Karin Iten und Stefan Loppacher
Schweiz

Stefan Loppacher: «Wirksame Prävention von Missbrauch gibt es nicht leise und bequem»

Karin Iten hat als Präventionsbeauftragte polarisiert – und sehr vehement die feministische Ausrichtung vertreten, sagt Thomas Bergamin, Präsident der Katholischen Landeskirche Graubünden. Wer von Präventionsfachleuten eine brave, unterwürfige und systemtreue Prävention erwarte, habe keine Ahnung vom Thema, sagt Itens Teamkollege Stefan Loppacher.

Jacqueline Straub

Stefan Loppacher und Karin Iten, die beiden Präventionsbeauftragte des Bistums Chur, sind ein «schlagkräftiges Team». Mit «Sorge und Bedauern» blickt Stefan Loppacher auf die Kündigung von Karin Iten.

Konservative Priester haben ihn bekämpft und müssen ihn nun nicht unterschreiben: Churer Verhaltenskodex
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In der gesamten Missbrauchsthematik habe die Kirche weit über das Bistum Chur hinaus von ihrem Fachwissen und Engagement profitiert. «Eine versierte Fachfrau wie Karin Iten zu finden, die bereit ist, Präventionsarbeit in einer Institution wie der katholischen Kirche zu machen, ist wie ein Sechser im Lotto», sagt Stefan Loppacher. «Ihr Weggang ist ein grosser Verlust, der nicht so einfach wettgemacht werden kann.»

Konsequenzen der Kündigung nicht absehbar

Gerade mit Blick auf September, wenn die Vorstudie über Missbrauch in der katholischen Kirche erscheinen wird, wäre Karin Iten eine starke Stimme gewesen. «Es bedeutet, dass die Kirche in der Schweiz schlechter aufgestellt ist in der ganzen Thematik als vor der Kündigung von Karin Iten», sagt Stefan Loppacher. «Die Konsequenzen sind im Moment noch nicht absehbar.»

Stefan Loppacher ist promovierter Kirchenrechtler. Spezialgebiet: Missbrauch und Strafrecht.
Stefan Loppacher ist promovierter Kirchenrechtler. Spezialgebiet: Missbrauch und Strafrecht.

Der Präventionsbeauftragte wünscht sich, dass die nachfolgende Person ebenfalls laut auftritt. «Wirksame Prävention von sexuellem und spirituellem Missbrauch gibt es nicht leise und bequem.» Wer von Präventionsfachleuten eine brave, unterwürfige und systemtreue Prävention erwarte, habe keine Ahnung vom Thema und habe Nichts aus der Vergangenheit gelernt.

Stelle muss mit Frau besetzt werden

«Die Kirche ist ein hochkomplexes und – in verschiedenen Bereichen bis heute – marodes System, in dem ein heiliger Schein wichtiger war als der Schutz von Menschen», so Loppacher. Deshalb brauche es Fachwissen auf Topniveau «gepaart mit dem Mut, die Defizite einer mächtigen Institution schonungslos zu adressieren». Beides habe Karin Iten ausgezeichnet.

Es sei unglaublich lehrreich und persönlich bereichernd gewesen mit ihr zusammenzuarbeiten, so Loppacher. Für ihn ist klar, dass ein Präventionsteam aus mindestens einem Mann und einer Frau bestehen muss. Die Stelle mit einem Mann zu besetzen würde «keinen Sinn» machen. «Ich wäre nicht bereit, bloss mit einem weiteren Mann zusammenzuarbeiten.»

Thomas M. Bergamin, Präsident der Verwaltungskommission der katholischen Landeskirche Graubünden
Thomas M. Bergamin, Präsident der Verwaltungskommission der katholischen Landeskirche Graubünden

Thomas Bergamin, Präsident der Katholischen Landeskirche Graubünden blickt zwiespältig auf die Kündigung von Karin Iten. Zum einen bedauere er es, da sie sehr viel Fachwissen und persönliches Engagement eingebracht habe. «Auf der anderen Seite hat sie aber auch oft polarisiert und sehr vehement die feministische Ausrichtung vertreten.»

Gute Gedanken und Kontakte

Die Aussage von Karin Iten, dass den Frauen der Dienst in der katholischen Kirche versagt bleibe, finde er schade. Dies sei zu pauschal gefasst und «trifft einfach nicht zu». Dennoch: Er hat viele gute Gedanken an die geleistete Arbeit von Iten «und die vielen positiven Kontakte».

Er hofft, dass die Stelle der Präventionsbeauftragte wiederum in guter Absprache «mit der Bistumsleitung und den beteiligen Körperschaften (Biberbrugger-Konferenz) erfolgt und eine fähige, wiederum kompetente Person gefunden werden kann».


Karin Iten und Stefan Loppacher | © zVg
6. Juni 2023 | 16:30
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