Standaktion von "Reformen jetzt" in St. Gallen am 30. April 2024: Das Plakat zeigt die heilige Wiborada.
Schweiz

«Reformen jetzt» – Karten mit Wiborada und Maria Magdalena mussten nachgedruckt werden

Rund 10’000 Postkarten mit Bildern von Heiligen hat die St. Galler Bewegung «Reformen jetzt» kürzlich in Umlauf gebracht. Bislang haben rund 450 Personen eine Karte retourniert, auf die sie ihre Wünsche oder Kritik an die Kirche formulierten. Koordinator Roman Rieger zieht eine positive Zwischenbilanz der Aktion – auch was die Kosten betrifft.

Barbara Ludwig

Am 29. April hat die St. Galler Bewegung «Reformen jetzt» die Menschen im Bistum St. Gallen aufgerufen, ihre Wünsche und Kritik an die Kirche kundzutun. Interessierte können dazu eine Postkarte benutzen, auf die sie ihre Botschaft zuhanden der Bistumsleitung festhalten können.

Mobiler Stand von "Reformen jetzt" in St. Gallen: Die sieben Karten sind aufgelegt, 29. April 2024.
Mobiler Stand von "Reformen jetzt" in St. Gallen: Die sieben Karten sind aufgelegt, 29. April 2024.

Bei Standaktionen in der Stadt St. Gallen wurden die Karten mit Bildern von sieben Heiligen an Passantinnen und Passanten verteilt. Zudem konnten die Seelsorgeeinheiten auf dem Gebiet der Diözese die Karten bestellen und in ihren Räumlichkeiten auflegen. «Wir haben 1500 Sets à sieben Karten produzieren lassen», sagt Roman Rieger. Der Theologe leitet das Team der City-Seelsorge in St. Gallen und koordiniert die Aktionen der Reformbewegung, die sich im Nachgang der im September veröffentlichten Pilotstudie zum Missbrauch in der Kirche gebildet hat.

Kosten vernachlässigbar

Total sind es rund 10’000 Karten, farbig und im Format A5, also doppelt so gross wie eine gewöhnliche Postkarte. Druck und Vertrieb der Karten kosteten laut Rieger zirka 2700 Franken, während die Gestaltung mit 3000 Franken zu Buche schlug. Finanziert würden die Kosten im Rahmen der bestehenden Projektbudgets der Kommunikationsstelle und der Cityseelsorge der Katholischen Kirche im Lebensraum St. Gallen sowie weiterer kirchlicher Stellen. Konkret heisst das, dass dafür Kirchensteuergelder verwendet werden.

Roman Rieger koordiniert die Aktionen von "Reformen jetzt".
Roman Rieger koordiniert die Aktionen von "Reformen jetzt".

Rieger hält die Kosten vernachlässigbar im Vergleich zu dem Geld, das der Kirche durch die vielen Austritte entgehe. «Das sind die Beträge, die wirklich einschenken.» In der Stadt St. Gallen seien im vergangenen Jahr 1000 Mitglieder ausgetreten, doppelt so viele sonst in einem Jahr.

«Ohne unsere Aktionen wären noch mehr Menschen aus der Kirche ausgetreten.»

Roman Rieger, Koordinator von «Reformen jetzt»

Ausserdem zeigten die Reaktionen, dass die Reformbestrebungen vielen Menschen den Mut und die Kraft geben, noch dabei zu bleiben. Das höre man immer wieder. «Wir können nicht beziffern, wie viele Leute wir vom Kirchenaustritt abgehalten haben. Aber wir sind überzeugt, dass ohne unsere Aktionen noch mehr ausgetreten wären», sagt Rieger.

