Segnung von Homosexuellen: Kleine Revolution für die Weltkirche – Nichts Neues für die Schweiz
Der Vatikan hat die Segnung von homosexuellen Paaren erlaubt. Eine Neuheit. Denn im Jahr 2021 wurde dies noch abgelehnt. Die Erklärung aus Rom ist eine Bestätigung der seelsorgerlichen Praxis in der Schweiz – und kann zu einem Kulturwandel in anderen Ländern beitragen. Ein Kommentar.
Jacqueline Straub
Die Meldung, dass homosexuelle Paare ab sofort auch in der katholischen Kirche gesegnet werden können, wird als Sensation und Revolution gefeiert. Und sie kann zu weiten Teilen auch als das gesehen werden.
Gewichtiges Dokument
Denn die Erklärung «Fiducia supplicans» wurde vom Dikasterium für die Glaubenslehre herausgegeben. Sie trägt die Unterschrift des Präfekten, Kardinal Victor Fernandez – und sie wurde von Papst Franziskus ausdrücklich genehmigt. Dieses Dokument hat Gewicht.
Noch im Februar 2021 wurde die Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren ausgeschlossen, weil «die Kirche nicht die Vollmacht» habe, gleichgeschlechtliche Verbindungen zu segnen.
In Ländern, in denen Homosexualität noch immer unter Strafe steht oder gesellschaftlich geächtet wird – etwa in Nigeria oder Kenia –, schlägt diese Meldung aus Rom sicherlich wie eine Bombe ein. Für die Weltkirche ist das Schreiben somit ein Quantensprung. Und womöglich kann dies der erste Schritt sein, um in anderen Ländern zu einem Kulturwandel beizutragen. Und es zeigt: Queere Themen sind nicht nur Anliegen der deutschsprachigen Kirche.
Vielfältige Gottesdienstpraxis
Dennoch: «Fiducia supplicans» wirft nicht alles über Bord. Die Erklärung betont, dass die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare nicht mit dem Sakrament der Ehe verwechselt werden darf: Die Segnung darf nicht während des Gottesdienstes stattfinden, das Paar darf keine Hochzeitskleidung tragen und einen Ringaustausch soll es auch nicht geben.
Wir wissen: Wenn der Vatikan von Gottesdienst spricht, meint er damit eine Eucharistiefeier. Die katholische Kirche kennt aber viele Formen von Gottesdiensten – und in der Schweiz finden in diesen auch seit Jahren schon Segnungen von gleichgeschlechtlichen Paaren statt. Die Gottesdienstpraxis ist gerade in der Schweiz sehr vielfältig.
Praxis verändert Gesetzlichkeit
Das Schreiben aus Rom ist daher für die Schweizer Kirche wenig revolutionär: In der Praxis segnen Seelsorgende schon lange liebende Menschen. Einzig neu ist, dass dies nun mit dem päpstlichen Segen geschieht.
Legitimierte Praxis ändert früher oder später auch die kirchliche Gesetzlichkeit. Das katholische Lehramt ist oft der Realität vor Ort hinterhergehinkt. Ein Beispiel: Manche Gemeinden hatten schon Ministrantinnen vor der offiziellen Erlaubnis aus Rom. Und Frauen als Lektorinnen und Kommunionhelferinnen gibt es in der Schweiz schon lange – erst 2022 wurden sie von Papst Franziskus offiziell bestätigt.
Schweizer Seelsorgende können sich bestätigt fühlen, in dem, was sie eh schon machen. Es kann alle reformorientierten Katholikinnen und Katholiken ermutigen, sich weiterhin für eine lebensnahe, gerechte und menschliche Pastoral einzusetzen.
Das Schreiben aus Rom offenbart, dass ein neuer Wind in den alten Gemäuern des Vatikans weht. Es wird sich zeigen, wozu dieser Windhauch sonst noch fähig ist.
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