Simone Curau-Aepli ist Präsidentin des Schweizerischen Katholischen Frauenbunds
Schweiz

Simone Curau-Aepli: Menschen wie Priorin Irene Gassmann sollten die Krankensalbung spenden

Bischöfe und Frauenverbände haben über «Sakramentalität und Kirche» diskutiert. Simone Curau-Aepli (61) vom Frauenbund findet: «Die Bischöfe haben zugehört und mitdiskutiert, aber sie kommen nicht ins Handeln.» Mut macht ihr eine Professorin aus Lima, die davon ausgeht, dass der Pflichtzölibat bald fällt.

Raphael Rauch

Was haben Sie an der Tagung gelernt?

Simone Curau-Aepli*: Am Vortrag von Schwester Birgit Weiler aus Lima hat mich beeindruckt, dass die Realität in Amazonien gar nicht so anders ist als bei uns. Auch bei uns möchten die Menschen die Sakramente von den Seelsorgerinnen und Seelsorgern empfangen, die sie begleiten, denen sie vertrauen, zu denen sie eine Beziehung aufbauen konnten. Es sind oft nicht-ordinierte Frauen und Männer, die diese Seelsorge-Arbeit leisten. Doch dann muss ein Priester eingeflogen werden, um das Sakrament zu spenden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das im Sinne Jesu ist.

Simone Curau-Aepli vom Frauenbund (links) und Monika Schmid.
Simone Curau-Aepli vom Frauenbund (links) und Monika Schmid.

Was schlagen Sie vor?

Curau: Das Zweite Vatikanische Konzil plädiert dafür, zwischen Sakramenten und Ämtern zu trennen. Hier sollten wir vorwärts machen. Mich erschüttert es, dass es Menschen gibt, die Beziehungsarbeit und Sakramentalität trennen. Das ergibt doch keinen Sinn! Warum darf etwa Priorin Irene Gassmann, die viele Menschen in Krankheit und Not begleitet, nicht das Sakrament der Krankensalbung oder der Versöhnung spenden? 

Bischof Felix Gmür und sein Generalvikar Markus Thürig.
Bischof Felix Gmür und sein Generalvikar Markus Thürig.

Der Generalvikar des Bistums Basel, Markus Thürig, hat über die verschiedenen Ämter und Funktionen in der Deutschschweiz referiert. Was könnte man hier weiterentwickeln?

Curau: Das Referat hat mich ernüchtert. Das Bistum Basel verkauft sich unter seinem Wert, denn es ist vor Jahrzehnten mutig vorangegangen und hat etwa mit Gemeindeleiterinnen und Gemeindeleitern ein Jobprofil geschaffen, das weltweit einzigartig ist.  Es ist ein Vorreiter, hier können Frauen auch taufen und trauen. Das könnte ein Best-Practice-Beispiel für die Weltkirche sein – doch das Bistum Basel will das gar nicht so gross an die Glocke hängen. Markus Thürig hat von Grauzonen gesprochen und findet, dass diese nicht weiter ausgereizt werden sollten. Ich sehe das anders. Wir können nicht auf Rom warten. Wir müssen jetzt handeln und jede Grauzone nutzen, die sich bietet!

Bischof Charles Morerod predigt in der Freiburger Christkönigskirche.
Bischof Charles Morerod predigt in der Freiburger Christkönigskirche.

Ist die Dringlichkeit bei den Bischöfen angekommen?

Curau: Ich hoffe es! Wenn es um konkrete Ergebnisse geht: Nein. Die Bischöfe haben zugehört und mitdiskutiert, aber sie kommen nicht ins Handeln. Mich erinnert Vieles an die Klima-Krise. Alle sagen, es muss sich was ändern – doch vor lauter Überforderung geht niemand den ersten Schritt. Es gibt eine Zeit für Reformen und auch eine Zeit, in der es für Reformen zu spät ist, weil die Institution nicht mehr die Kraft hat, sich zu verändern.

Gottesdienst in der Freiburger Christkönigskirche.
Gottesdienst in der Freiburger Christkönigskirche.