Auch habe die Bewegung – nach ihrer spontanen Bildung im letzten September – die Unterstützung der LOS-Versammlung erhalten. Dieser Versammlung gehören alle Mitarbeitenden im Seelsorgedienst der Katholischen Kirche im Lebensraum St. Gallen an. «Von ihnen haben wir den Auftrag erhalten, die Reformen voranzutreiben», so Rieger. Die Postkarten-Aktion, mit der man laut einer Medienmitteilung das «Stimmungsbild in der Bevölkerung einfangen» will, ist denn auch nur eine Aktion neben verschiedenen Reformvorstössen, die sich besonderen Themen widmen.

Menschen wollen ins Gespräch kommen

Rieger war Ende April, Anfang Mai auch bei den Standaktionen in St. Gallen dabei, hat Passantinnen und Passanten angesprochen und auf die Postkarten-Aktion aufmerksam gemacht. «Zu Beginn brauchte es eine gewisse Überwindung, auf der Strasse für Reformen in der katholischen Kirche hinzustehen», bekennt der 46-Jährige. Um dann begeistert von den «sehr vielen, sehr spannenden Gesprächen» zu erzählen.

Standaktion von "Reformen jetzt" auf dem Kornhausplatz in St. Gallen am 29. April 2024. Das Plakat zeigt Maria Magdalena.
Standaktion von "Reformen jetzt" auf dem Kornhausplatz in St. Gallen am 29. April 2024. Das Plakat zeigt Maria Magdalena.

Inhaltlich sei es um alles Mögliche gegangen: Über die Rolle von Religion im Leben, kirchliche Themen wie Beheimatung in der Pfarrei, Missbrauch oder Reformen. Oder die hoch theologische Fragen: «Wie bringe ich die Evolutionstheorie in Zusammenhang mit dem Glauben?» Rieger hat bei den Begegnungen am Stand ein grosses Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und nach Austausch gespürt. In manchen Fällen hätten die Gespräche seelsorgerlichen Charakter gehabt.

Auch negative Reaktionen

Auch negative Reaktionen blieben nicht aus, im Sinne von «Kirche interessiert mich nicht» oder «Kommt mir ja nicht mit der Kirche», berichtet der Leiter der St. Galler Cityseelsorge. Er erinnert sich zudem an ein langes Gespräch mit einem «engagierten Traditionalisten», der die von der Bewegung geforderten Reformen ablehnt – etwa dass Paare sich von einen Seelsorger oder eine Seelsorgerin ohne Weihe, aber ihres Vertrauens trauen lassen können. Beide Seiten hätten dabei ihren Standpunkt darlegen können. Rieger versichert, die Reformbewegung stelle an sich selber den Anspruch, «mit allen Meinungen im Austausch zu sein».

Begehrte Frauen-Karten

Unterdessen sind fast alle der 10’000 Karten im Umlauf. Besonders begehrt seien die Karten mit den heiligen Frauen, sagt Rieger. Eine zeigt die heilige Wiborada mit einem Stapel Bücher, auf der anderen ist Maria Magdalena – knallrote Lippen und ein rotes Osterei in der Hand – abgebildet. «Von diesen beiden Karten haben wir je 200 Exemplare nachdrucken lassen.» Auf den anderen Karten sind jeweils ein heiliger Mann sowie das Ehepaar Dorothee Wyss und Niklaus von Flüe dargestellt.

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Bislang wurden rund 450 Karten retourniert. «Wir haben – Stand jetzt – einen Rücklauf von 4,5 Prozent. Das ist nicht schlecht. Wenn wir am Schluss zehn Prozent der Karten zurückerhalten, sind wir sehr zufrieden», sagt Roman Rieger. Die Karten können auch online eingesandt worden, von dieser Möglichkeit hätten bislang jedoch nur 30 Personen Gebrauch gemacht. Die Aktion läuft noch bis Ende Mai. Das Reformteam wird Botschaften, die die Menschen auf die Karten notierten, im Juni auswerten und anschliessend die Karten der Bistumsleitung überreichen.


Standaktion von «Reformen jetzt» in St. Gallen am 30. April 2024: Das Plakat zeigt die heilige Wiborada. | © Sebastian Schneider
16. Mai 2024 | 14:00
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