Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg
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Steuerprivileg: Europäischer Gerichtshof gibt Zeugen Jehovas recht

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat mehreren Gemeinschaften der Zeugen Jehovas in Belgien Steuerprivilegien zugesprochen. Damit stärkt der Gerichtshof das Recht auf Religionsübung.

Die Strassburger Richter kritisierten in ihrem Urteil den belgischen Staat: Um in Belgien als Religionsgemeinschaft staatlich anerkannt zu werden, gebe es kein transparentes, rechtssicheres Verfahren. Das Urteil wurde am Dienstag veröffentlicht.

Ab 2018 Steuern auf Immobilien

Im konkreten Fall ging es um Steuererleichterungen für neun Gruppen der Zeugen Jehovas im Grossraum Brüssel. Bis zu einer Gesetzesreform hatten sie für ihre Gottesdienst- und Versammlungsräume keine Immobiliensteuer zahlen müssen, weil Religionsgemeinschaften davon befreit sind.

Ab 2018 war dieses Steuerprivileg nur noch staatlich anerkannten Religionen gewährt worden. Das belgische Verfassungsgericht wies eine Klage der Zeugen Jehovas gegen die Neuregelung als unbegründet ab.

Finanzielles Hindernis für Religionsausübung

Der Menschenrechtsgerichtshof in Strassburg gab den Religionsgemeinschaften jetzt aber Recht. Die Steuerlast könne die allein durch Spenden finanzierten Gruppen in finanzielle Schwierigkeiten bringen und damit das Recht auf Religionsausübung gefährden. Laut Gericht geht es um eine jährliche Steuerlast von rund 42’000 Euro.

Mit scharfen Worten kritisierte der Gerichtshof das belgische Verfahren zur staatlichen Anerkennung von Religionsgemeinschaften. Es hänge wesentlich vom Urteil des Justizministers ab und sei nicht objektiv. Religionsgemeinschaften drohten dabei willkürlich behandelt zu werden.

Überlange Verfahren

Die Strassburger Richter verwiesen auch auf überlange Verfahrensdauern. So hätten die belgischen Behörden noch immer nicht über entsprechende Anträge von Buddhisten und Hindus entschieden, die diese 2006 und 2013 stellten. In Belgien sind nur katholische und evangelische Kirche, Judentum, Islam und orthodoxe Kirche offiziell anerkannt. (kna)

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg | © KNA
5. April 2022 | 15:16
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