Löwe
Schweiz

Starke Marken aus dem Tierreich für drei von vier Evangelien

Basel, 22.7.17 (kath.ch) Drei von vier Evangelien tragen ein Tier als Symbol. Und dabei handelt es sich um auffällige, starke Tiere: Löwe, Stier und Adler. Diese Marken erhielten die im Christentum bedeutendsten biblischen Bücher zwar lange Zeit nach ihrer Entstehung. Aber die Auswahl erlaubt bereits einen sehr charakteristischen Zugang, sagt der Theologe und Autor Josef Imbach* im Gespräch mit kath.ch. Ein Beitrag der Sommerserie «tierisch heilig».

Martin Spilker

Bei uns sind sie im Alltag kaum mehr anzutreffen: Löwe und Adler sind geschützte Tiere. Wer sie in Natur sehen will, braucht viel Geduld. Und einen Stier mit richtigen Hörnern bekommt man auch auf dem Lande eher selten mehr zu sehen.

Das war zur Zeit Jesu und auch die Jahrzehnte danach, als die Evangelien geschrieben wurden, in Israel sicher ganz anders. Der Stier gehörte – wie Ochs und Esel in der Weihnachtsgeschichte – ins Dorfbild. So überrascht es nicht, dass auch in einigen Gleichnissen Jesu und anderen biblischen Geschichten Tiere eine wichtige Rolle spielen. Der Stier, der als Tiersymbol für das Lukasevangelium steht, stellt dann auch genau diese Verbundenheit des Autors mit dem Volk dar.

Jedes Tier steht für eine Tugend

«Fest zugeordnet wurden die Symbole den Evangelien erst durch den im Jahr 202 verstorbenen Theologen Irenäus von Lyon», erklärt Imbach. Und ergänzt: «Zuvor standen diese Tiere in der Bibel für besondere Tugenden.» Die, so Imbach, finden sich zudem bereits im Alten Testament, im Buch des Propheten Ezechiel. Der Stier beispielsweise steht hier – nicht überraschend – für Kraft.

Der Stier steht – nicht überraschend – für Kraft.

Adler und Löwe umgekehrt waren auch früher wilde Tiere. Hier ist der Bezug zu den Tugenden, für die sie stehen, aber genauso bedeutend. Der Mut des Löwen, dem Tierzeichen für das älteste, das Markusevangelium. In dieser Zeit brauchten Christen Mut, so Imbach.

Stier, Bamberger Apokalypse | © wikicommons public domain

Das Evangelium nach Markus, wohl in den 70er-Jahren des ersten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung geschrieben, ist das erste bis heute erhaltene Dokument, in dem Geschichte und Geschichten von Jesus schriftlich festgehalten wurden. So konnte die Botschaft der damals verfolgten Christen auch anderen Leuten zugänglich gemacht werden.

Auf Adlers Höhe mit Johannes

Entsprechend passt auch der majestätische Adler sehr gut zum Johannesevangelium, dem sprachlich wohl vielfältigsten Evangelium: So wie der Zug des Adlers am Himmel fasziniert, so wenig lässt er sich festmachen. Die Eröffnung, der Prolog des Johannesevangeliums bewegt sich sprachlich «auf Adlers Höhe», wie es Imbach nennt.

Der Prolog des Johannesevangeliums bewegt sich «auf Adlers Höhe».

Denn hier heisst es nichts anderes als: «Am Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort.» – Über einen solchen Satz lässt sich mit Blick in den Himmel ganz gut nachdenken…

Adler, Bamberger Apocalypse | © wikicommons public domain

Später wurde versucht, die Symbole der Evangelien deren Anfang zuzuordnen. «Das sollte aber nicht überstrapaziert werden», meint Imbach schmunzelnd. Was bei Johannes mit dem Wort bei Gott und dem Adler gut passt, ist nicht überall so stimmig. Beim Markusevangelium, das mit Johannes dem Täufer – dem «Rufer in der Wüste» – beginnt, schien der Löwe gut zu passen.

