Stephan Pfürtner in Marburg gestorben

Er verliess in den 70er Jahren nach einem Zerwürfnis die Universität Freiburg (Schweiz):

Marburg, 3.7.12 (Kipa) Stephan Hubertus Pfürtner, emeritierter Marburger Sozialethiker und ehemaliger Professor in Freiburg (Schweiz), ist am 2. Juli im Alter von 89 Jahren in Marburg gestorben, wie die Presseagentur Kipa aus dem Umkreis der Familie am Dienstag erfuhr. Er lehrte in Freiburg in der Schweiz, verliess aber nach einem Zerwürfnis mit dem Lehramt den Dominikanerorden und auch die Schweiz.

Pfürtner wurde am 23. November 1922 in Danzig geboren, studierte während des Kriegs Medizin und Philosophie, wurde von der Gestapo verhaftet und im Rahmen des Lübecker Christenprozesses durch das Volksgericht verurteilt.

Nach dem Krieg trat er in den Dominikanerorden ein, studierte Philosophie und Theologie in Bonn, Freiburg (Schweiz) und Rom, wo er promovierte. 1955 wurde Pfürtner Professor für Moraltheologie an der Dominikanerhochschule in Walberberg. Als Prior des Dominikanerklosters gründete er die Jugendakademie.

Hasserfüllte Kampagne gegen Pfürtner in der Schweiz

1966 kam Pfürtner an die Universität Freiburg (Schweiz). Hier lehrte er, bis ihm die Lehrerlaubnis entzogen wurde. 1971 vertrat er in einem Aufsehen erregenden Vortrag in Bern, im Rahmen der «progressio 71» der Berner Katholiken, unter dem Titel «Moral – was gilt heute noch?» die Meinung, dass sich immer mehr Menschen ausserstande sähen, die kirchliche Morallehre mit ihrer eigenen Sicht der Verantwortlichkeit in Übereinstimmung zu bringen. Drei Wochen nach seinem Vortrag wurde eine hasserfüllte Kampagne gegen ihn lanciert.

1972 äusserte sich Pfürtner in seinem Buch «Kirche und Sexualität» kritisch zur Enzyklika «Humanae vitae», mit der Papst Paul VI. 1968 die Anti-Baby-Pille und andere Verhütungsmethoden verbieten wollte.

Von Bischofskonferenz fallengelassen

Die Buchveröffentlichung hatte Folgen. Die Schweizer Bischofskonferenz liess Pfürtner fallen, ganz besonders Pierre Mamie Bischof des Bistums Lausanne-Genf-Freiburg, und Rom widersprach Pfürtners Moralvorstellungen. Das Urteil war klar: entweder öffentlicher Widerruf oder Schluss mit der Lehrtätigkeit (Entzug der kirchlichen Lehrvollmacht). 1974 folgte Pfürtner der Aufforderung der Kirchenleitung, von seinem Lehrstuhl für Moraltheologie an der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg zurückzutreten. Ein Jahr später trat er auch aus dem Dominikanerorden aus, 1974 heiratete er und zog mit seiner Frau zwei Kinder gross.

Von 1975 bis zu seiner Emeritierung 1988 war er Professor für Sozialethik an der Universität Marburg. 2007 erhielt Pfürtner den Ehrentitel «Gerechter unter den Völkern» der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Jad Vashem. Er wurde ausgezeichnet, weil er 1944 drei jüdischen Frauen zur Flucht aus dem KZ Stutthof verholfen hatte.

Monumentale Dokumentation

Der Jesuit Ludwig Kaufmann hat seinerzeit eine monumentale Dokumentation zu diesem Fall erarbeitet: «Ein ungelöster Kirchenkonflikt, Dokumente und zeitgeschichtliche Analysen. Der Fall Pfürtner.» (1220 Seiten. Edition Exodus, Freiburg/Schweiz, 1987)

Hinweis: Die Beerdigung findet am nächsten Dienstag statt.

(kipa/gs/AH/arch/job)

5. Juli 2012 | 09:16
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