Die Schweizer Delegation im Livestream des synodalen Prozesses: Bischof Felix Gmür, Tatjana Disteli und Helena Jeppesen.
Schweiz

Prag-Delegierte zu Abschlussdokument: «Unser Appell nach Reform wurde in ganzer Länge aufgenommen»

Die Schweiz ist beim Europäischen Synodentreffen in Prag für Reformen eingetreten – und hat es damit ins Abschlussdokument geschafft. «Dem müssen endlich konkrete Entscheide und Taten folgen», sagt die Online-Delegierte Renata Asal-Steger. Die Kirche sei nur glaubwürdig, wenn «wir zuerst ernsthaft unsere Binnenfragen lösen», ergänzt Tatjana Disteli.

Jacqueline Straub

«Wir Delegierte freuen uns, dass es gelungen ist, ein Dokument zu erarbeiten, das die wichtigen Themen und sehr unterschiedlichen Fragestellungen der Europäischen Kontinentalversammlung in Prag widerspiegelt», sagt Helena Jeppesen-Spuhler im Namen der Prag-Delegierten. Sie nahm zusammen mit Tatjana Disteli und Bischof Felix Gmür an der Kontinentalversammlung in Prag teil.

Notwendige Umkehr im Zentrum

Zuvor wurde das kontinentale Arbeitsdokument in der Schweiz von einigen Gruppierungen, in Diözesen, mit Jugendverantwortlichen, Ordensleuten und Verbänden diskutiert. Die Ergebnisse bildeten dann die Grundlage für die Schweizer Beiträge in Prag. «Bereits im Grundlagendokument steht die notwendige Umkehr der Kirche im Zentrum», sagt Tatjana Disteli.

Helena Jeppesen-Spuhler, Mitarbeiterin des Hilfswerks Fastenaktion, beim synodalen Prozess in Prag. Sie ist nun an der Weltsynode in Rom.
Helena Jeppesen-Spuhler, Mitarbeiterin des Hilfswerks Fastenaktion, beim synodalen Prozess in Prag. Sie ist nun an der Weltsynode in Rom.

«Unser Appell nach innerer Reform, um als Kirche glaubwürdiger wirken zu können, wurde in ganzer Länge ins europäische Abschlussdokument aufgenommen», sagen die beiden Prag-Delegierten Disteli und Jeppesen-Spuhler. «Das gilt genauso für die Anliegen der Gleichberechtigung der Frau aufgrund der gemeinsamen Taufwürde, für die Inklusion aller Menschen und grundsätzlich für die Dringlichkeit des Reformanliegens.»

Kein «queer» im Abschlussdokument

Dennoch wurden beim Prager Abschlussdokument kleine Abstriche gemacht. So findet sich im ganzen Dokument nicht einmal das Wort «queer». Hingegen steht im Schweizer Statement: «Ähnliches gilt für die Erfahrungen, die queere Menschen machen. Sie fühlen sich in unserer Kirche oft, leider zurecht, abgelehnt, entwürdigt und diskriminiert.» Daraus wurden im Abschlussdokument «viele Menschen und Gruppen».

Bischof Felix Gmür in Prag.
Bischof Felix Gmür in Prag.

Ein Schweizer Votum, das im Abschlussdokument steht, widmet sich der «Anerkennung der Würde und der Berufung aller Getauften, besonders der Frauen». Das Statement aus der Schweiz bestand im Ursprung noch aus einem zweiten Teil: «Die Kirche wird in der öffentlichen Wahrnehmung in weiten Teilen unseres Landes als ungerecht gegenüber Frauen wahrgenommen. So kann die Kirche ihren missionarischen Auftrag nicht glaubwürdig wahrnehmen.» Der Basler Bischof Felix Gmür steht voll und ganz hinter der ersten Version, die die Schweizer Delegation in Prag einbrachte.

Die Schweizer Delegation in Prag: Von links Helena Jeppesen, Tatjana Disteli und Bischof Felix Gmür.
Die Schweizer Delegation in Prag: Von links Helena Jeppesen, Tatjana Disteli und Bischof Felix Gmür.

Ein Votum zu Klimagerechtigkeit, Kriege, Armut und Krankheit steuerte die Schweiz ebenfalls bei – und es wurde fast wörtlich übernommen. Die Schweizer Delegation verknüpfte es mit dem Reformstau in der Kirche: «Als Kirche in der Schweiz können wir uns in diesen Krisen der Gegenwart glaubwürdig engagieren, wenn wir auch an unseren eigenen inneren Problemen arbeiten – und sie lösen», betont Tatjana Disteli immer wieder. Dieser Satz hat es auch ins Abschlussdokument geschafft.

