Bischof Lazzeri eröffnete im Oktober 2021 den synodalen Prozess in der Kathedrale Lugano.
Schweiz

Rücktritt mit 59: Bischof Valerio Lazzeri hinterlässt ein Bistum in bewegten Zeiten

Papst Franziskus hat den Rücktritt von Bischof Valerio Lazzeri (59) angenommen. Schweizweit trat der Bischof von Lugano lediglich am 1. August in Erscheinung – bei der Messe zum Nationalfeiertag auf dem Gotthard. Bei Sex-Skandalen seiner Priester fiel er weder als Aufklärer noch als souveräner Kommunikator auf.

Regula Pfeifer

Kloster Einsiedeln, Ende Mai 2022: Bischof Valerio Lazzeri steht am Fenster des grossen Barocksaals und blickt nachdenklich hinaus. Im Saal drin ist einiges los. Rund 50 Katholikinnen und Katholiken aus der ganzen Schweiz tauschen sich hier aus – und bringen ihre Ideen in den synodalen Prozess ein. Auch jetzt, in der Pause, tauschen sich die Anwesenden intensiv aus.

Valerio Lazzeri an der synodalen Versammlung in Einsiedeln.
Valerio Lazzeri an der synodalen Versammlung in Einsiedeln.

Das ist die Gelegenheit für eine Frage an ihn: Über die Priester, die im Tessin unlängst für Schlagzeilen gesorgt haben – wegen Geldbetrug, sexueller Übergriffe, Trunkenheit am Steuer und einer versteckten Sans-Papier-Frau. Der Bischof wendet sich zu und sagt freundlich: «Dazu möchte ich nichts sagen.» Er habe am Wochenende zuvor bereits in einer Tessiner Zeitung dazu Auskunft gegeben. Er nickt freundlich und wendet sich anderen zu.

Freundlich trotz unangenehmen Fragen

Später beim Apéro im Klosterhof: Trotz der wohl etwas unangenehmen Anfrage zuvor reagiert Valerio Lazzeri freundlich auf die nächste Frage der Journalistin. Wie hat ihm die synodale Versammlung gefallen? Diese Frage beantwortet er gern, sichtlich erfreut, dass sie italienisch sprechen kann. «Es war eine sehr positive Erfahrung», sagt er. «Wir haben interessante Synthesen entwickelt, die uns eine Zukunft eröffnen.»

Eröffnung des synodalen Prozesses in der Kathedrale Lugano
Eröffnung des synodalen Prozesses in der Kathedrale Lugano

Die Situation in der Kirche Schweiz sei «sehr unterschiedlich», sagt er weiter. «Je mehr wir uns in Richtung einer gemeinsamen Vision entwickeln von dem, was die Kirche in unserer Zeit sein soll, umso eher finden wir Wege, diese in den verschiedenen kulturellen Kontexten umzusetzen.»

Dass die Tessiner Kirche etwas anders tickt als etwa die Deutschschweizer Kirche, zeigt sich bereits an der Art, wie die katholischen Medienzentren Journalismus betreiben. Während kath.ch die Bischöfe kritisch unter die Lupe nimmt, ist das bei catt.ch, dem Tessiner Pendant, nicht der Fall. Nie sah sich der Bischof von Lugano gezwungen, über die Skandale seiner Priester Auskunft zu geben.

Fehlende professionelle Präventionsarbeit

Auch wird Bischof Valerio Lazzeri von catt.ch nicht dafür kritisiert, dass er immer noch keine professionelle Präventionsarbeit im Bereich Missbrauch und Machtmissbrauch aufgebaut hat.

Dafür sind auf catt.ch immer wieder Predigten des Bischofs zu lesen. Predigten, in denen Valerio Lazzeri über gutes, christliches Handeln sprach. Und die Menschen aufrief, sich dementsprechend zu verhalten. Auch seinen Weg ins Priesteramt beschrieb er – anlässlich des 30. Jahrestags seiner Priesterweihe – im September 2019 durchaus positiv:  «Bei meiner Priesterweihe war einfach alles perfekt.»

Valerio Lazzeri, Bischof von Lugano
Valerio Lazzeri, Bischof von Lugano

Im Südkanton war auch der synodale Prozess bisher eher sanft. Es war keine Rede von Machtmissbrauch und Klerikalismus, die es zu beseitigen gebe – wie etwa in der Deutsch- und der Westschweiz. Nur besser gehört wollten die Frauen und Jugendlichen werden.

4000 Follower auf Facebook

Das mag an der personellen Verquickung von Medienzentrum, Bistum und der Gruppe des synodalen Prozesses liegen. Oder an der Orientierung am grossen Nachbar im Süden, aus dem zahlreiche Priester des Bistums Lugano stammen. In Italien stehen die Kirche und ihre Repräsentanten viel weniger in der Kritik als in deutschsprachigen Regionen Europas.

