Salman Rushdie ist mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels ausgezeichnet worden.
Zitat

Salman Rushdie – «Auf Hass mit Liebe antworten»

Der britisch-indische Schriftsteller Salman Rushdie hat am Sonntag an der Frankfurter Buchmesse den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels entgegengenommen. In seiner Dankesrede erzählte er eine Fabel und meinte: «Frieden will mir im Augenblick wie ein Hirngespinst vorkommen.» Trotzdem will er die Hoffnung nicht aufgeben.

«Ich wurde schon immer von Mythologien inspiriert, von Sagen und Märchen, doch nicht, weil Wunder darin vorkommen – redende Tiere, magische Fische –, sondern weil sie Wahrheit enthalten. Hier sind wir nun versammelt, um über Frieden zu sprechen, wo doch gar nicht weit fort ein Krieg tobt, ein der Tyrannei eines einzelnen Mannes und seiner Gier nach Macht und Eroberung geschuldeter Krieg, ein trauriges Narrativ, dem deutschen Publikum nicht unbekannt. Und in Israel und dem Gazastreifen ist noch ein bitterer Konflikt explodiert. Frieden will mir im Augenblick wie ein dem Rauch der Opiumpfeife entsprungenes Hirngespinst vorkommen.

Wir leben in einer Zeit, von der ich nicht geglaubt habe, sie erleben zu müssen, eine Zeit, in der die Freiheit – insbesondere die Meinungsfreiheit, ohne die es die Welt der Bücher nicht gäbe – auf allen Seiten von reaktionären, autoritären, populistischen, demagogischen, halbgebildeten, narzisstischen und achtlosen Stimmen angegriffen wird, eine Zeit, in der sich Bildungseinrichtungen und Bibliotheken Zensur und Feindseligkeit ausgesetzt sehen; in der extremistische Religionen und bigotte Ideologien beginnen, in Lebensbereiche vorzudringen, in denen sie nichts zu suchen haben.

Von links wie rechts gerät die Freiheit unter Druck, von den Jungen wie den Alten. In unseren sozialen Medien wird Tag für Tag die Idee der Freiheit missbraucht, um dem Mob online das Feld zu überlassen, wovon die milliardenschweren Besitzer dieser Plattformen profitieren und was sie zunehmend in Kauf zu nehmen scheinen. Was aber tun wir in Sachen Meinungsfreiheit, wenn sie auf derart vielfältige Weise missbraucht wird? Wir sollten weiterhin und mit frischem Elan machen, was wir schon immer tun mussten: schlechte Rede mit besserer Rede kontern, falschen Narrativen bessere entgegensetzen, auf Hass mit Liebe antworten und nicht die Hoffnung aufgeben, dass sich die Wahrheit selbst in einer Zeit der Lügen durchsetzen kann.»

Salman Rushdie (76) ist ein britisch-indischer Schriftsteller. 1989 war Salman Rushdie wegen seiner Satanischen Verse vom damaligen Obersten Führer des Iran, Ruhollah Chomeini, zum Tode verurteilt. Rushdie lebte daraufhin Jahrzehnte unter Polizeischutz im Untergrund. Im August 2022 wurde er Opfer eines Mordanschlags. Seitdem ist er auf einem Auge blind. Seine Rede zur Preisverleihung ist in gekürzter Form hier nachzulesen. (sas)


Salman Rushdie ist mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels ausgezeichnet worden. | © KNA
24. Oktober 2023 | 06:00
Lesezeit: ca. 1 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!