Inspirierende synodale Erfahrung

Helena Jeppesen-Spuhler, Tatjana Disteli und Bischof Felix Gmür sind dankbar, dass sich im Vorfeld viele bei der Vorbereitung auf die Prager Versammlung beteiligt haben. «Diese Zusammenarbeit – und auch das Mittragen des Prozesses im Gebet – waren für uns eine starke und inspirierende synodale Erfahrung», so Jeppesen-Spuhler. Mit Blick auf die kommende Synode in Rom sei «wieder das Mittragen Vieler» gefragt, so Jeppesen-Spuhler.

Tatjana Disteli in der Kirche St. Martin in Olten
Tatjana Disteli in der Kirche St. Martin in Olten

«Was im Kleinen gelingt, wird sich auch in neuen Strukturen und Entscheidungswegen durchsetzen», sagt Tatjana Disteli. Sie macht es an zwei Paradigmenwechseln in der Kirche fest: Vom Fokus auf das Primat des Kirchenrechts, hin zum Blick auf die Pastoral. Und von einer statischen Glaubenslehre hin zu individuellen Glaubensprozessen.

Drei Delegierte in Prag, zehn Online-Delegierte in Wislikofen: die Schweizer Delegation des synodalen Prozesses.
Drei Delegierte in Prag, zehn Online-Delegierte in Wislikofen: die Schweizer Delegation des synodalen Prozesses.

«Die drängenden Reformanliegen und vielfältigen Herausforderungen auf dem Weg nach einer glaub­wür­di­gen Kirche sind schwarz auf weiss und durch Zitate der europäischen Länderdele­gation dokumentiert», sagt Renata Asal-Steger.

Sie war eine von zehn Online-Delegierten, die die synodale Versammlung in Prag von der Propstei Wislikofen aus verfolgte. Sorgen und Ängste der verschiedenen Länderdelegationen werden sichtbar, so Asal-Steger. Spannungsfelder werden nicht schöngeredet, auch nicht das durch Missbrauch verursachte Leid unzähliger Menschen.

Renata Asal-Steger
Renata Asal-Steger

Gelebte Vielfalt als Reichtum

«Erfreut war ich zudem über die Passagen, wonach die gelebte Vielfalt in der katholischen Kirche als Reichtum und Chance auf dem Weg in die Zukunft und nicht als Hemmnis angesehen wird», sagt Renata Asal-Steger.

Wenn die katholische Kirche eine glaubwürdige Zukunft haben möchte, müsse sie sich verändern, so Asal-Steger. Sie brauche ein «Aggiornamento», eine Anpassung an heutige Verhältnisse. Diese Erkenntnis kommt im vorliegenden Dokument zum Ausdruck. «Offen bleibt die Frage, wie die Veränderung der katholischen Kirche aussehen wird oder auszusehen hat.»

Entschlossenheit, Mut und Kreativität

Neben Freude spürt die Online-Delegierte auch eine «grosse Ungeduld und eine gewisse Ernüchterung». Denn für die drängenden Veränderungen brauche es weit mehr als Worte und Zitate auf Papier. «Dem Geschriebenen und Geäusserten müssen endlich konkrete Entscheide und Taten folgen. Und dafür braucht es Entschlossenheit, Mut und Kreativität.» Gefragt sei vor allem auch ein vertrauensvolles Miteinander hin zu einer gleichwürdigen, gleichberechtigten und geschwisterlichen Kirche.

Schweizer Kompass

In den kommenden Wochen soll das Arbeitsdokument «Instrumentum Laboris» für die Synode in Rom erscheinen, das aus den kontinentalen Synodenberichten erstellt wurde.

«In der Schweiz wird es dazu eine Vernehmlassung geben. Deren Zusammenfassung wird dem Delegierten der Bischöfe für die Synode als «Schweizer Kompass» mitgegeben und gleichzeitig auch publiziert, so Helena Jeppesen-Spuhler.


Die Schweizer Delegation im Livestream des synodalen Prozesses: Bischof Felix Gmür, Tatjana Disteli und Helena Jeppesen. | © Christian Merz
6. Juni 2023 | 11:47
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