Die queere Person Kim de l'Horizon erhielt den Deutschen Buchpreises an der Frankfurter Buchmesse - und Personenschutz.
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«Sie schicken mir Fäuste, ich küsse sie»: Kim de l’Horizon argumentiert wie Jesus

Kim de l’Horizon kritisiert Bundesrat Ueli Maurer für seinen Satz: «Ob meine Nachfolgerin eine Frau oder ein Mann ist, ist mir egal. Solange es kein ‹Es› ist, geht es ja noch.» Laut NZZ kontert Kim de l’Horizon wie Jesus: «Sie schicken mir Fäuste, ich küsse sie.» Und: «Ihr habt mich geschlagen. Aber ich vergebe euch.»

«Herr Maurer, Sie wollen mir mein Menschsein verwehren, mich nicht als vollwertiges politisches Subjekt akzeptieren. Dennoch kämpfe ich nicht gegen Sie. Ich vergebe Ihnen. Ich habe kein Interesse, zu dominieren. Ich möchte den Kreislauf von Unterliegen und Unterwerfen, von Schwarz gegen Weiss durchbrechen. Sie schicken mir Fäuste, ich küsse sie. Sie leugnen meine Existenz, ich blühe.

Bundesrat Ueli Maurer, wieer leibt und lebt.
Bundesrat Ueli Maurer, wieer leibt und lebt.

Herr Maurer, in Ihrer Pressekonferenz vom 30. September 2022 sagten Sie: «Wir müssen mit unterschiedlichen Leuten zusammenleben.» Und: «Man muss versuchen, die Leute zu verstehen und auf sie zuzugehen.» Gilt das nur für die Minderheiten, die auf dem Land leben und von sich sagen, dass sie nicht mehr gehört werden? Oder gilt es auch für die Minderheiten, die eher in der Stadt leben und noch nie gehört wurden?

Versuchen Sie, mit dem Herzen ihres Herzens, mich zu verstehen, Herr Bundesrat Maurer? Wissen Sie beispielsweise, warum es Leute wie mich in die Stadt zieht? In die Quartiere wie jenes, in denen ich mich mit Angel traf? Nicht weil wir das Land oder die Bevölkerung dort verachten. Sondern weil wir auf dem Land mehr Gewalt erfahren. Ich für mein Teil würde Sie gerne besser verstehen. Deshalb lade ich Sie ein, mich auf ein Bier zu treffen. Wie wäre es, wenn wir uns einmal in der Stadt und einmal auf dem Land träfen.»

Die Schweizer Autorenperson Kim de l’Horizon hat den Deutschen Buchpreis für den Debütroman «Blutbuch» erhalten, dessen autobiografische Figur sich weder als Mann noch als Frau fühlt. In einem Gastbeitrag für die NZZ schreibt Kim de l’Horizon über einen Faustschlag in Berlin und über Bundesrat Ueli Maurer, der, wie er sagte, lieber kein «Es» als Nachfolger haben möchte.

Der Leiter des NZZ-Feuilletons, Benedict Neff, sieht bei Kim de l’Horizon ein jesuanisches Motiv: «Kim de l’Horizon klagt kaum an, denkt und fühlt sich vielmehr in seine Widersacher hinein und versteht sie und ihre Motive am Ende vermutlich besser als sie sich selbst. Doch Kim de l’Horizon wird von beiden aus den gleichen Gründen angefeindet, nämlich dafür, sich ihrer Ordnung nicht zu unterwerfen. Kim de l’Horizon wird dabei zu einer jesushaften Figur und schreibt an Maurer: «Sie schicken mir Fäuste, ich küsse sie.» Den ganzen Text durchdringt der Wunsch nach Versöhnung und Verbindung. Aber auch dies bringt Kim de l’Horizon praktisch auf den Boden, indem er den Bundesrat einlädt, mit ihm ein Bier zu trinken.» (rr)


Die queere Person Kim de l'Horizon erhielt den Deutschen Buchpreises an der Frankfurter Buchmesse – und Personenschutz. | © Keystone
22. Oktober 2022 | 07:05
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