Begleiter des Heiligen

Heute wissen wir, dass der «König der Tiere» vielmehr in der Savanne und gerade nicht in der Wüste lebt. Oder der Stier, der für das Lukasevangelium steht, wird hier als Opfertier gedeutet. Aber Lukas schreibt nichts von einem Tier-, sondern lediglich von einem Rauchopfer. – Beim Matthäusevangelium übrigens, das als Symbol kein Tier, sondern den Menschen trägt, wurde der Bezug zum Anfang der Schrift durch den hier zuerst aufgeführten Stammbaum von Jesus geschaffen.

Heute wissen wir, dass der Löwe gar nicht in der Wüste lebt.

Die Zuordnung von Tieren zu bedeutenden Glaubenszeugen zeigt sich im Lauf der Kirchengeschichte immer wieder. So sind der Heilige Gallus und der Bär oder Franziskus und die Vögel bekannte Bilder.

Löwe, Bamberger Apokalypse | © wikicommons public domain

Während bei den Evangelisten noch die Tugenden der Tiere im Zentrum standen, so sind es bei den Heiligen sehr oft Tiere, welche die Rolle dieser Personen in der damaligen Zeit verdeutlichen sollten. Damit wurden Bilder geschaffen, die auch Macht und Propaganda dienten, sagt Imbach.

Tiere und Glaube heute

Die starke Präsenz der Tiere in der Bibel erklärt der frühere Theologieprofessor Imbach mit dem nomadischen und später kleinbäuerlichen Leben vieler biblischen Figuren. In unserer Welt umgekehrt ist der unmittelbare Bezug zwischen Mensch und Tier ein ganz anderer geworden.

Auch heute wird das Tier zwar noch in der Alltagssprache verwendet, ist aber, wie beim Esel, Schwein oder Kamel eher negativ besetzt. Es gibt aber auch ganz positive Bilder, wie das Zugpferd oder die fleissige Biene.

Als Zugang zu biblischen Texten oder Glaubensinhalten, davon ist Josef Imbach überzeugt, bieten Tiere mit den ihnen zugeordneten Stärken und Tugenden bis heute eine gute Brücke.

Josef Imbach | © 2016 Michaela Stoll

*Josef Imbach ist den Leserinnen und Lesern von kath.ch als Autor der «Gedanken zum Sonntag» bekannt. Er ist Verfasser zahlreicher Bücher. Imbach unterrichtet an der Seniorenuniversität Luzern und ist in der Erwachsenenbildung und in der praktischen Seelsorge tätig.

Löwe | Pixabay C00
22. Juli 2017 | 15:03
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Viele Vögel für Maria

Im Lauf der Jahrhunderte hat auch die Mutter Gottes Tiere zur Seite gestellt bekommen. Ja, bei Maria ist es schon beinahe eine Voliere [ohne Akzent] voll, die ihr zugeordnet werden. Zuerst ist da allerdings ein Fabelwesen: das Einhorn. Die Legende will, dass das Einhorn nur von einer Jungfrau gefangen werden kann. «So kam es in der Kunst verschiedentlich zur Darstellung von Maria mit dem Einhorn», erklärt Imbach.

Auch bei den der Mutter Gottes zugeordneten Vögel geht es um die Jungfräulichkeit. Das Rebhuhn stehe ausdrücklich dafür, so Imbach. Denn das Männchen hauche einem alten Volksglauben zufolge das Weibchen zur Befruchtung an. Zu sehen ist gelegentlich auch der Pfau, oder vielmehr zwei Pfauen auf dem Dach des Stalls von Bethlehem. Sie versinnbildlichen die Unsterblichkeit.

Ein weiterer Vogel, der mit Maria in Verbindung gebracht wird, ist der Distelfink oder Sittich, der mit seinem roten Kopf das Leiden Jesu verkörpert, das Maria miterleben musste. Und nicht zuletzt ist da der Papagei, der für das menschgewordene Wort Gottes stehe. – Und dessen Krächzen ganz einfach als «Ave», als Gruss des Engels an Maria gedeutet werden kann. (ms)