Prosit auf 175 Jahre Bistum St. Gallen: Bischof Markus Büchel (rechts).
Schweiz

Bistumsjubiläum in St. Gallen: Die Synode 72 war eine «Power-Zeit»

Vor genau 175 Jahren schlug die Geburtsstunde des Bistums St. Gallen. Es war eine Zangengeburt, haben die Teilnehmenden an der Festakademie erfahren. Und ein Rückblick auf die Synode 72 gab Anlass, die aktuellen Reformvorhaben kritisch zu beurteilen.  

Barbara Ludwig

Am 8. April 1847 errichtete Papst Pius IX. mit seiner Reorganisationsbulle «Instabilis rerum humanarum natura» die Diözese St. Gallen. Das feiern die St. Galler Katholiken auf den Tag genau 175 Jahre später an diesem Freitag.

Das Original der Bulle mit dem Siegel des Papstes befindet sich im Archiv des Katholischen Administrationsrates, eine Abschrift davon im Staatsarchiv. Beide Dokumente konnten die Teilnehmenden der Festakademie vor dem Mittagessen in einer Ausstellung anschauen.

Die Päpstliche Bulle von 1847.
Die Päpstliche Bulle von 1847.

«Es ist wunderbar, wenn die Räume in der Kirche zu klein werden.»

Bischof Markus Büchel

Begonnen hatte die Veranstaltung mit ersten Referaten in der Schutzengelkapelle gegenüber der Kathedrale. «Ich freue mich riesig, dass Sie so zahlreich erschienen sind», sagte der St. Galler Bischof Markus Büchel bei der Eröffnung vor rund 120 Personen.

Sie, die Anwesenden, seien «schuld», dass der Anlass in der Schutzengelkapelle stattfinde, scherzte der Bischof. Ursprünglich habe man einen anderen Raum vorgesehen, der sich schliesslich als zu klein herausgestellt habe. «Es ist wunderbar, wenn die Räume in der Kirche zu klein werden.»

Bischof Markus Büchel
Bischof Markus Büchel

Wo sich die Gesellschaft trifft

Der Schutzengelkapelle konnte der Bischof aber noch mehr abgewinnen. Die Kapelle wurde 1846 erbaut und ist damit fast so alt wie das Bistum selbst. «Damals war es ein neues Gebäude», so Büchel. Und es sei im Stil eines Atriums erbaut. Ein Atrium sei ein Ort, wo die Gesellschaft zusammenkommt, wo man das Leben und den Alltag miteinander teile.

Das Deckengemälde des sehr schlichten Baus zeigt die Geburt Christi. «Gott wird Mensch. Auch das ist eine Botschaft für die heutige Zeit. Geht als Kirche hinaus zu den Menschen», sagte der elfte Bischof der Diözese St. Gallen.

Sebastian Wetter bei einem Vortrag.
Sebastian Wetter bei einem Vortrag.

Entstehung zog sich hin

Das Gebiet des heutigen Bistums St. Gallen war einst Teil des «gigantischen» Bistums Konstanz. Wie es entstand, berichtete Sebastian Wetter, Kaplan und Kirchenrechtler, in einem «Drama in fünf Akten». Es war eine Zangengeburt, die sich nach dem Untergang der Fürstabtei St. Gallen 1803 über Jahrzehnte hinzog. Dazu gehörte auch eine kurze Phase mit einem Doppelbistum Chur-St. Gallen, mit dem aber niemand wirklich zufrieden gewesen sei.

Die Zeitenwende wahrnehmen

Der Kirchenhistoriker Franz Xaver Bischof bestritt den zweiten Wendepunkt in der Geschichte des Bistums St. Gallen: «Konzil, 68er-Bewegung, Synode 72». Unter Johannes Paul II. und Benedikt XVI. sei die Reformbewegung zum Erliegen gekommen, stellte er schliesslich fest.

Franz Xaver Bischof stammt aus St. Gallen und war Professor für Kirchengeschichte in München.
Franz Xaver Bischof stammt aus St. Gallen und war Professor für Kirchengeschichte in München.

Doch der amtierende Papst versuche, mit dem synodalen Prozess wieder ans Konzil anzuknüpfen. «Papst Franziskus will den Spürsinn der Herde wieder wahrnehmen.» Genau dies sei auch das Anliegen der Synode 72 gewesen.

Kräfteringen in der Kirche

Auf eine Frage aus dem Publikum hin sagte der Historiker, aktuell finde ein Kräfteringen im Innern der Kirche statt. Unterschiede im Kirchenverständnis würden aufeinanderprallen. «Auch im Kardinalkollegium gibt es Widerstand gegen Franziskus.» Es gebe Bischöfe, die die Zeitenwende wahrnehmen würden, andere wiederum nicht. Diese wollten am Kirchenbild des 19. Jahrhunderts festhalten. Gleichwohl zeigte sich Franz Xaver Bischof optimistisch, was Reformen in der Kirche betrifft: «Ich bin zuversichtlich, dass etwas geht.»

«Man sollte Reformen nicht nur beschliessen, sondern auch umsetzen.»

Franz Xaver Bischof, Kirchenhistoriker

Der Historiker hält es für wichtig, dass der synodale Prozess heute «in die Breite» gehe, von vielen mitgetragen werde. «Die Bischöfe sollten damit nicht alleine gelassen werden.» Die Jahre 1965 bis 1975 seien eine «Power-Zeit» gewesen.

Aber damals sei man sich zu wenig bewusst gewesen, dass Konzilsbeschlüsse auch umgesetzt werden müssten. Dies gelte es auch bei heutigen Reformbemühungen zu berücksichtigen, mahnte Franz Xaver Bischof. «Man sollte Reformen nicht nur beschliessen, sondern auch umsetzen. Sonst bleibt es nur auf dem Papier.»

Klaus Gremminger, Seelsorger, sorgt als Zauberer für magische Momente.
Klaus Gremminger, Seelsorger, sorgt als Zauberer für magische Momente.

An der Festakademie nahmen die wissenschaftlichen Referate grossen Raum ein. Auflockerung und entspannende Momente mit Tiefsinn bot der Seelsorger-Zauberer Klaus Gremminger zwischen den Impulsen.

Prosit auf 175 Jahre Bistum St. Gallen: Bischof Markus Büchel (rechts). | © Barbara Ludwig
8. April 2022 | 17:31
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