Valerio Lazzeri ist ein Bischof, der aktiv in den sozialen Medien präsent ist. Im September 2019 vermeldete kath.ch, dass er der erfolgreichste Bischof der Schweiz sei – mit fast 4000 Followern auf Facebook.

Pier Giacomo Grampa im Garten der Villa Turconi
Pier Giacomo Grampa im Garten der Villa Turconi

Im Frühling 2018 musste Valerio Lazzeri das «Grounding» der letzten katholischen Tageszeitung der Schweiz miterleben: «Il Giornale del Popolo». Lazzeri war Herausgeber der Zeitung, konnte diese aber nicht vor dem Fiasko retten. Dieses stand in Zusammenhang mit der Liquidation des Werbevermarkters Publicitas.

Das hat dem Bischof von Lugano innerkirchlich viel Kritik eingebracht. Sein Vorgänger, Pier Giacomo Grampa, sagte 2021 zu kath.ch: «Ich hätte dies nie getan.»

Fehlbare Priester im Bistum Lugano

Valerio Lazzeris Umgang mit fehlbaren Priestern ist als vorsichtig und bedeckt zu bezeichnen. Einen von ihnen setzte er im Frühling 2022 wieder vorübergehend in einer Pfarrei ein, musste ihn dann aber wieder entlassen. Wie er sich den anderen gegenüber verhält, ist nicht bekannt. Auch zum seltsam anmutenden Zusammenleben eines ehemaligen Generalvikars mit einer Finnin sagte der Bischof – auch auf Nachfrage – nichts Öffentliches.

Bischof Valerio Lazzeri liest, umringt von vielen mitgereisten Priestern, die Heilige Messe.
Bischof Valerio Lazzeri liest, umringt von vielen mitgereisten Priestern, die Heilige Messe.

Bekannt und beliebt sind die Gottesdienste, die Bischof Valerio Lazzeri bisher jeweils zum Nationalfeiertag am 1. August auf dem Gotthard feierte – mit Publikum und Geistlichen aus dem Tessin und dem angrenzenden Italien.

Der Bischof von Lugano war an ein paar wichtigen Terminen der letzten Zeit abwesend. Vor einem Monat war er an Corona erkrankt und konnte deshalb nicht an der Vollversammlung der Schweizer Bischofskonferenz teilnehmen.

Bischof Valerio Lazzeri fehlte 2021 beim Ad-limina-Besuch der Schweizer Bischöfe.
Bischof Valerio Lazzeri fehlte 2021 beim Ad-limina-Besuch der Schweizer Bischöfe.

Zudem reiste er im November 2021 nicht zum Ad-limina-Besuch der Schweizer Bischöfe beim Papst. «Bischof Valerio Lazzeri ist aufgrund anhaltender Gehbehinderungen, die durch eine Knöchelverletzung im vergangenen Juli verursacht wurden, nicht in der Lage, mit der Schweizer Bischofskonferenz am Ad-limina-Besuch teilzunehmen», teilte damals der Bistumssprecher mit.

Dozent, Bischofsvikar, Spiritual

Papst Franziskus ernannte Valerio Lazzeri im November 2013 zum Bischof von Lugano. Am folgenden 7. Dezember wurde er geweiht. Die Priesterweihe war am 2. September 1989. Valerio Lazzeri war als Dozent an der Theologischen Fakultät Lugano für Theologie der Spiritualität tätig.

Vor seiner Zeit als Bischof war Valerio Lazzeri im Bistum Lugano Bischofsvikar sowie Spiritual des Priesterseminars San Carlo. Im September 2021 wurde er Mitglied der Kongregation für katholische Bildung und Studieneinrichtungen im Vatikan.

Vom Bleniotal an die Spitze des Bistums

Geboren ist Valerio Lazzeri am 22. Juli 1963 in Dongio im Tessiner Bleniotal. Er machte die Matura in Bellinzona, trat ins diözesane Priesterseminar San Carlo in Freiburg ein und studierte Theologie. Am päpstlichen Institut für Spiritualität «Teresianum» in Rom doktorierte er 1991 mit einer Arbeit über die «Mystische Theologie und die scholastische Theologie. Die spirituelle Erfahrung als theologisches Problem bei Giovanni Gerson».

Zurück im Tessin wurde er 1991 Vizerektor und Dozent am Kollegium Papio in Ascona. Von 1993 bis 1999 war er im Vatikan verantwortlicher Sekretär der Kongregation für katholische Erziehung. Von 1999 bis 2009 arbeitete er in der Pfarrei in Locarno und als Spitalseelsorger.

Am 2. August 2010 wurde Valerio Lazzeri zum residierenden Domherrn der Kathedrale San Lorenzo gewählt. Drei Jahre später war die Bischofsweihe. Und nun hat die Schweiz mit 59 Jahren einen sehr jungen Emeritus.


Bischof Lazzeri eröffnete im Oktober 2021 den synodalen Prozess in der Kathedrale Lugano. | © Ti-Press / Samuel Golay
10. Oktober 2022 | 12:04
Teilen Sie diesen Artikel!