Stand der Zisterzienserinnen vom Kloster Wurmsbach
Schweiz

«Sisters Act» am Zürcher Hauptbahnhof: Klöster zeigen sich der Welt

Das hat die Schweiz noch nicht gesehen: Rund 20 vorwiegend katholische Ordensgemeinschaften, Klöster und geistliche Gemeinschaften präsentieren noch bis Samstagabend ihre Stände in der Halle des Zürcher Hauptbahnhofes. Ihr Leben, ihre Arbeitsweisen und Gaben, ihr Spirit, soll einer breiten Öffentlichkeit gegenüber neu sichtbar und erfahrbar werden.

Sabine Zgraggen*

Konnte sich vor wenigen Jahrzehnten noch jeder etwas unter einem Ordensleben vorstellen und galt ein Ordenseintritt zumindest als ein mutiger und anerkennenswerter Schritt, so wissen viele Menschen heute überhaupt nicht mehr, was ein solches Leben bedeuten kann.

Die Skandale rund um spirituellen und sexuellen Missbrauch, haben den eigentlichen Sinn eines solchen Lebensentscheides verdunkelt und entstellt. Darum: Chapeau für den Mut, die Freude und Power, sich der Öffentlichkeit neu und verdichtet in der Bahnhofshalle zu zeigen und Einblicke in ein alternatives Leben zu geben!

Mehr als Basteln und Backen im Angebot

Die Schwestern aus Wurmsbach SG, am Stand als «Sisters Act» angeschrieben, greifen gleich eine gängige Frage auf: Was macht ihr eigentlich? Natürlich basteln, backen und spazieren gehen, steht da auf einem Plakat. Da kann man sich ein Lachen nicht verkneifen: Ewig bastelnde, harmlose Schwestern, die gemütlich ihre Zeit auf Erden totschlagen?

Klöster kommen in Kontakt mit den Menschen.
Klöster kommen in Kontakt mit den Menschen.

Wer sie kennt, weiss: Das Gegenteil ist der Fall. Schwester Andrea Fux und ihre Mitschwestern geben gerne Auskunft, wie die heutigen Angebote aussehen: Unter anderem eine «4 Wochen Auszeit für 18 – bis 35jährige», die Mitte jeden Monats neu startet und professionell begleitet wird. Bereits über 30 junge Frauen und Männer haben diese Neuorientierung für sich gesucht und gefunden. Der Trend hält an, dass die eigene Suche nach Lebenssinn und Mehrwert – im Wortsinn – niemals veraltet ist.

Bruder Martin Barmettler will mit dem Ballon jemandem eine Freude machen.
Bruder Martin Barmettler will mit dem Ballon jemandem eine Freude machen.

Ein offenes Zelt für Gespräche

Wenige Schritte weiter läuft mir Bruder Martin Barmettler, ein Franziskaner aus Näfels GL, über den Weg. Er steht mit einem geknoteten Luftballon-Hund da. Auf die Frage, was er hier macht, sagt er: Er sei einfach da und wolle mit dem Ballon jemandem eine Freude machen. Ob ein solcher Ballon etwas mit Franz von Assisi zu tun habe, das müsste doch eher der «Wolf von Gubbio sein», frage ich scherzhaft. Der Kollege daneben antwortet schlagfertig: Jetzt ist es ein Wolf! Wir lachen. Fantasie und Spontanität sind an diesem Freitagnachmittag gefragt.

Seelsorgegespräch im Zelt.
Seelsorgegespräch im Zelt.

Auf dem Weg zum «Tiny Haus», das als Anhänger-Kirche ausgebaut wurde, sehe ich Bruder Mathias Müller, wie er sich mit einem Interessierten zu einem Seelsorgegespräch unter das Kreuz von San Damiano ins grosse Zelt setzt. So geht das, um mit Philipp Maloney zu sprechen: Da sein, Kontakte knüpfen und zuhören! Das macht Bruder Mathias auch sonst, wenn er durch die Gassen in Zürich läuft und Benachteiligten hilft.

Im «Tiny Haus» ist Platz für viele Anliegen

Beim «Tiny Haus» angekommen, das eine gusseiserne Glocke ziert, lese ich: Hier können Fürbitten in eine Box gelegt werden. Diese werden nach dem Klostermarkt-Anlass nach Einsiedeln zu den Benediktinern gebracht und innerhalb einer Messe Gott übergeben. Wie ich beobachten kann, stehen immer wieder Menschen vor der Box und werfen ihre Anliegen ein. Auch ich hätte da etwas… und warte.

Gebetsbox am Klostermarkt: Im "Tiny Haus" ist Platz für viele Anliegen.
Gebetsbox am Klostermarkt: Im "Tiny Haus" ist Platz für viele Anliegen.

Im «kleinen Haus» brennen viele Teelichter und zeigen an, dass es viele Sorgen und Nöte, aber auch Dankbarkeit gibt. Hier kann man Platz nehmen und einen Moment lang nachdenken, wie es einem geht. «Church form its most beautiful side», raunt ein Tourist im Vorbeigehen.

Andere Stimmung als sonst

Auch sonst fällt auf: Die Laune der Beteiligten und Interessierten ist ansteckend. Mit Sicherheit wurde für einen Event in der Halle des Hauptbahnhofs im Vorfeld noch nie so viel gebetet wie heute! Diese andere Stimmung als sonst, ist wahrnehmbar: Wo sonst laute Musik aus überdimensionalen Boxen dröhnt und jedes Gespräch verunmöglichen, zeigen sich hier auch atmosphärisch ganz andere Töne.

Lernen, wie ein Rosenkranz entsteht.
Lernen, wie ein Rosenkranz entsteht.

Als ich Schwester Monja von den Schönstatt-Schwestern aus Quarten an einem Tisch erkenne, sprudelt es nur so aus ihr heraus: Ihr Rosenkranz-Tisch sei morgens geradezu überrannt worden! Damit habe sie nicht gerechnet. Atemlos muss sie zurück, denn es sitzen drei Frauen da, die in die Geheimnisse der Herstellung eingeführt werden möchten. Im Hintergrund zeigt eine Mitschwester wie die Kunst des Ikonenschreibens geht. Ikonen werden erläutert und gezeigt. Das Interesse scheint gross.

Das Leuchten auf den Gesichtern der Schwestern

«Klostermarkt» ist an diesem zweitägigen Event nur der Vorname! Die selbst hergestellten Produkte aus klösterlicher Arbeit sind zwar begehrte Spezialitäten. Die Menschen drängen sich vor den Ständen, wollen aber nicht nur ein Bioprodukt kaufen. Der Grundsatz «Ora et labora», bete und arbeite, verheisst mehr. Das Leuchten auf den Gesichtern der Schwestern, der Segen, der von ihrer Arbeit und Hingabe ausgeht, wirkt offensichtlich anziehend und zeugt von etwas Grösserem. Und genau das ist es, was hier erfahrbar ist.

Für Kurzentschlossene ist der Klostermarkt noch bis Samstag, 6. Mai, bis 19 Uhr in der Bahnhofshalle Zürich geöffnet.

*Sabine Zgraggen (53) ist Theologin und ehemalige Psychiatrieseelsorgerin. Heute leitet sie die katholische Spital- und Klinikseelsorge in Zürich.


Stand der Zisterzienserinnen vom Kloster Wurmsbach | © Sabine Zgraggen
6. Mai 2023 | 13:00
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