Silvia Richner (v.l), Martina Hafner, Helen Trautvetter, Nicole de Lorenzi, Sabine Zgraggen, Gabriela Giger, Belinda Harris, Jolanda Majoleth
Schweiz

Seelsorgerinnen bieten bei «Hallo, Tod!» offenes Ohr für schwierige Fragen an

Beim «Hallo, Tod!» Festival sassen Seelsorgerinnen und Sozialarbeiterinnen auf «Gesprächsbänken», um über das Tabuthema Tod und Sterben zu sprechen. Wegen des schlechten Wetters waren keine Passantinnen und Passanten unterwegs. Dennoch kamen die Frauen über Tod, Endzeit und das Jüngste Gericht ins Gespräch.

Sabine Zgraggen

Im Rahmen des viertägigen Kulturanlasses «Hallo, Tod!» kam eine Anfrage zum Mitmachen über das ökumenische Team der ambulanten Palliative Seelsorge herein. Als die ökumenische Frauen-Gruppe die letzten Vorbereitungen für ihre Bänkli-Aktion plant, herrscht in der ganzen Schweiz Hitze. Doch als die Seelsorgerinnen und Sozialarbeiterinnen am Samstagnachmittag losziehen, regnet es.

Mit Regenjacken und Schirme ausgerüstet, gehen sie los. Schon in der Vorbereitung zeigte sich: Sie sind motiviert. Vor allem, wenn Kulturschaffende fordern, dass das Thema Tod in den öffentlichen Raum zurück gehört.

Plakate "Trost- und Trauerbänke"
Plakate "Trost- und Trauerbänke"

Am Treffpunkt wartet Silvia Richner mit «Trost- und Trauerbänken-Plakaten» und Proviantsäckli. Sie war am Festival für das Konzept mitverantwortlich. Während es vor sich hin regnet, stehen alle Beteiligten unter dem Plastikdach der Fritschiwiese in Zürich. Die Palliativseelsorgerin Jolanda Majoleth erzählt: «Ja, ich wurde schon viel gefragt was von mir bleibt, wenn ich nicht mehr da bin oder weiss man denn, ob da überhaupt noch etwas kommt?»

Bereits in der Endzeit?

Als an Nachmittag der Regen weniger wird, nehmen sich ein paar Frauen ihre Schirme und setzen sich auf die umliegenden Bänke im Park. Während sie nach Festivalbesuchenden Ausschau halten, erzählt die Sozialdiakonin der Predigerkirche in Zürich, Belinda Harris von einer Begegnung.

«Gerade vorgestern hat mich jemand gefragt: Sind wir jetzt schon in der Endzeit oder noch nicht?» Sie habe sich dann mit einer Antwort zurückgehalten und gefragt, wie die Person darauf komme. Sie schlussfolgert: «So ist es auch beim Thema Tod, es gibt Sachen, die wir nicht wissen und nicht beantworten können. Damit müssen wir alle lernen umzugehen.»

Belinda Harris und Jolanda Majoleth
Belinda Harris und Jolanda Majoleth

Im Regen läuft eilig eine Mutter mit Kinderwagen vorbei. Liegt es nur am Regen oder gibt es kein Interesse am Thema Tod? Gabriela Giger gibt zu bedenken: «Früher hat die Religion viele Fragen beantwortet. Heute tut das eher die Medizin». Als Sozialarbeiterin bei Pro Senectute ist es ihr wichtig, dass die Menschen mit jemanden in Kontakt stehen, der solche Fragen auf- und ihren Willen ernst nimmt.

Im Gespräch mit beim Anlass "Hallo, Tod!"
Im Gespräch mit beim Anlass "Hallo, Tod!"

Der Fotograf des Festivals, Jens Zimmer, macht die Runde. Er zeigt Interesse und setzt sich zu den Frauen in den Regen. Sie sprechen über Einsamkeit und die Scham vieler Menschen zuzugeben, einsam zu sein. Belinda Harris schildert, dass während Corona alle gegen Einsamkeit helfen wollten, aber kaum jemand zugab, selbst einsam zu sein.

Mini-Interaktionen

Es hört nicht auf zu regnen. Wo sich tags zuvor noch hunderte von Menschen im Park vergnügten, sind heute nur grosse Pfützen. Festivalbesucher tauchen keine auf. Vorbeieilenden Schrittes lesen Passantinnen und Passanten zwar kurz die Plakate, im Regen stehen bleiben, will aber niemand.

Silvia Richner spricht von Mini-Interaktionen, «es werde alles registriert». Sie ist überzeugt davon, dass die Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod das Leben bereichert. Ist der öffentliche Raum vielleicht noch nicht bereit für solche Gespräche? Die Frage bleibt offen.

Friedhof Sihlfeld
Friedhof Sihlfeld

Um dem Regen zu entkommen, stellen sich die Frauen unter den Eingang des Friedhofes Sihlfeld in den geschützten Torbogen. Dort erzählt die Seelsorgerin Martina Hafner von einer Trauergruppe. Oft hört sie die gleichen Fragen: «Wo sind diejenigen, die gestorben sind? Sind sie da, sind sie im Himmel oder woanders? Wie kann ich den Kontakt halten?» Jolanda hat erlebt, dass Hinterbliebene wissen möchten, «ob Verstorbene den Kontakt zu uns wieder aufnehmen können.»

Skulptur auf dem Friedhof Sihlfeld in Zürich
Skulptur auf dem Friedhof Sihlfeld in Zürich

«Sehe ich die Verstorbenen wieder und wenn ja, in welcher Form?», dass beschäftige die Menschen durchaus, sagt die Palliativseelsorgerin Helen Trautvetter. Gleichzeitig wolle man im Himmel nicht alle Menschen wiedersehen, wie sie es auch schon hörte. Alle schmunzeln.

Ernst wird es nochmals kurz, als sie von der Angst eines jüngeren Schwerkranken vor dem Jüngsten Gericht erzählt. Ihr sei es wichtig gewesen, dem jungen Mann das Bild von einem liebenden Gott zu vermitteln.

Wertvolle Netzwerk-Erfahrung

Nach einigen Stunden im Regen packen die Frauen ihre Plakate zusammen. Petrus scheint kein Freund der Aktion zu sein. Dennoch: Es war eine wertvolle Netzwerk-Erfahrung für die Beteiligten. Sie spüren, dass sie «an etwas Wichtigem dran sind». Auch politisch steht die Frage im Raum, ob es nicht solche «Gesprächsbänke» bräuchte.


Silvia Richner (v.l), Martina Hafner, Helen Trautvetter, Nicole de Lorenzi, Sabine Zgraggen, Gabriela Giger, Belinda Harris, Jolanda Majoleth | © Sabine Zgraggen
28. August 2023 | 12:14
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