kath.ch-Redaktionsleiter Raphael Rauch.
Kommentar

Sieg der Religionsfreiheit

Seit Wochen sind in Genf Gottesdienste verboten. Nun spricht das Gericht ein Machtwort. Der Sieg der Religionsfreiheit ist ein Signal für die ganze Schweiz, findet kath.ch-Redaktionsleiter Raphael Rauch.

Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Doch der Kanton Genf war wochenlang der Auffassung, dass Menschen zwar in vollen Bussen fahren und in gut besuchten Supermärkten einkaufen dürfen – Gottesdienste aber trotz Maskenpflicht und genügend Abstand verboten werden müssen.

Religion ist ein Grundrecht

Dabei sind Gottesdienste und spirituelle Anliegen kein Hobby, auf das man schon einmal verzichten kann. Die Religionsfreiheit ist ein von der Verfassung verbrieftes Grundrecht.

Das wissen die französischen Bischöfe, die mit Erfolg gegen zu drastische Einschränkungen geklagt haben. Das weiss der Walliser Staatsrat, der trotz hoher Corona-Fallzahlen Gottesdienste stets ermöglicht hat.

Nicht bitten – sondern einfordern

Doch nicht nur die Genfer Regierung braucht Nachhilfe in Sachen Religionsfreiheit. Auch die Kirchen machen sich kleiner als sie sind. So berichtete kath.ch, die Berner Landeskirchen hätten beim Regierungsrat gegen die 15-Personen-Obergrenze protestiert. Daraufhin wurden die Berner Kirchenoberen nervös und stellten klar: Es handle sich nicht um einen Protest, sondern um eine Bitte.

Die Kantone regeln die Besucherzahl bei Gottesdiensten unterschiedlich. Hier die Regelungen, die seit dem 10.12.2020 gelten.
Die Kantone regeln die Besucherzahl bei Gottesdiensten unterschiedlich. Hier die Regelungen, die seit dem 10.12.2020 gelten.

Bitten kann man viel. Aber um Religionsfreiheit muss man vielleicht in Saudi-Arabien bitten, nicht jedoch in der Schweiz. Die Religionsfreiheit ist kein Privileg, sondern ein Grundrecht. Insofern ist das Signal vom Genfer See eindeutig: Wenn Kantonsregierungen die Religionsfreiheit nicht genug achten, dann müssen die Kirchen Druck machen – zur Not auch mit juristischen Mitteln.

Es kommt auf die Grösse des Gotteshauses an

Alles andere lässt die Kirchen in die Bedeutungslosigkeit versinken – und höhlt das Recht auf Religionsfreiheit aus, von dem verfolgte Christen auf der ganzen Welt nur träumen.

Die Behörden sind gut beraten, von pauschalen Obergrenzen abzurücken und stattdessen wie in Italien die Grösse des Gotteshauses als Richtschnur zu nehmen. Es ist nicht nachvollziehbar, dass eine Kapelle im Berner Oberland genauso viele Gläubige aufnehmen darf wie die grosse Dreifaltigkeitskirche in Bern.

Nun ist kirchlicher Lobbyismus gefragt. Und schnelles Handeln. Denn der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Und der Advents-Countdown läuft.


kath.ch-Redaktionsleiter Raphael Rauch. | © Elisabeth Real
4. Dezember 2020 | 00:25
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