Simone Curau-Aepli vom Frauenbund setzt auf die Vernetzung der Frauen.
Schweiz

Simone Curau-Aepli: Es ist unglaubwürdig, dass sich Heiliger Stuhl als moralische Instanz aufführt

Dass das neuste Vatikan-Schreiben «Dignitas Infinita» die menschliche Würde in den Mittelpunkt stellt, findet Simone Curau-Aepli, Präsidentin des Schweizerischen Katholischen Frauenbundes, dringend notwendig. Dennoch ist sie entsetzt, dass das Dokument «Kompetenz, Erkenntnisse und Sicht von Frauen bewusst ignoriert».

Jacqueline Straub

Was finden Sie an dem Schreiben «Dignitas Infinita» gelungen?

Simone Curau-Aepli*: Nach dem ersten Querlesen des Dokumentes muss ich tief durchatmen und innehalten, um diese Frage zu beantworten. Ich finde es richtig und wichtig, dass sich die katholische Kirche als globale Institution immer wieder vertieft mit ethischen Themen auseinandersetzt, Grundlagen erarbeitet und Forderungen an Gesellschaft, Wirtschaft, Forschung und Politik stellt. Dass der Wert und die Bedeutung der menschlichen Würde einmal mehr vertieft werden, ist heute und immer wieder dringend notwendig.

«Ich finde keinen einzigen Beitrag, an dem Frauen mitgewirkt haben.»

Wo verspielt der Vatikan sich Sympathiepunkte?

Curau-Aepli: Wenn ich die Wurzeln des Dokuments anschaue, aus denen die Aussagen und Erkenntnisse abgeleitet werden, finde ich diese aufgelistet am Schluss in 116 Fussnoten. Diese Dokumente wurden fast ausschliesslich von Männern und Gremien innerhalb der Katholischen Kurie über Hunderte von Jahren erstellt. Daraus folgt, dass ich keinen einzigen Beitrag finde, an dem Frauen mitgewirkt haben, beziehungsweise es in ihrer Rolle verantwortet haben.

Männerbastion Vatikan
Männerbastion Vatikan

Was macht das mit Ihnen?

Curau-Aepli: Ich bin entsetzt, dass der Vatikan es sich im Jahr 2024 anmasst, in einem Prozess von über sechs Jahren ein Dokument zu einem fundamental wichtigen Thema wie der Menschenwürde zu erarbeiten und zu publizieren, dabei aber Kompetenz, Erkenntnisse und Sicht von Frauen bewusst ignoriert. Die Tragik dabei ist, dass diese Hochwürden diese Dysfunktionalität gar nicht erkennen.

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«Wir vertreten die Haltung, dass gleiche Würde sich in gleichen Rechten manifestieren muss.»

Wo bleibt das Schreiben hinter der Realität zurück?

Curau-Aepli: Ich mag mich gar nicht zu einzelnen Themen äussern, da ich mich dann nicht an die Vorgabe der Kürze halten könnte. Der Schweizerische Katholische Frauenbund SKF hat zu vielen der angesprochenen Themen eigene Diskussions- und Positionspapiere erarbeitet und publiziert. Dabei vertreten wir die Haltung, dass gleiche Würde sich in gleichen Rechten manifestieren muss. Diese Rechte werden den Frauen in patriarchalen und autoritären Systemen (wie der Katholischen Kirche) nach wie vor verwehrt, sei es in Bezug auf ihre Lebensgestaltung und Berufung, ihren Körper und die sexuelle Selbstbestimmung sowie auf das Einbringen von ihrem Wissen und ihrer Kompetenz. Solange der Heilige Stuhl in der UNO und im Europarat nur informelle Lobbyarbeit betreibt, sich aber nicht verbindlich an fundamentale Konventionen (z.B. Menschen- oder Kinderrechte) hält, ist es aus unserer Sicht unglaubwürdig, dass er sich als moralische Instanz aufführt und dabei fundamentale Regeln der Weltgemeinschaft ignoriert.

*Simone Curau-Aepli ist Präsidentin des Schweizerischen Katholischen Frauenbundes.


Simone Curau-Aepli vom Frauenbund setzt auf die Vernetzung der Frauen. | © Manuela Matt
9. April 2024 | 16:00
Lesezeit: ca. 2 Min.
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