frauenbund (SKF) zeigte sich in der Vernehmlassung erfreut über die vorgesehenen Änderungen im Adoptionsrecht. Das angepasste Gesetz würde den veränderten gesellschaftlichen Begebenheiten Rechnung tragen. Der SKF sprach sich für die Stiefkindadoption «für alle erwähnten Formen von Lebensgemeinschaften» aus, also auch für «faktische Lebensgemeinschaften». Dies erhöhe die Chancen für Stiefkinder, in intakten familiären Strukturen und Verhältnissen aufzuwachsen. Zudem werde die Diskriminierung von Konkubinatspaaren aufgehoben.

CVP ist geteilt

In der Ständeratsdebatte zeigten sich die Hürden, welche sich der Gesetzesvorlage in den Weg stellen. Der Walliser CVP-Ständerat Beat Rieder warnte vor einer «Salamitaktik». Eine Annahme der Stiefkindadoption würde den Weg für die Kinderadoption für homosexuelle Paare und Leihmutterschaften ebenen. Anders sah es der Freiburger CVP-Ständerat Beat Vonlanthen, der sich für die Gesetzesrevision aussprach. Gemäss dem Berichterstatter für die «Neue Zürcher Zeitung» stellte sich Vonlanthen auf den Standpunkt, es gehe nicht darum, adoptionswilligen Eltern zu einem Kind zu verhelfen, sondern sicherzustellen, dass ein Kind mit Eltern aufwachsen dürfe.

Der Baselländer SP-Ständerat Claude Janiak weiss mit dem Begriff «Salamitaktik» nichts anzufangen. Gegenüber den «Freiburger Nachrichten» erklärte er am Mittwoch: «Die Politik wird hier weiterhin nur schrittweise vorankommen. Und ich bin sicher, dass auch die Stiefkindadoption nicht der letzte Schritt sein wird.»

Der Ständerat sagte am Dienstag mit 25 zu 14 Stimmen Ja zur Stiefkindadoption für Homosexuelle, gegen den Willen von CVP-, SVP- und einzelnen FDP-Vertretern, wie die Depeschenagentur SDA meldet. (gs)

Familie | © pixabay
9. März 2016 | 16:06
Lesezeit: ca. 3 Min.
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Bischöfe sollen hinstehen

EDU-Präsident Hans Moser gehört auch dem «Verein für die traditionelle Familie» an. Dieser prangert das «schuldhafte Schweigen der Bischofskonferenz und die ständigen Widersprüche unter den Bischöfen» an. Dies führe zu einer Verwässerung der Ehe. Der Verein wurde im vergangenen Juni gegründet. Co-Präsident und EDU-Geschäftsleiter Marco Giglio sagte damals gegenüber kath.ch, Auslöser für die Gründung des Vereins seien die «die ständigen Motionen und Vorstösse sowie die Angriffe auf den Bischof von Sitten und jenen von Chur» mit ihren klaren Positionen zu Ehe und Familie gewesen.