Was fordern Sie?

Curau: Ich wünsche mir, dass jeder Bischof in seinem Bistum das in seiner eigenen Kompetenz Mögliche tut. Und dass die Bischofskonferenz auf weltkirchlicher Ebene sich vernetzt und sich nachdrücklich für die dringend notwendigen Reformen einsetzt.

Von links Brigitte Fischer Züger, Davide Pesenti, Simone Curau-Aepli und Iva Boutellier.
Von links Brigitte Fischer Züger, Davide Pesenti, Simone Curau-Aepli und Iva Boutellier.

Die Tagung in Freiburg fand hinter verschlossenen Türen statt. Kam Brisantes zur Sprache?

Curau: Für viele war es eine wichtige Horizonterweiterung mit neuen Erkenntnissen zur kirchenrechtlichen oder pastoralen Ausgangslage. Zudem sind die kulturellen Unterschiede in der Schweiz enorm gross und die gegenseitige Information über den Status quo lösten bei einigen ein Aha-Erlebnis aus: «La Suisse n’existe pas!» Rein inhaltlich gab’s nichts Revolutionäres. Die Arbeitsgruppe hat entschieden, die Tagung nicht zu öffnen. Das respektiere ich.

Gottesdienst in der Freiburger Christkönigskirche.
Gottesdienst in der Freiburger Christkönigskirche.

Nichts Konkretes also! War die Tagung ein Flop?

Curau: Nein, sie war kein Flop. Die grosse Vielfalt der Beteiligten an sich war einmalig. Wir sind gemeinsam auf einem langen Weg und haben erneut vor Augen geführt bekommen, wie wichtig und dringlich Veränderungen in der Kirche sind. Es gibt kein vernünftiges Argument, warum wir trotz Taufe, die uns alle zu Kindern Gottes macht, nicht nur die gleiche Würde, sondern auch die gleichen Rechte haben sollten. Damit die Erfahrungen der Tagung nun Früchte tragen, bedarf es synodaler Strukturen und Prozesse, die zu verbindlichen Entscheidungen führen.

Nur Bischöfe waren im Altarraum.
Nur Bischöfe waren im Altarraum.

Ein ganzer Tag stand im Fokus der Frauen. Doch dann gab’s eine klerikale Eucharistiefeier mit zig Bischöfen – und die Frauen dürfen nur die Lesung halten oder als Kantorin wirken. Hat Sie das gestört?

Curau: Ich hätte mir eine andere Form von Gottesdienst gewünscht. Es wäre ein starkes Zeichen gewesen, wenn die Bischöfe uns Frauen gebeten hätten, den Gottesdienst zu gestalten und zu leiten. So hatten wir wieder einmal einen Widerspruch zwischen dem, was tagsüber gesagt wird, und der Liturgie, die in Männerhand blieb. Ich verstehe, dass viele Teilnehmende vor der Messe abgereist sind, weil sie keine Lust auf diese traditionell-klerikale Feier hatten. Das habe ich sehr bedauert, weil uns doch das gemeinsame Feiern besonders verbindet.

Bischof Charles Morerod beim Hochgebet.
Bischof Charles Morerod beim Hochgebet.

Glauben Sie an Veränderung in der Kirche?

Curau: Ja, sonst würde ich längst nicht mehr so viel ehrenamtliches Engagement aufbringen. Schwester Birgit Weiler aus Peru hat mir Mut gemacht. Sie geht fest davon aus, dass der Pflichtzölibat fällt und «viri probati» bald zugelassen werden. Das zeigt: Es lohnt sich zu kämpfen!

Simone Curau-Aepli (61) ist Präsidentin des Schweizerischen Katholischen Frauenbunds (SKF). Zusammen mit der Bischofskonferenz und dem Frauenrat hat der Frauenbund eine Tagung zur Sakramentalität in Freiburg organisiert.


Simone Curau-Aepli ist Präsidentin des Schweizerischen Katholischen Frauenbunds | © Laurent Crottet
8. September 2022 | 12:20
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